Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

wandte sabellische Mundarten über. So wird nicht nur von
den Samnitern gesagt daß sie oskisch redeten 85), sondern
auch von den Bruttiern 86). Daher unterschied auch der
Komiker Titinius die volskische und oskische Sprache 87):
jene bezeichnete damals wohl die aller noch erhaltner auso-
nischer Stämme.

Ich habe schon bemerkt daß Antiochus Erzählung,
verbunden mit andern keineswegs verwerflichen Sagen
und Sprachgründen, schließen läßt daß die Ausoner
Siculer, ein dem Griechischen Stamm verwandtes Volk,
aus ihren Wohnsitzen, dem späteren Ausonien, vertrieben
hatten. Auch die italischen Wanderungen haben im Nor-
den begonnen: und die Gegenden in denen die letzten Au-
soner sich erhalten hatten, mögen ihre ersten Eroberungen
gewesen seyn. Der Wechsel des Schicksals traf im Ver-
lauf der Zeit die Eingewanderten. Im zweyten Jahrhun-
dert nach Troja setzten sich Chalkidier an der Campanischen
Küste zu Kuma fest, und gewannen die phlegräischen Ge-
filde, die selige Campanische Ebne (Campania felix).
Eine spätere Niederlassung eines näheren und weit mäch-
tigeren Volks beschränkte die Macht der Griechen, und
vollendete die Unterwerfung der Opiker dieser Gegenden.
Die Tyrrhener beherrschten das untere Meer; und ohne
Zweifel waren es thre Flotten, welche Colonieen an den
Vulturnus führten: wie sie auch Cupra in Picenum grün-

85) Livius X. c. 20.
86) Festus s. v. bilingues Brutates.
87) Bey Festus s. v. Oscum. Osce et Volsce fabulantur,
nam Latine nesciunt.

wandte ſabelliſche Mundarten uͤber. So wird nicht nur von
den Samnitern geſagt daß ſie oſkiſch redeten 85), ſondern
auch von den Bruttiern 86). Daher unterſchied auch der
Komiker Titinius die volſkiſche und oſkiſche Sprache 87):
jene bezeichnete damals wohl die aller noch erhaltner auſo-
niſcher Staͤmme.

Ich habe ſchon bemerkt daß Antiochus Erzaͤhlung,
verbunden mit andern keineswegs verwerflichen Sagen
und Sprachgruͤnden, ſchließen laͤßt daß die Auſoner
Siculer, ein dem Griechiſchen Stamm verwandtes Volk,
aus ihren Wohnſitzen, dem ſpaͤteren Auſonien, vertrieben
hatten. Auch die italiſchen Wanderungen haben im Nor-
den begonnen: und die Gegenden in denen die letzten Au-
ſoner ſich erhalten hatten, moͤgen ihre erſten Eroberungen
geweſen ſeyn. Der Wechſel des Schickſals traf im Ver-
lauf der Zeit die Eingewanderten. Im zweyten Jahrhun-
dert nach Troja ſetzten ſich Chalkidier an der Campaniſchen
Kuͤſte zu Kuma feſt, und gewannen die phlegraͤiſchen Ge-
filde, die ſelige Campaniſche Ebne (Campania felix).
Eine ſpaͤtere Niederlaſſung eines naͤheren und weit maͤch-
tigeren Volks beſchraͤnkte die Macht der Griechen, und
vollendete die Unterwerfung der Opiker dieſer Gegenden.
Die Tyrrhener beherrſchten das untere Meer; und ohne
Zweifel waren es thre Flotten, welche Colonieen an den
Vulturnus fuͤhrten: wie ſie auch Cupra in Picenum gruͤn-

85) Livius X. c. 20.
86) Feſtus s. v. bilingues Brutates.
87) Bey Feſtus s. v. Oscum. Osce et Volsce fabulantur,
nam Latine nesciunt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="52"/>
wandte &#x017F;abelli&#x017F;che Mundarten u&#x0364;ber. So wird nicht nur von<lb/>
den Samnitern ge&#x017F;agt daß &#x017F;ie o&#x017F;ki&#x017F;ch redeten <note place="foot" n="85)">Livius <hi rendition="#aq">X. c.</hi> 20.</note>, &#x017F;ondern<lb/>
auch von den Bruttiern <note place="foot" n="86)">Fe&#x017F;tus <hi rendition="#aq">s. v. bilingues Brutates.</hi></note>. Daher unter&#x017F;chied auch der<lb/>
Komiker Titinius die vol&#x017F;ki&#x017F;che und o&#x017F;ki&#x017F;che Sprache <note place="foot" n="87)">Bey Fe&#x017F;tus <hi rendition="#aq">s. v. Oscum. Osce et Volsce fabulantur,<lb/>
nam Latine nesciunt.</hi></note>:<lb/>
jene bezeichnete damals wohl die aller noch erhaltner au&#x017F;o-<lb/>
ni&#x017F;cher Sta&#x0364;mme.</p><lb/>
          <p>Ich habe &#x017F;chon bemerkt daß Antiochus Erza&#x0364;hlung,<lb/>
verbunden mit andern keineswegs verwerflichen Sagen<lb/>
und Sprachgru&#x0364;nden, &#x017F;chließen la&#x0364;ßt daß die Au&#x017F;oner<lb/>
Siculer, ein dem Griechi&#x017F;chen Stamm verwandtes Volk,<lb/>
aus ihren Wohn&#x017F;itzen, dem &#x017F;pa&#x0364;teren Au&#x017F;onien, vertrieben<lb/>
hatten. Auch die itali&#x017F;chen Wanderungen haben im Nor-<lb/>
den begonnen: und die Gegenden in denen die letzten Au-<lb/>
&#x017F;oner &#x017F;ich erhalten hatten, mo&#x0364;gen ihre er&#x017F;ten Eroberungen<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;eyn. Der Wech&#x017F;el des Schick&#x017F;als traf im Ver-<lb/>
lauf der Zeit die Eingewanderten. Im zweyten Jahrhun-<lb/>
dert nach Troja &#x017F;etzten &#x017F;ich Chalkidier an der Campani&#x017F;chen<lb/>
Ku&#x0364;&#x017F;te zu Kuma fe&#x017F;t, und gewannen die phlegra&#x0364;i&#x017F;chen Ge-<lb/>
filde, die &#x017F;elige Campani&#x017F;che Ebne (<hi rendition="#aq">Campania felix</hi>).<lb/>
Eine &#x017F;pa&#x0364;tere Niederla&#x017F;&#x017F;ung eines na&#x0364;heren und weit ma&#x0364;ch-<lb/>
tigeren Volks be&#x017F;chra&#x0364;nkte die Macht der Griechen, und<lb/>
vollendete die Unterwerfung der Opiker die&#x017F;er Gegenden.<lb/>
Die Tyrrhener beherr&#x017F;chten das untere Meer; und ohne<lb/>
Zweifel waren es thre Flotten, welche Colonieen an den<lb/>
Vulturnus fu&#x0364;hrten: wie &#x017F;ie auch Cupra in Picenum gru&#x0364;n-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0074] wandte ſabelliſche Mundarten uͤber. So wird nicht nur von den Samnitern geſagt daß ſie oſkiſch redeten 85), ſondern auch von den Bruttiern 86). Daher unterſchied auch der Komiker Titinius die volſkiſche und oſkiſche Sprache 87): jene bezeichnete damals wohl die aller noch erhaltner auſo- niſcher Staͤmme. Ich habe ſchon bemerkt daß Antiochus Erzaͤhlung, verbunden mit andern keineswegs verwerflichen Sagen und Sprachgruͤnden, ſchließen laͤßt daß die Auſoner Siculer, ein dem Griechiſchen Stamm verwandtes Volk, aus ihren Wohnſitzen, dem ſpaͤteren Auſonien, vertrieben hatten. Auch die italiſchen Wanderungen haben im Nor- den begonnen: und die Gegenden in denen die letzten Au- ſoner ſich erhalten hatten, moͤgen ihre erſten Eroberungen geweſen ſeyn. Der Wechſel des Schickſals traf im Ver- lauf der Zeit die Eingewanderten. Im zweyten Jahrhun- dert nach Troja ſetzten ſich Chalkidier an der Campaniſchen Kuͤſte zu Kuma feſt, und gewannen die phlegraͤiſchen Ge- filde, die ſelige Campaniſche Ebne (Campania felix). Eine ſpaͤtere Niederlaſſung eines naͤheren und weit maͤch- tigeren Volks beſchraͤnkte die Macht der Griechen, und vollendete die Unterwerfung der Opiker dieſer Gegenden. Die Tyrrhener beherrſchten das untere Meer; und ohne Zweifel waren es thre Flotten, welche Colonieen an den Vulturnus fuͤhrten: wie ſie auch Cupra in Picenum gruͤn- 85) Livius X. c. 20. 86) Feſtus s. v. bilingues Brutates. 87) Bey Feſtus s. v. Oscum. Osce et Volsce fabulantur, nam Latine nesciunt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/74
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/74>, abgerufen am 21.05.2024.