rer fiel64): so wenig achteten die, welche die alten Dich- tungen zuerst verzeichneten Jahre und Möglichkeit der Zeit. Die Dichtung durfte übersehen daß der kriegeri- sche König an der Gränze des achtzigsten Jahrs den Thron bestiegen haben würde: vielmehr bildete sie nach ihm für die Erzählung des sabinischen Kriegs einen römischen Hel- den als seinen Vater.
Wer historische Wahrheit, also auch Zusammenhang, in der Geschichte des ersten römischen Jahrhunderts sucht, muß es ganz unbegreiflich finden daß Alba im Augenblick der Gründung der Stadt gänzlich verschwindet. Weder meldet die Sage etwas von Hülfe der Mutterstadt in Roms drohender Gefahr, noch wie Romulus, wenn das Geschlecht des Aeneas mit Numitor erlosch, von diesem Thron ausgeschlossen blieb. Hier bestätigt Reden und Stillschweigen welcher Art dasjenige ist was uns Ge- schichte genannt wird. Alba und Rom waren sich voll- kommen fremd; jene Stadt schon im Besitz republikani- scher Verfassung: dort gebot C. Cluilius als Dictator, während Tullus zu Rom herrschte.
Der Krieg zwischen Rom und Alba, wenigstens die Vereinigung der Römer und Albaner, ist das älteste hi- storisch unzweifelhafte dieser Geschichte. Aber nicht Ge- schichte in eigentlicher Gestalt; vielmehr ein vollkommenes Heldenlied, an dem trockne Abkürzung des Inhalts sich versündigen, und dessen Nachbildung einen andern Gegen- ständen schuldigen Raum wegnehmen würde. Diese
64) Dies ist sogar Dionysius entwischt, der doch sonst chrono- logischen übeln Schein abzuthun bemüht ist, III. c. 1.
rer fiel64): ſo wenig achteten die, welche die alten Dich- tungen zuerſt verzeichneten Jahre und Moͤglichkeit der Zeit. Die Dichtung durfte uͤberſehen daß der kriegeri- ſche Koͤnig an der Graͤnze des achtzigſten Jahrs den Thron beſtiegen haben wuͤrde: vielmehr bildete ſie nach ihm fuͤr die Erzaͤhlung des ſabiniſchen Kriegs einen roͤmiſchen Hel- den als ſeinen Vater.
Wer hiſtoriſche Wahrheit, alſo auch Zuſammenhang, in der Geſchichte des erſten roͤmiſchen Jahrhunderts ſucht, muß es ganz unbegreiflich finden daß Alba im Augenblick der Gruͤndung der Stadt gaͤnzlich verſchwindet. Weder meldet die Sage etwas von Huͤlfe der Mutterſtadt in Roms drohender Gefahr, noch wie Romulus, wenn das Geſchlecht des Aeneas mit Numitor erloſch, von dieſem Thron ausgeſchloſſen blieb. Hier beſtaͤtigt Reden und Stillſchweigen welcher Art dasjenige iſt was uns Ge- ſchichte genannt wird. Alba und Rom waren ſich voll- kommen fremd; jene Stadt ſchon im Beſitz republikani- ſcher Verfaſſung: dort gebot C. Cluilius als Dictator, waͤhrend Tullus zu Rom herrſchte.
Der Krieg zwiſchen Rom und Alba, wenigſtens die Vereinigung der Roͤmer und Albaner, iſt das aͤlteſte hi- ſtoriſch unzweifelhafte dieſer Geſchichte. Aber nicht Ge- ſchichte in eigentlicher Geſtalt; vielmehr ein vollkommenes Heldenlied, an dem trockne Abkuͤrzung des Inhalts ſich verſuͤndigen, und deſſen Nachbildung einen andern Gegen- ſtaͤnden ſchuldigen Raum wegnehmen wuͤrde. Dieſe
64) Dies iſt ſogar Dionyſius entwiſcht, der doch ſonſt chrono- logiſchen uͤbeln Schein abzuthun bemuͤht iſt, III. c. 1.
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Zeit. Die Dichtung durfte uͤberſehen daß der kriegeri-
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beſtiegen haben wuͤrde: vielmehr bildete ſie nach ihm fuͤr
die Erzaͤhlung des ſabiniſchen Kriegs einen roͤmiſchen Hel-
den als ſeinen Vater.
Wer hiſtoriſche Wahrheit, alſo auch Zuſammenhang,
in der Geſchichte des erſten roͤmiſchen Jahrhunderts ſucht,
muß es ganz unbegreiflich finden daß Alba im Augenblick
der Gruͤndung der Stadt gaͤnzlich verſchwindet. Weder
meldet die Sage etwas von Huͤlfe der Mutterſtadt in
Roms drohender Gefahr, noch wie Romulus, wenn das
Geſchlecht des Aeneas mit Numitor erloſch, von dieſem
Thron ausgeſchloſſen blieb. Hier beſtaͤtigt Reden und
Stillſchweigen welcher Art dasjenige iſt was uns Ge-
ſchichte genannt wird. Alba und Rom waren ſich voll-
kommen fremd; jene Stadt ſchon im Beſitz republikani-
ſcher Verfaſſung: dort gebot C. Cluilius als Dictator,
waͤhrend Tullus zu Rom herrſchte.
Der Krieg zwiſchen Rom und Alba, wenigſtens die
Vereinigung der Roͤmer und Albaner, iſt das aͤlteſte hi-
ſtoriſch unzweifelhafte dieſer Geſchichte. Aber nicht Ge-
ſchichte in eigentlicher Geſtalt; vielmehr ein vollkommenes
Heldenlied, an dem trockne Abkuͤrzung des Inhalts ſich
verſuͤndigen, und deſſen Nachbildung einen andern Gegen-
ſtaͤnden ſchuldigen Raum wegnehmen wuͤrde. Dieſe
64) Dies iſt ſogar Dionyſius entwiſcht, der doch ſonſt chrono-
logiſchen uͤbeln Schein abzuthun bemuͤht iſt, III. c. 1.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/229>, abgerufen am 23.11.2024.
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