befreyen 60). Wer in der allgemeinen Rechtsfrage dem Gläubiger günstig geurtheilt haben würde, fühlte daß ein freventlicher Mißbrauch das Recht getilgt hatte. Die ge- fühllose Partheylichkeit der Patricier riß die Erbitterung über alle Gränzen hin. Menschlichkeit und Wohlwollen bey der Regierung hätte eine Empörung leicht gehindert und die aufgeregten Gemüther besänftigt: aber der Se- nat verhärtete sich und trotzte dem Gefühl. Alle Plebejer mußten empfinden daß man sie als Gesindel betrachte, und dieses Gefühl hat alle Aristokratieen zerstört, die, wenn sie als liebende Väter geboten, wenn sie als weise Väter den herangewachsenen Kindern die Rechte bewilligt hätten, die sich nur der Unmündigkeit versagen lassen, den Segen eines verehrten und geliebten Alters hätten ge- nießen können.
Jeder Sommer brachte damals einen Streifzug, ent- weder der Römer über ihre Gränze, oder ihrer Nachbaren in das römische Gebiet. Jedesmal ward das Heer neu gebildet: es ward bey der Heimkehr entlassen. Diesmal weigerte sich das Volk die Waffen zu nehmen. Zwang war unmöglich, und der Staat schien aufgelöst: der Er- folg der sanften Maasregeln des Consuls P. Servilius zeigte wie viel lieber das Volk, wenn es nur nicht zurück- gestoßen ward, zum Gehorsam zurückkehrte als sich von
60) Die Geschichte dieses Unglücklichen, welcher als Haupt- mann gedient hatte, und die desjenigen den M. Manlius loskaufte, gewähren eine von den in den Römischen Anna- len so äußerst häufigen Parallelen, oder höchst verdächtigen Wiederhohlungen.
befreyen 60). Wer in der allgemeinen Rechtsfrage dem Glaͤubiger guͤnſtig geurtheilt haben wuͤrde, fuͤhlte daß ein freventlicher Mißbrauch das Recht getilgt hatte. Die ge- fuͤhlloſe Partheylichkeit der Patricier riß die Erbitterung uͤber alle Graͤnzen hin. Menſchlichkeit und Wohlwollen bey der Regierung haͤtte eine Empoͤrung leicht gehindert und die aufgeregten Gemuͤther beſaͤnftigt: aber der Se- nat verhaͤrtete ſich und trotzte dem Gefuͤhl. Alle Plebejer mußten empfinden daß man ſie als Geſindel betrachte, und dieſes Gefuͤhl hat alle Ariſtokratieen zerſtoͤrt, die, wenn ſie als liebende Vaͤter geboten, wenn ſie als weiſe Vaͤter den herangewachſenen Kindern die Rechte bewilligt haͤtten, die ſich nur der Unmuͤndigkeit verſagen laſſen, den Segen eines verehrten und geliebten Alters haͤtten ge- nießen koͤnnen.
Jeder Sommer brachte damals einen Streifzug, ent- weder der Roͤmer uͤber ihre Graͤnze, oder ihrer Nachbaren in das roͤmiſche Gebiet. Jedesmal ward das Heer neu gebildet: es ward bey der Heimkehr entlaſſen. Diesmal weigerte ſich das Volk die Waffen zu nehmen. Zwang war unmoͤglich, und der Staat ſchien aufgeloͤſt: der Er- folg der ſanften Maasregeln des Conſuls P. Servilius zeigte wie viel lieber das Volk, wenn es nur nicht zuruͤck- geſtoßen ward, zum Gehorſam zuruͤckkehrte als ſich von
60) Die Geſchichte dieſes Ungluͤcklichen, welcher als Haupt- mann gedient hatte, und die desjenigen den M. Manlius loskaufte, gewaͤhren eine von den in den Roͤmiſchen Anna- len ſo aͤußerſt haͤufigen Parallelen, oder hoͤchſt verdaͤchtigen Wiederhohlungen.
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befreyen 60). Wer in der allgemeinen Rechtsfrage dem
Glaͤubiger guͤnſtig geurtheilt haben wuͤrde, fuͤhlte daß ein
freventlicher Mißbrauch das Recht getilgt hatte. Die ge-
fuͤhlloſe Partheylichkeit der Patricier riß die Erbitterung
uͤber alle Graͤnzen hin. Menſchlichkeit und Wohlwollen
bey der Regierung haͤtte eine Empoͤrung leicht gehindert
und die aufgeregten Gemuͤther beſaͤnftigt: aber der Se-
nat verhaͤrtete ſich und trotzte dem Gefuͤhl. Alle Plebejer
mußten empfinden daß man ſie als Geſindel betrachte,
und dieſes Gefuͤhl hat alle Ariſtokratieen zerſtoͤrt, die,
wenn ſie als liebende Vaͤter geboten, wenn ſie als weiſe
Vaͤter den herangewachſenen Kindern die Rechte bewilligt
haͤtten, die ſich nur der Unmuͤndigkeit verſagen laſſen, den
Segen eines verehrten und geliebten Alters haͤtten ge-
nießen koͤnnen.
Jeder Sommer brachte damals einen Streifzug, ent-
weder der Roͤmer uͤber ihre Graͤnze, oder ihrer Nachbaren
in das roͤmiſche Gebiet. Jedesmal ward das Heer neu
gebildet: es ward bey der Heimkehr entlaſſen. Diesmal
weigerte ſich das Volk die Waffen zu nehmen. Zwang
war unmoͤglich, und der Staat ſchien aufgeloͤſt: der Er-
folg der ſanften Maasregeln des Conſuls P. Servilius
zeigte wie viel lieber das Volk, wenn es nur nicht zuruͤck-
geſtoßen ward, zum Gehorſam zuruͤckkehrte als ſich von
60) Die Geſchichte dieſes Ungluͤcklichen, welcher als Haupt-
mann gedient hatte, und die desjenigen den M. Manlius
loskaufte, gewaͤhren eine von den in den Roͤmiſchen Anna-
len ſo aͤußerſt haͤufigen Parallelen, oder hoͤchſt verdaͤchtigen
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/427>, abgerufen am 24.11.2024.
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