kann darin, obgleich Dionysius den Annalisten nicht nennt dem er nachschrieb, die leichtfertige Erdichtung des Vale- rius Antias 97) nicht verkennen. Jene Zahl giebt er zu 3000 Fußknechten und 300 Reutern an: diese zu 20000 Fußknechten und 800 Reutern; bey seinem Tode aber nicht weniger als 46000 und 1000 98). Die alte römische Sage hatte äußerst bescheidene Zahlen, nämlich für die Zeit als die verschiedenen Nationen ein Volk unter Romu- lus gebildet hatten, also für seinen Tod, eine Legion von 3000 Mann Fußvolk und 30 Reutern 99), und auch die- ses war keine Anmaaßung historische Zahlen zu geben, son- dern nur eine Bezeichnung eines alten Verhältnisses: daß jede Curie hundert Mann für die Legion Bewaffnete, und einen Reuter stellte. Den ursprünglichen Anfang der Stadt schilderte die alte Sage zuverlässig so gering daß der Mädchenraub keineswegs ein so zweckloser Frevel schien als in der angeblichen historischen Erzählung.
Romulus vermehrte die Zahl seiner Bürger durch die Aufnahme eines jeden Vaterlandslosen der eine dargebo- tene Heimath gern annahm, aus den in den Republiken des Alterthums so zahlreichen Verbannten, und wegen Todtschlags Landflüchtigen, die nur als Beysassen in der Fremde Duldung finden konnten: sogar entronnener Skla- ven und Missethäter. Eine solche Bürgerschaft mußte den benachbarten Völkern für die engsten und heiligsten Ver-
97) Livius III. c. 5. XXVI. c. 49. und XXXIII. c. 10. Si Vale- rio quis credat, omnium rerum immodice numerum augenti.
98) Dionysius II. c. 2. 37. 16.
99) Barro de ling. lat. IV. c. 16.
kann darin, obgleich Dionyſius den Annaliſten nicht nennt dem er nachſchrieb, die leichtfertige Erdichtung des Vale- rius Antias 97) nicht verkennen. Jene Zahl giebt er zu 3000 Fußknechten und 300 Reutern an: dieſe zu 20000 Fußknechten und 800 Reutern; bey ſeinem Tode aber nicht weniger als 46000 und 1000 98). Die alte roͤmiſche Sage hatte aͤußerſt beſcheidene Zahlen, naͤmlich fuͤr die Zeit als die verſchiedenen Nationen ein Volk unter Romu- lus gebildet hatten, alſo fuͤr ſeinen Tod, eine Legion von 3000 Mann Fußvolk und 30 Reutern 99), und auch die- ſes war keine Anmaaßung hiſtoriſche Zahlen zu geben, ſon- dern nur eine Bezeichnung eines alten Verhaͤltniſſes: daß jede Curie hundert Mann fuͤr die Legion Bewaffnete, und einen Reuter ſtellte. Den urſpruͤnglichen Anfang der Stadt ſchilderte die alte Sage zuverlaͤſſig ſo gering daß der Maͤdchenraub keineswegs ein ſo zweckloſer Frevel ſchien als in der angeblichen hiſtoriſchen Erzaͤhlung.
Romulus vermehrte die Zahl ſeiner Buͤrger durch die Aufnahme eines jeden Vaterlandsloſen der eine dargebo- tene Heimath gern annahm, aus den in den Republiken des Alterthums ſo zahlreichen Verbannten, und wegen Todtſchlags Landfluͤchtigen, die nur als Beyſaſſen in der Fremde Duldung finden konnten: ſogar entronnener Skla- ven und Miſſethaͤter. Eine ſolche Buͤrgerſchaft mußte den benachbarten Voͤlkern fuͤr die engſten und heiligſten Ver-
97) Livius III. c. 5. XXVI. c. 49. und XXXIII. c. 10. Si Vale- rio quis credat, omnium rerum immodice numerum augenti.
98) Dionyſius II. c. 2. 37. 16.
99) Barro de ling. lat. IV. c. 16.
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kann darin, obgleich Dionyſius den Annaliſten nicht nennt
dem er nachſchrieb, die leichtfertige Erdichtung des Vale-
rius Antias 97) nicht verkennen. Jene Zahl giebt er zu
3000 Fußknechten und 300 Reutern an: dieſe zu 20000
Fußknechten und 800 Reutern; bey ſeinem Tode aber nicht
weniger als 46000 und 1000 98). Die alte roͤmiſche
Sage hatte aͤußerſt beſcheidene Zahlen, naͤmlich fuͤr die
Zeit als die verſchiedenen Nationen ein Volk unter Romu-
lus gebildet hatten, alſo fuͤr ſeinen Tod, eine Legion von
3000 Mann Fußvolk und 30 Reutern 99), und auch die-
ſes war keine Anmaaßung hiſtoriſche Zahlen zu geben, ſon-
dern nur eine Bezeichnung eines alten Verhaͤltniſſes: daß
jede Curie hundert Mann fuͤr die Legion Bewaffnete, und
einen Reuter ſtellte. Den urſpruͤnglichen Anfang der
Stadt ſchilderte die alte Sage zuverlaͤſſig ſo gering daß
der Maͤdchenraub keineswegs ein ſo zweckloſer Frevel
ſchien als in der angeblichen hiſtoriſchen Erzaͤhlung.
Romulus vermehrte die Zahl ſeiner Buͤrger durch die
Aufnahme eines jeden Vaterlandsloſen der eine dargebo-
tene Heimath gern annahm, aus den in den Republiken
des Alterthums ſo zahlreichen Verbannten, und wegen
Todtſchlags Landfluͤchtigen, die nur als Beyſaſſen in der
Fremde Duldung finden konnten: ſogar entronnener Skla-
ven und Miſſethaͤter. Eine ſolche Buͤrgerſchaft mußte den
benachbarten Voͤlkern fuͤr die engſten und heiligſten Ver-
97) Livius III. c. 5. XXVI. c. 49. und XXXIII. c. 10. Si Vale-
rio quis credat, omnium rerum immodice numerum augenti.
98) Dionyſius II. c. 2. 37. 16.
99) Barro de ling. lat. IV. c. 16.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/180>, abgerufen am 22.11.2024.
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