beyde Heere ermüdender und unentscheidender Schlachten. Als die Römer einst flohen gelobte Romulus, nicht vergeb- lich, dem fluchthemmenden Jupiter einen Tempel. Die Römer waren am härtesten gedrängt, und sie allein hat- ten keine Wahl. Das Glück welches Rom schon schützte rettete es, und mehrte seine Kraft durch die Ursache die- ser äußersteu Gefahr: versöhnt mit ihren Räubern wünsch- ten die Sabinerinnen schon nicht mehr eine allzuspäte Rache, sondern Aussöhnung der Väter ihrer Kinder mit den ihrigen. Sie trennten die streitenden Heere, und stifteten Frieden.
Die Sabiner gründeten eine neue Stadt auf dem eroberten Capitolinischen und auf dem Quirinalischen Berge, und vereinigten sich mit den früheren Römern un- ter dem Nationalnahmen Quiriten zu einem Volk, wel- ches der Römische und Sabinische König gemeinschaft- lich beherrschten. In der alten Dichtung ist Tatius un- verkennbar König aller Sabiner, und die Gemeinherrschaft nicht auf die Bürger der Doppelstadt beschränkt: auch dies und die Rückkehr der größeren Menge des Heers, nachdem die Sabinische Colonie gegründet war, ist späte Umbildung, wobey vergessen wird daß Tatius, der bisher als ein mächtiger König eines großen Volks erschien, zu Rom bleibt: denn dies konnte man von der Sage nicht wegnehmen. Einige Zeit nachher ward er von Laurentinern, denen er Blutrache an einigen seiner An-
ner am Arm trugen: damit hätte sie nicht die goldnen Arm- ketten gemeint, sondern Schild und Speer, um die Betroge- nen ihren Mitbürgern wehrlos zu überliefern.
beyde Heere ermuͤdender und unentſcheidender Schlachten. Als die Roͤmer einſt flohen gelobte Romulus, nicht vergeb- lich, dem fluchthemmenden Jupiter einen Tempel. Die Roͤmer waren am haͤrteſten gedraͤngt, und ſie allein hat- ten keine Wahl. Das Gluͤck welches Rom ſchon ſchuͤtzte rettete es, und mehrte ſeine Kraft durch die Urſache die- ſer aͤußerſteu Gefahr: verſoͤhnt mit ihren Raͤubern wuͤnſch- ten die Sabinerinnen ſchon nicht mehr eine allzuſpaͤte Rache, ſondern Ausſoͤhnung der Vaͤter ihrer Kinder mit den ihrigen. Sie trennten die ſtreitenden Heere, und ſtifteten Frieden.
Die Sabiner gruͤndeten eine neue Stadt auf dem eroberten Capitoliniſchen und auf dem Quirinaliſchen Berge, und vereinigten ſich mit den fruͤheren Roͤmern un- ter dem Nationalnahmen Quiriten zu einem Volk, wel- ches der Roͤmiſche und Sabiniſche Koͤnig gemeinſchaft- lich beherrſchten. In der alten Dichtung iſt Tatius un- verkennbar Koͤnig aller Sabiner, und die Gemeinherrſchaft nicht auf die Buͤrger der Doppelſtadt beſchraͤnkt: auch dies und die Ruͤckkehr der groͤßeren Menge des Heers, nachdem die Sabiniſche Colonie gegruͤndet war, iſt ſpaͤte Umbildung, wobey vergeſſen wird daß Tatius, der bisher als ein maͤchtiger Koͤnig eines großen Volks erſchien, zu Rom bleibt: denn dies konnte man von der Sage nicht wegnehmen. Einige Zeit nachher ward er von Laurentinern, denen er Blutrache an einigen ſeiner An-
ner am Arm trugen: damit haͤtte ſie nicht die goldnen Arm- ketten gemeint, ſondern Schild und Speer, um die Betroge- nen ihren Mitbuͤrgern wehrlos zu uͤberliefern.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="162"/>
beyde Heere ermuͤdender und unentſcheidender Schlachten.<lb/>
Als die Roͤmer einſt flohen gelobte Romulus, nicht vergeb-<lb/>
lich, dem fluchthemmenden Jupiter einen Tempel. Die<lb/>
Roͤmer waren am haͤrteſten gedraͤngt, und ſie allein hat-<lb/>
ten keine Wahl. Das Gluͤck welches Rom ſchon ſchuͤtzte<lb/>
rettete es, und mehrte ſeine Kraft durch die Urſache die-<lb/>ſer aͤußerſteu Gefahr: verſoͤhnt mit ihren Raͤubern wuͤnſch-<lb/>
ten die Sabinerinnen ſchon nicht mehr eine allzuſpaͤte<lb/>
Rache, ſondern Ausſoͤhnung der Vaͤter ihrer Kinder<lb/>
mit den ihrigen. Sie trennten die ſtreitenden Heere, und<lb/>ſtifteten Frieden.</p><lb/><p>Die Sabiner gruͤndeten eine neue Stadt auf dem<lb/>
eroberten Capitoliniſchen und auf dem Quirinaliſchen<lb/>
Berge, und vereinigten ſich mit den fruͤheren Roͤmern un-<lb/>
ter dem Nationalnahmen Quiriten zu einem Volk, wel-<lb/>
ches der Roͤmiſche und Sabiniſche Koͤnig gemeinſchaft-<lb/>
lich beherrſchten. In der alten Dichtung iſt Tatius un-<lb/>
verkennbar Koͤnig aller Sabiner, und die Gemeinherrſchaft<lb/>
nicht auf die Buͤrger der Doppelſtadt beſchraͤnkt: auch<lb/>
dies und die Ruͤckkehr der groͤßeren Menge des Heers,<lb/>
nachdem die Sabiniſche Colonie gegruͤndet war, iſt ſpaͤte<lb/>
Umbildung, wobey vergeſſen wird daß Tatius, der bisher<lb/>
als ein maͤchtiger Koͤnig eines großen Volks erſchien,<lb/>
zu Rom bleibt: denn dies konnte man von der Sage<lb/>
nicht wegnehmen. Einige Zeit nachher ward er von<lb/>
Laurentinern, denen er Blutrache an einigen ſeiner An-<lb/><notexml:id="note-0184"prev="#note-0183"place="foot"n="4)">ner am Arm trugen: damit haͤtte ſie nicht die goldnen Arm-<lb/>
ketten gemeint, ſondern Schild und Speer, um die Betroge-<lb/>
nen ihren Mitbuͤrgern wehrlos zu uͤberliefern.</note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[162/0184]
beyde Heere ermuͤdender und unentſcheidender Schlachten.
Als die Roͤmer einſt flohen gelobte Romulus, nicht vergeb-
lich, dem fluchthemmenden Jupiter einen Tempel. Die
Roͤmer waren am haͤrteſten gedraͤngt, und ſie allein hat-
ten keine Wahl. Das Gluͤck welches Rom ſchon ſchuͤtzte
rettete es, und mehrte ſeine Kraft durch die Urſache die-
ſer aͤußerſteu Gefahr: verſoͤhnt mit ihren Raͤubern wuͤnſch-
ten die Sabinerinnen ſchon nicht mehr eine allzuſpaͤte
Rache, ſondern Ausſoͤhnung der Vaͤter ihrer Kinder
mit den ihrigen. Sie trennten die ſtreitenden Heere, und
ſtifteten Frieden.
Die Sabiner gruͤndeten eine neue Stadt auf dem
eroberten Capitoliniſchen und auf dem Quirinaliſchen
Berge, und vereinigten ſich mit den fruͤheren Roͤmern un-
ter dem Nationalnahmen Quiriten zu einem Volk, wel-
ches der Roͤmiſche und Sabiniſche Koͤnig gemeinſchaft-
lich beherrſchten. In der alten Dichtung iſt Tatius un-
verkennbar Koͤnig aller Sabiner, und die Gemeinherrſchaft
nicht auf die Buͤrger der Doppelſtadt beſchraͤnkt: auch
dies und die Ruͤckkehr der groͤßeren Menge des Heers,
nachdem die Sabiniſche Colonie gegruͤndet war, iſt ſpaͤte
Umbildung, wobey vergeſſen wird daß Tatius, der bisher
als ein maͤchtiger Koͤnig eines großen Volks erſchien,
zu Rom bleibt: denn dies konnte man von der Sage
nicht wegnehmen. Einige Zeit nachher ward er von
Laurentinern, denen er Blutrache an einigen ſeiner An-
4)
4) ner am Arm trugen: damit haͤtte ſie nicht die goldnen Arm-
ketten gemeint, ſondern Schild und Speer, um die Betroge-
nen ihren Mitbuͤrgern wehrlos zu uͤberliefern.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/184>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.