Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

brechern seine gefallnen Söhne gestäupt und enthaup-
tet wurden 94).

Mit dieser Entdeckung verschwand die schwache Hoff-
nung, daß der verbannte Fürst sein Schicksal mit Entsa-
gung tragen, und die Republik ihre Freyheit ohne Krieg
genießen werde. Es galt jetzt diese zur allgemeinen Sache
Aller zu machen. Denn das Volk freute sich wohl der
Befreyung von dem harten Herrn, aber nicht ohne dank-
bare Erinnerungen an die Monarchie welcher es Frey-
heit und Bürgerrecht verdankte: und es sah nicht ohne
Besorgniß auf den Stolz der Patricier wenn Consuln
dieses Standes allein die wahrscheinlich doch nicht ein-
mal sehr zahlreichen Plebejer aus dem Senat entfernen,
und sie ohne alle schirmende Macht dem patricischen Hoch-
muthe hingegeben seyn würden. Daher galt es, auch die
Plebs unzertrennlich an die Sache der Republik zu binden.
Das Eigenthum des Tarquinischen Hauses ward jetzt con-
fiscirt: was fortgetragen werden konnte, der Menge zur
Plünderung preisgegeben. Aus einem weit stärkeren
Grunde mußten auch die Landgüter des Königs unter das
Volk vertheilt werden. Davon schweigen unsre Geschicht-
schreiber: aber Plinius 95) hat die Nachricht erhalten daß
jedem Plebejer nach der Vertreibung der Könige sieben

94) Der Dichter hat es sich nicht hindern lassen daß nach
seiner eignen Erzählung Brutus, als der letzte König sei-
nen Bruder umbringen ließ, ein Kind war: hier die Söh-
ne, nach weniger als fünf und zwanzig Jahren von jener
Zeit, junge Männer sind.
95) H. N. XVIII. c. 4.

brechern ſeine gefallnen Soͤhne geſtaͤupt und enthaup-
tet wurden 94).

Mit dieſer Entdeckung verſchwand die ſchwache Hoff-
nung, daß der verbannte Fuͤrſt ſein Schickſal mit Entſa-
gung tragen, und die Republik ihre Freyheit ohne Krieg
genießen werde. Es galt jetzt dieſe zur allgemeinen Sache
Aller zu machen. Denn das Volk freute ſich wohl der
Befreyung von dem harten Herrn, aber nicht ohne dank-
bare Erinnerungen an die Monarchie welcher es Frey-
heit und Buͤrgerrecht verdankte: und es ſah nicht ohne
Beſorgniß auf den Stolz der Patricier wenn Conſuln
dieſes Standes allein die wahrſcheinlich doch nicht ein-
mal ſehr zahlreichen Plebejer aus dem Senat entfernen,
und ſie ohne alle ſchirmende Macht dem patriciſchen Hoch-
muthe hingegeben ſeyn wuͤrden. Daher galt es, auch die
Plebs unzertrennlich an die Sache der Republik zu binden.
Das Eigenthum des Tarquiniſchen Hauſes ward jetzt con-
fiscirt: was fortgetragen werden konnte, der Menge zur
Pluͤnderung preisgegeben. Aus einem weit ſtaͤrkeren
Grunde mußten auch die Landguͤter des Koͤnigs unter das
Volk vertheilt werden. Davon ſchweigen unſre Geſchicht-
ſchreiber: aber Plinius 95) hat die Nachricht erhalten daß
jedem Plebejer nach der Vertreibung der Koͤnige ſieben

94) Der Dichter hat es ſich nicht hindern laſſen daß nach
ſeiner eignen Erzaͤhlung Brutus, als der letzte Koͤnig ſei-
nen Bruder umbringen ließ, ein Kind war: hier die Soͤh-
ne, nach weniger als fuͤnf und zwanzig Jahren von jener
Zeit, junge Maͤnner ſind.
95) H. N. XVIII. c. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0352" n="330"/>
brechern &#x017F;eine gefallnen So&#x0364;hne ge&#x017F;ta&#x0364;upt und enthaup-<lb/>
tet wurden <note place="foot" n="94)">Der Dichter hat es &#x017F;ich nicht hindern la&#x017F;&#x017F;en daß nach<lb/>
&#x017F;einer eignen Erza&#x0364;hlung Brutus, als der letzte Ko&#x0364;nig &#x017F;ei-<lb/>
nen Bruder umbringen ließ, ein Kind war: hier die So&#x0364;h-<lb/>
ne, nach weniger als fu&#x0364;nf und zwanzig Jahren von jener<lb/>
Zeit, junge Ma&#x0364;nner &#x017F;ind.</note>.</p><lb/>
          <p>Mit die&#x017F;er Entdeckung ver&#x017F;chwand die &#x017F;chwache Hoff-<lb/>
nung, daß der verbannte Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;ein Schick&#x017F;al mit Ent&#x017F;a-<lb/>
gung tragen, und die Republik ihre Freyheit ohne Krieg<lb/>
genießen werde. Es galt jetzt die&#x017F;e zur allgemeinen Sache<lb/>
Aller zu machen. Denn das Volk freute &#x017F;ich wohl der<lb/>
Befreyung von dem harten Herrn, aber nicht ohne dank-<lb/>
bare Erinnerungen an die Monarchie welcher es Frey-<lb/>
heit und Bu&#x0364;rgerrecht verdankte: und es &#x017F;ah nicht ohne<lb/>
Be&#x017F;orgniß auf den Stolz der Patricier wenn Con&#x017F;uln<lb/>
die&#x017F;es Standes allein die wahr&#x017F;cheinlich doch nicht ein-<lb/>
mal &#x017F;ehr zahlreichen Plebejer aus dem Senat entfernen,<lb/>
und &#x017F;ie ohne alle &#x017F;chirmende Macht dem patrici&#x017F;chen Hoch-<lb/>
muthe hingegeben &#x017F;eyn wu&#x0364;rden. Daher galt es, auch die<lb/>
Plebs unzertrennlich an die Sache der Republik zu binden.<lb/>
Das Eigenthum des Tarquini&#x017F;chen Hau&#x017F;es ward jetzt con-<lb/>
fiscirt: was fortgetragen werden konnte, der Menge zur<lb/>
Plu&#x0364;nderung preisgegeben. Aus einem weit &#x017F;ta&#x0364;rkeren<lb/>
Grunde mußten auch die Landgu&#x0364;ter des Ko&#x0364;nigs unter das<lb/>
Volk vertheilt werden. Davon &#x017F;chweigen un&#x017F;re Ge&#x017F;chicht-<lb/>
&#x017F;chreiber: aber Plinius <note place="foot" n="95)"><hi rendition="#aq">H. N. XVIII. c.</hi> 4.</note> hat die Nachricht erhalten daß<lb/>
jedem Plebejer nach der Vertreibung der Ko&#x0364;nige &#x017F;ieben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0352] brechern ſeine gefallnen Soͤhne geſtaͤupt und enthaup- tet wurden 94). Mit dieſer Entdeckung verſchwand die ſchwache Hoff- nung, daß der verbannte Fuͤrſt ſein Schickſal mit Entſa- gung tragen, und die Republik ihre Freyheit ohne Krieg genießen werde. Es galt jetzt dieſe zur allgemeinen Sache Aller zu machen. Denn das Volk freute ſich wohl der Befreyung von dem harten Herrn, aber nicht ohne dank- bare Erinnerungen an die Monarchie welcher es Frey- heit und Buͤrgerrecht verdankte: und es ſah nicht ohne Beſorgniß auf den Stolz der Patricier wenn Conſuln dieſes Standes allein die wahrſcheinlich doch nicht ein- mal ſehr zahlreichen Plebejer aus dem Senat entfernen, und ſie ohne alle ſchirmende Macht dem patriciſchen Hoch- muthe hingegeben ſeyn wuͤrden. Daher galt es, auch die Plebs unzertrennlich an die Sache der Republik zu binden. Das Eigenthum des Tarquiniſchen Hauſes ward jetzt con- fiscirt: was fortgetragen werden konnte, der Menge zur Pluͤnderung preisgegeben. Aus einem weit ſtaͤrkeren Grunde mußten auch die Landguͤter des Koͤnigs unter das Volk vertheilt werden. Davon ſchweigen unſre Geſchicht- ſchreiber: aber Plinius 95) hat die Nachricht erhalten daß jedem Plebejer nach der Vertreibung der Koͤnige ſieben 94) Der Dichter hat es ſich nicht hindern laſſen daß nach ſeiner eignen Erzaͤhlung Brutus, als der letzte Koͤnig ſei- nen Bruder umbringen ließ, ein Kind war: hier die Soͤh- ne, nach weniger als fuͤnf und zwanzig Jahren von jener Zeit, junge Maͤnner ſind. 95) H. N. XVIII. c. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/352
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/352>, abgerufen am 25.11.2024.