ter unermeßlich anwuchs, durch die Aufnahme freyer Fremder in das Bürgerrecht. Das begann, so weit wir einige Geschichte haben, von den Albanern, und nach Alba wurden sehr viele latinische Städte den Siegern ein- verleibt. Die Geschichte stellt dieses dar als ob die Ein- wohner alle nach Rom fortgeführt worden wären, und dies ist allerdings auch in vielen Fällen unverkennbar, und gewährt einen hellen Beweis für die Richtigkeit die- ser Erklärung des Ursprungs der Plebs. Die Stände wohnten zu Rom in abgesonderten Quartieren, wie in vie- len Städten im Mittelalter. Servius wohnte auf dem Esquilinus unter seinen treuen Freunden: und diese Ge- gend blieb auch nachher ausschließlich plebejisch: auf dem Aventinus hatte Ancus den weggeführten Latinern Woh- nung angewiesen, und der Aventinus war die eigentliche plebejische Stadt. Man kann aber unmöglich glauben daß die römischen Könige eine ungeheure Bevölkerung zu Rom angehäuft hätten, entfernt von ihren Aeckern und unfähig sie zu bestellen, so daß alle hätten Hunger leiden müssen. Die meisten blieben unstreitig in ihrer Heimath; ihre Städte aber hörten auf Corporationen zu seyn, und eben dieses ist der erste Ursprung der Bauernstämme. Ihr Land war, nach dem italischen Völkerrecht, römische Do- maine geworden: ein Theil davon blieb Gemeingut, und ward von den Patriciern, als den eigentlichen ältesten Bürgern, für sich selbst und ihre Vasallen benutzt; ein Theil blieb der Krone: das übrige ward den alten Eigen- thümern, Roms neuen Bürgern, als Eigenthum von den römischen Königen übertragen, getheilt und assignirt.
ter unermeßlich anwuchs, durch die Aufnahme freyer Fremder in das Buͤrgerrecht. Das begann, ſo weit wir einige Geſchichte haben, von den Albanern, und nach Alba wurden ſehr viele latiniſche Staͤdte den Siegern ein- verleibt. Die Geſchichte ſtellt dieſes dar als ob die Ein- wohner alle nach Rom fortgefuͤhrt worden waͤren, und dies iſt allerdings auch in vielen Faͤllen unverkennbar, und gewaͤhrt einen hellen Beweis fuͤr die Richtigkeit die- ſer Erklaͤrung des Urſprungs der Plebs. Die Staͤnde wohnten zu Rom in abgeſonderten Quartieren, wie in vie- len Staͤdten im Mittelalter. Servius wohnte auf dem Eſquilinus unter ſeinen treuen Freunden: und dieſe Ge- gend blieb auch nachher ausſchließlich plebejiſch: auf dem Aventinus hatte Ancus den weggefuͤhrten Latinern Woh- nung angewieſen, und der Aventinus war die eigentliche plebejiſche Stadt. Man kann aber unmoͤglich glauben daß die roͤmiſchen Koͤnige eine ungeheure Bevoͤlkerung zu Rom angehaͤuft haͤtten, entfernt von ihren Aeckern und unfaͤhig ſie zu beſtellen, ſo daß alle haͤtten Hunger leiden muͤſſen. Die meiſten blieben unſtreitig in ihrer Heimath; ihre Staͤdte aber hoͤrten auf Corporationen zu ſeyn, und eben dieſes iſt der erſte Urſprung der Bauernſtaͤmme. Ihr Land war, nach dem italiſchen Voͤlkerrecht, roͤmiſche Do- maine geworden: ein Theil davon blieb Gemeingut, und ward von den Patriciern, als den eigentlichen aͤlteſten Buͤrgern, fuͤr ſich ſelbſt und ihre Vaſallen benutzt; ein Theil blieb der Krone: das uͤbrige ward den alten Eigen- thuͤmern, Roms neuen Buͤrgern, als Eigenthum von den roͤmiſchen Koͤnigen uͤbertragen, getheilt und aſſignirt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0259"n="237"/>
ter unermeßlich anwuchs, durch die Aufnahme freyer<lb/>
Fremder in das Buͤrgerrecht. Das begann, ſo weit wir<lb/>
einige Geſchichte haben, von den Albanern, und nach<lb/>
Alba wurden ſehr viele latiniſche Staͤdte den Siegern ein-<lb/>
verleibt. Die Geſchichte ſtellt dieſes dar als ob die Ein-<lb/>
wohner alle nach Rom fortgefuͤhrt worden waͤren, und<lb/>
dies iſt allerdings auch in vielen Faͤllen unverkennbar,<lb/>
und gewaͤhrt einen hellen Beweis fuͤr die Richtigkeit die-<lb/>ſer Erklaͤrung des Urſprungs der Plebs. Die Staͤnde<lb/>
wohnten zu Rom in abgeſonderten Quartieren, wie in vie-<lb/>
len Staͤdten im Mittelalter. Servius wohnte auf dem<lb/>
Eſquilinus unter ſeinen treuen Freunden: und dieſe Ge-<lb/>
gend blieb auch nachher ausſchließlich plebejiſch: auf dem<lb/>
Aventinus hatte Ancus den weggefuͤhrten Latinern Woh-<lb/>
nung angewieſen, und der Aventinus war die eigentliche<lb/>
plebejiſche Stadt. Man kann aber unmoͤglich glauben<lb/>
daß die roͤmiſchen Koͤnige eine ungeheure Bevoͤlkerung zu<lb/>
Rom angehaͤuft haͤtten, entfernt von ihren Aeckern und<lb/>
unfaͤhig ſie zu beſtellen, ſo daß alle haͤtten Hunger leiden<lb/>
muͤſſen. Die meiſten blieben unſtreitig in ihrer Heimath;<lb/>
ihre Staͤdte aber hoͤrten auf Corporationen zu ſeyn, und<lb/>
eben dieſes iſt der erſte Urſprung der Bauernſtaͤmme. Ihr<lb/>
Land war, nach dem italiſchen Voͤlkerrecht, roͤmiſche Do-<lb/>
maine geworden: ein Theil davon blieb Gemeingut, und<lb/>
ward von den Patriciern, als den eigentlichen aͤlteſten<lb/>
Buͤrgern, fuͤr ſich ſelbſt und ihre Vaſallen benutzt; ein<lb/>
Theil blieb der Krone: das uͤbrige ward den alten Eigen-<lb/>
thuͤmern, Roms neuen Buͤrgern, als Eigenthum von<lb/>
den roͤmiſchen Koͤnigen uͤbertragen, getheilt und aſſignirt.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[237/0259]
ter unermeßlich anwuchs, durch die Aufnahme freyer
Fremder in das Buͤrgerrecht. Das begann, ſo weit wir
einige Geſchichte haben, von den Albanern, und nach
Alba wurden ſehr viele latiniſche Staͤdte den Siegern ein-
verleibt. Die Geſchichte ſtellt dieſes dar als ob die Ein-
wohner alle nach Rom fortgefuͤhrt worden waͤren, und
dies iſt allerdings auch in vielen Faͤllen unverkennbar,
und gewaͤhrt einen hellen Beweis fuͤr die Richtigkeit die-
ſer Erklaͤrung des Urſprungs der Plebs. Die Staͤnde
wohnten zu Rom in abgeſonderten Quartieren, wie in vie-
len Staͤdten im Mittelalter. Servius wohnte auf dem
Eſquilinus unter ſeinen treuen Freunden: und dieſe Ge-
gend blieb auch nachher ausſchließlich plebejiſch: auf dem
Aventinus hatte Ancus den weggefuͤhrten Latinern Woh-
nung angewieſen, und der Aventinus war die eigentliche
plebejiſche Stadt. Man kann aber unmoͤglich glauben
daß die roͤmiſchen Koͤnige eine ungeheure Bevoͤlkerung zu
Rom angehaͤuft haͤtten, entfernt von ihren Aeckern und
unfaͤhig ſie zu beſtellen, ſo daß alle haͤtten Hunger leiden
muͤſſen. Die meiſten blieben unſtreitig in ihrer Heimath;
ihre Staͤdte aber hoͤrten auf Corporationen zu ſeyn, und
eben dieſes iſt der erſte Urſprung der Bauernſtaͤmme. Ihr
Land war, nach dem italiſchen Voͤlkerrecht, roͤmiſche Do-
maine geworden: ein Theil davon blieb Gemeingut, und
ward von den Patriciern, als den eigentlichen aͤlteſten
Buͤrgern, fuͤr ſich ſelbſt und ihre Vaſallen benutzt; ein
Theil blieb der Krone: das uͤbrige ward den alten Eigen-
thuͤmern, Roms neuen Buͤrgern, als Eigenthum von
den roͤmiſchen Koͤnigen uͤbertragen, getheilt und aſſignirt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/259>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.