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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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schon angeführten Erzählung des Antiochus, in Bruttium
und im südöstlichen Lucanien. Zwey Völker werden un-
terschieden: die Italieten, in dem kleinen Bezirk des ur-
sprünglichen Italiens, innerhalb der Landenge zwischen
dem Scyllacischen und dem Napetinischen Meerbusen;
die Choner, nördlich und außerhalb der Landenge bis an
Japygien. Herodot rechnet auch die Westküste Lucaniens
zu Oenotrien; die, wo Elea von den Phokäern gegründet
ward 42). Hier lagen auch Oenotrische Inseln. Jene
sollen als Hirten gelebt haben, bis, lange vor Minos Zeit-
alter, Italus, ein mächtiger, weiser und tapferer Mann,
durch Ueberredung und Gewalt sie zu einem Volk verei-
nigte, zum Ackerbau bewog, und ihnen Gesetze gab; so
daß das umgebildete Volk sich und sein Land nach ihm
nannte. Durch seine Gesetze wurden Syssitien einge-
führt; gemeinschaftliche Mahlzeiten der Männer, zu de-
nen jeder ein vorgeschriebenes Maaß steuerte. Die Sitte
erhielt sich mit einigen andern Italus zugeschriebenen Ge-
setzen sehr spät, und so lange als noch einige Ueberreste der
Nation bestanden 43).

Die Erzählung wie sich die Italieten in zwey abge-
sonderte und feindselige Völker, Sikeler und Morgeten,
geschieden hätten, kann nur als eine mythische Bezeich-

42) ektesanto polin ges tes Oinotries tauten etis nun `Uele
kaleetai. I. c. 167.
43) Aristoteles, Politic. VII. c. 10. Dionysius I. c. 35. Ari-
stoteles Nachricht: diese Gesetze gelten noch jetzt (kai nun eti),
ist wahrscheinlich, wie seine ganze Erzählung, aus Antiochus
entlehnt; denn im fünften Jahrhundert fand man wohl keine
Oenotrer mehr.

ſchon angefuͤhrten Erzaͤhlung des Antiochus, in Bruttium
und im ſuͤdoͤſtlichen Lucanien. Zwey Voͤlker werden un-
terſchieden: die Italieten, in dem kleinen Bezirk des ur-
ſpruͤnglichen Italiens, innerhalb der Landenge zwiſchen
dem Scyllaciſchen und dem Napetiniſchen Meerbuſen;
die Choner, noͤrdlich und außerhalb der Landenge bis an
Japygien. Herodot rechnet auch die Weſtkuͤſte Lucaniens
zu Oenotrien; die, wo Elea von den Phokaͤern gegruͤndet
ward 42). Hier lagen auch Oenotriſche Inſeln. Jene
ſollen als Hirten gelebt haben, bis, lange vor Minos Zeit-
alter, Italus, ein maͤchtiger, weiſer und tapferer Mann,
durch Ueberredung und Gewalt ſie zu einem Volk verei-
nigte, zum Ackerbau bewog, und ihnen Geſetze gab; ſo
daß das umgebildete Volk ſich und ſein Land nach ihm
nannte. Durch ſeine Geſetze wurden Syſſitien einge-
fuͤhrt; gemeinſchaftliche Mahlzeiten der Maͤnner, zu de-
nen jeder ein vorgeſchriebenes Maaß ſteuerte. Die Sitte
erhielt ſich mit einigen andern Italus zugeſchriebenen Ge-
ſetzen ſehr ſpaͤt, und ſo lange als noch einige Ueberreſte der
Nation beſtanden 43).

Die Erzaͤhlung wie ſich die Italieten in zwey abge-
ſonderte und feindſelige Voͤlker, Sikeler und Morgeten,
geſchieden haͤtten, kann nur als eine mythiſche Bezeich-

42) ἐκτήσαντο πόλιν γῆς τῆς Οἰνωτϱίης ταύτην ἥτις νῦν ῾ϒέλη
καλέεται. I. c. 167.
43) Ariſtoteles, Politic. VII. c. 10. Dionyſius I. c. 35. Ari-
ſtoteles Nachricht: dieſe Geſetze gelten noch jetzt (καὶ νῦν ἔτι),
iſt wahrſcheinlich, wie ſeine ganze Erzaͤhlung, aus Antiochus
entlehnt; denn im fuͤnften Jahrhundert fand man wohl keine
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[40/0062] ſchon angefuͤhrten Erzaͤhlung des Antiochus, in Bruttium und im ſuͤdoͤſtlichen Lucanien. Zwey Voͤlker werden un- terſchieden: die Italieten, in dem kleinen Bezirk des ur- ſpruͤnglichen Italiens, innerhalb der Landenge zwiſchen dem Scyllaciſchen und dem Napetiniſchen Meerbuſen; die Choner, noͤrdlich und außerhalb der Landenge bis an Japygien. Herodot rechnet auch die Weſtkuͤſte Lucaniens zu Oenotrien; die, wo Elea von den Phokaͤern gegruͤndet ward 42). Hier lagen auch Oenotriſche Inſeln. Jene ſollen als Hirten gelebt haben, bis, lange vor Minos Zeit- alter, Italus, ein maͤchtiger, weiſer und tapferer Mann, durch Ueberredung und Gewalt ſie zu einem Volk verei- nigte, zum Ackerbau bewog, und ihnen Geſetze gab; ſo daß das umgebildete Volk ſich und ſein Land nach ihm nannte. Durch ſeine Geſetze wurden Syſſitien einge- fuͤhrt; gemeinſchaftliche Mahlzeiten der Maͤnner, zu de- nen jeder ein vorgeſchriebenes Maaß ſteuerte. Die Sitte erhielt ſich mit einigen andern Italus zugeſchriebenen Ge- ſetzen ſehr ſpaͤt, und ſo lange als noch einige Ueberreſte der Nation beſtanden 43). Die Erzaͤhlung wie ſich die Italieten in zwey abge- ſonderte und feindſelige Voͤlker, Sikeler und Morgeten, geſchieden haͤtten, kann nur als eine mythiſche Bezeich- 42) ἐκτήσαντο πόλιν γῆς τῆς Οἰνωτϱίης ταύτην ἥτις νῦν ῾ϒέλη καλέεται. I. c. 167. 43) Ariſtoteles, Politic. VII. c. 10. Dionyſius I. c. 35. Ari- ſtoteles Nachricht: dieſe Geſetze gelten noch jetzt (καὶ νῦν ἔτι), iſt wahrſcheinlich, wie ſeine ganze Erzaͤhlung, aus Antiochus entlehnt; denn im fuͤnften Jahrhundert fand man wohl keine Oenotrer mehr.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/62>, abgerufen am 23.11.2024.