dienst des Capitols zu beginnen ist die ganze Religion etruskisch. Der etruskische Lucumo welcher den Nahmen Tarquinius empfing, wäre in einer ganz latinischen Stadt wohl nicht von den Patriciern aufgenommen wor- den. Auch wohnte diese Nation damals gegen Latium am linken Ufer der Tiber: Fidenä war tuskisch 31), und von Tusculum macht es der Nahme höchst wahrscheinlich. Gabiis reine Latinität ist sehr zweifelhaft 32).
Aber die Sabiner waren um die Zeit, welche als die der Gründung Roms angegeben wird, wie noch lange nachher, in vordrängender Bewegung den Strohm hinab: es ist schon bemerkt daß mitten im späteren Latium sabini- sche Orte genannt werden 33). Eine solche sabinische Niederlassung, hart an dem etruskischen Rom, auf dem capitolinischen und quirinalischen Berge, war, scheint es, die Stadt des Tatius. So war Rom eine Doppel- stadt wie das griechische und hispanische Emporiä, wie Altstadt und Neustadt Danzig, und die drey unabhängigen Städte Königsbergs, welche, Mauer an Mauer stoßend, sich bekriegten. Aber vor Tulius schon war aus dem zwie- fachen Staat eine einzige Republik geworden. Von diesen
31) Livius I. c. 15.
32) Ich habe an einer früheren Stelle, S. 53., die Vermu- thung daß die etruskische Colonie in Campanien sich dort über die See her niedergelassen habe, durch die Meinung daß Rom ursprünglich eine latinische Stadt gewesen wäre, begründen wollen. Ohne jener Ansicht zu entsagen muß ich dieses Ar- gument allerdings zurücknehmen.
33) oben S. 61.
dienſt des Capitols zu beginnen iſt die ganze Religion etruskiſch. Der etruskiſche Lucumo welcher den Nahmen Tarquinius empfing, waͤre in einer ganz latiniſchen Stadt wohl nicht von den Patriciern aufgenommen wor- den. Auch wohnte dieſe Nation damals gegen Latium am linken Ufer der Tiber: Fidenaͤ war tuskiſch 31), und von Tusculum macht es der Nahme hoͤchſt wahrſcheinlich. Gabiis reine Latinitaͤt iſt ſehr zweifelhaft 32).
Aber die Sabiner waren um die Zeit, welche als die der Gruͤndung Roms angegeben wird, wie noch lange nachher, in vordraͤngender Bewegung den Strohm hinab: es iſt ſchon bemerkt daß mitten im ſpaͤteren Latium ſabini- ſche Orte genannt werden 33). Eine ſolche ſabiniſche Niederlaſſung, hart an dem etruskiſchen Rom, auf dem capitoliniſchen und quirinaliſchen Berge, war, ſcheint es, die Stadt des Tatius. So war Rom eine Doppel- ſtadt wie das griechiſche und hiſpaniſche Emporiaͤ, wie Altſtadt und Neuſtadt Danzig, und die drey unabhaͤngigen Staͤdte Koͤnigsbergs, welche, Mauer an Mauer ſtoßend, ſich bekriegten. Aber vor Tulius ſchon war aus dem zwie- fachen Staat eine einzige Republik geworden. Von dieſen
31) Livius I. c. 15.
32) Ich habe an einer fruͤheren Stelle, S. 53., die Vermu- thung daß die etruskiſche Colonie in Campanien ſich dort uͤber die See her niedergelaſſen habe, durch die Meinung daß Rom urſpruͤnglich eine latiniſche Stadt geweſen waͤre, begruͤnden wollen. Ohne jener Anſicht zu entſagen muß ich dieſes Ar- gument allerdings zuruͤcknehmen.
33) oben S. 61.
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dienſt des Capitols zu beginnen iſt die ganze Religion
etruskiſch. Der etruskiſche Lucumo welcher den Nahmen
Tarquinius empfing, waͤre in einer ganz latiniſchen
Stadt wohl nicht von den Patriciern aufgenommen wor-
den. Auch wohnte dieſe Nation damals gegen Latium
am linken Ufer der Tiber: Fidenaͤ war tuskiſch 31), und
von Tusculum macht es der Nahme hoͤchſt wahrſcheinlich.
Gabiis reine Latinitaͤt iſt ſehr zweifelhaft 32).
Aber die Sabiner waren um die Zeit, welche als die
der Gruͤndung Roms angegeben wird, wie noch lange
nachher, in vordraͤngender Bewegung den Strohm hinab:
es iſt ſchon bemerkt daß mitten im ſpaͤteren Latium ſabini-
ſche Orte genannt werden 33). Eine ſolche ſabiniſche
Niederlaſſung, hart an dem etruskiſchen Rom, auf dem
capitoliniſchen und quirinaliſchen Berge, war, ſcheint
es, die Stadt des Tatius. So war Rom eine Doppel-
ſtadt wie das griechiſche und hiſpaniſche Emporiaͤ, wie
Altſtadt und Neuſtadt Danzig, und die drey unabhaͤngigen
Staͤdte Koͤnigsbergs, welche, Mauer an Mauer ſtoßend,
ſich bekriegten. Aber vor Tulius ſchon war aus dem zwie-
fachen Staat eine einzige Republik geworden. Von dieſen
31) Livius I. c. 15.
32) Ich habe an einer fruͤheren Stelle, S. 53., die Vermu-
thung daß die etruskiſche Colonie in Campanien ſich dort uͤber
die See her niedergelaſſen habe, durch die Meinung daß Rom
urſpruͤnglich eine latiniſche Stadt geweſen waͤre, begruͤnden
wollen. Ohne jener Anſicht zu entſagen muß ich dieſes Ar-
gument allerdings zuruͤcknehmen.
33) oben S. 61.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/204>, abgerufen am 16.02.2025.
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