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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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stand eine Hungersnoth, der die Römer unterlagen; denn
es war hoffnungslos, einen Angriff auf ein übermächtiges
Heer zu wagen, welches den Strohm vor sich, und eine
Stellung auf dem für den Phalanx unzugänglichen Jani-
culum hatte. Die Roth stieg so hoch daß die Stadt sich
dem König Porsena ergeben mußte. Dieses Unglück hat
der Nationalstolz nicht weniger ängstlich als die Schmach
der Freykaufung nach der Gallischen Einnahme zu ver-
schleyern gesucht; und das Wort spricht nur Tacitus 16)
ungemildert aus, und ungemildert in der ganzen Strenge
der alten Deditionsformel darf man es nur verstehen, so
daß sich Rom dem Etrusker als Herrn ganz und ohne Ein-
schränkung hingab. Die überwundue Stadt trat zu der
herrschenden in das Verhältniß des unterthänigen Kindes
zum Hausvater; sie übergab ihr gesammtes Eigenthum,
und alles was sie enthielt ohne Vorbehalt: was sie besaß
blieb ihr nur nach der Willkühr des Beherrschers wie dem
Sohn das Peculium, und konnte ihr ohne Verletzung des
Rechts entzogen werden 17). Dabey nun war von einem

16) Sedem Jovis Opt. Max. -- quam non Porsena dedita
urbe
, neque Galli capta, temerare potuissent. Histor.
III. c.
72.
17) Die Deditionsformel findet sich bey Livius I. c. 38. De-
ditos Collatinos ita accipio, eamque deditionis formulam
esse. Rex interrogavit: Estisne Vos legati oratoresque,
missi a populo Collatino, ut Vos populumque Collati-
num dederetis? Sumus. Estne populus Collatinus in sua
potestate? Est. Deditisne Vos, populumque Collatinum,
urbem, agros, aquam, terminos, delubra, utensilia, di-
vina humanaque omnia in meam populique Romani di-
tionem? Dedimus. At ego recipio.

ſtand eine Hungersnoth, der die Roͤmer unterlagen; denn
es war hoffnungslos, einen Angriff auf ein uͤbermaͤchtiges
Heer zu wagen, welches den Strohm vor ſich, und eine
Stellung auf dem fuͤr den Phalanx unzugaͤnglichen Jani-
culum hatte. Die Roth ſtieg ſo hoch daß die Stadt ſich
dem Koͤnig Porſena ergeben mußte. Dieſes Ungluͤck hat
der Nationalſtolz nicht weniger aͤngſtlich als die Schmach
der Freykaufung nach der Galliſchen Einnahme zu ver-
ſchleyern geſucht; und das Wort ſpricht nur Tacitus 16)
ungemildert aus, und ungemildert in der ganzen Strenge
der alten Deditionsformel darf man es nur verſtehen, ſo
daß ſich Rom dem Etrusker als Herrn ganz und ohne Ein-
ſchraͤnkung hingab. Die uͤberwundue Stadt trat zu der
herrſchenden in das Verhaͤltniß des unterthaͤnigen Kindes
zum Hausvater; ſie uͤbergab ihr geſammtes Eigenthum,
und alles was ſie enthielt ohne Vorbehalt: was ſie beſaß
blieb ihr nur nach der Willkuͤhr des Beherrſchers wie dem
Sohn das Peculium, und konnte ihr ohne Verletzung des
Rechts entzogen werden 17). Dabey nun war von einem

16) Sedem Jovis Opt. Max. — quam non Porsena dedita
urbe
, neque Galli capta, temerare potuissent. Histor.
III. c.
72.
17) Die Deditionsformel findet ſich bey Livius I. c. 38. De-
ditos Collatinos ita accipio, eamque deditionis formulam
esse. Rex interrogavit: Estisne Vos legati oratoresque,
missi a populo Collatino, ut Vos populumque Collati-
num dederetis? Sumus. Estne populus Collatinus in sua
potestate? Est. Deditisne Vos, populumque Collatinum,
urbem, agros, aquam, terminos, delubra, utensilia, di-
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tionem? Dedimus. At ego recipio.
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[351/0373] ſtand eine Hungersnoth, der die Roͤmer unterlagen; denn es war hoffnungslos, einen Angriff auf ein uͤbermaͤchtiges Heer zu wagen, welches den Strohm vor ſich, und eine Stellung auf dem fuͤr den Phalanx unzugaͤnglichen Jani- culum hatte. Die Roth ſtieg ſo hoch daß die Stadt ſich dem Koͤnig Porſena ergeben mußte. Dieſes Ungluͤck hat der Nationalſtolz nicht weniger aͤngſtlich als die Schmach der Freykaufung nach der Galliſchen Einnahme zu ver- ſchleyern geſucht; und das Wort ſpricht nur Tacitus 16) ungemildert aus, und ungemildert in der ganzen Strenge der alten Deditionsformel darf man es nur verſtehen, ſo daß ſich Rom dem Etrusker als Herrn ganz und ohne Ein- ſchraͤnkung hingab. Die uͤberwundue Stadt trat zu der herrſchenden in das Verhaͤltniß des unterthaͤnigen Kindes zum Hausvater; ſie uͤbergab ihr geſammtes Eigenthum, und alles was ſie enthielt ohne Vorbehalt: was ſie beſaß blieb ihr nur nach der Willkuͤhr des Beherrſchers wie dem Sohn das Peculium, und konnte ihr ohne Verletzung des Rechts entzogen werden 17). Dabey nun war von einem 16) Sedem Jovis Opt. Max. — quam non Porsena dedita urbe, neque Galli capta, temerare potuissent. Histor. III. c. 72. 17) Die Deditionsformel findet ſich bey Livius I. c. 38. De- ditos Collatinos ita accipio, eamque deditionis formulam esse. Rex interrogavit: Estisne Vos legati oratoresque, missi a populo Collatino, ut Vos populumque Collati- num dederetis? Sumus. Estne populus Collatinus in sua potestate? Est. Deditisne Vos, populumque Collatinum, urbem, agros, aquam, terminos, delubra, utensilia, di- vina humanaque omnia in meam populique Romani di- tionem? Dedimus. At ego recipio.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/373>, abgerufen am 25.11.2024.