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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Vettius 94). Die Weissagung ward nie vergessen, und
erfüllte im zwölften Jahrhundert der Stadt, welches zwi-
schen dem vierten und fünften unsrer Zeitrechnung getheilt
ist, alle Anhänger der alten Religion mit Furcht, da alles
sich sichtbar zum Untergang neigte, und ihr Glaube unter-
drückt ward. Nach der Varronischen Zeitrechnung endigte
das zwölfte Säculum, wenn man jedes, wie es die spä-
teren Römer gewohnt waren, einem Jahrhundert gleich
annahm, mit dem Jahr 446: aber wenn auch die Calami-
tät, welche mit dem fünften Jahrhundert unsrer Zeitrech-
nung einbrach, diese Deutung den damals lebenden wahr-
scheinlich machte, so würde doch ein tuskischer Aruspex sie
verworfen haben. Als Mittelzahl der menschlichen Lebens-
säkeln von ungewisser Größe und als astronomische cycli-
sche Periode waren eigentlich hundert und zehn Jahr das
Maaß eines Säculums 95). Dies nun bringt die Summe
der Jahre von zwölf Säkeln auf 1320, und Roms Lebens-
ende auf einen Zeitpunkt wo es sich mit strenger Wahr-
heit sagen läßt, daß die romulische Stadt aufhörte zu
seyn. Nach Varros Zeitrechnung hätte das zwölfte Sä-
culum mit dem Jahr n. C. 566 geendigt: nach Cincius,
dem der Aruspex in diesem Fall, aus Gründen die weiter
unten hervorgehen werden, den Vorzug gegeben haben
würde, mit dem Jahr 591, dem ersten des Pontificats
Gregorius des Großen. Auf jeden Fall verläuft die Zeit

94) Varro, l. 18. Antiquitatum, bey Censorinus, c. 17. Nach
seinem Nahmen war er ein Marser.
95) Censorinus, c. 17.

Vettius 94). Die Weiſſagung ward nie vergeſſen, und
erfuͤllte im zwoͤlften Jahrhundert der Stadt, welches zwi-
ſchen dem vierten und fuͤnften unſrer Zeitrechnung getheilt
iſt, alle Anhaͤnger der alten Religion mit Furcht, da alles
ſich ſichtbar zum Untergang neigte, und ihr Glaube unter-
druͤckt ward. Nach der Varroniſchen Zeitrechnung endigte
das zwoͤlfte Saͤculum, wenn man jedes, wie es die ſpaͤ-
teren Roͤmer gewohnt waren, einem Jahrhundert gleich
annahm, mit dem Jahr 446: aber wenn auch die Calami-
taͤt, welche mit dem fuͤnften Jahrhundert unſrer Zeitrech-
nung einbrach, dieſe Deutung den damals lebenden wahr-
ſcheinlich machte, ſo wuͤrde doch ein tuskiſcher Aruſpex ſie
verworfen haben. Als Mittelzahl der menſchlichen Lebens-
ſaͤkeln von ungewiſſer Groͤße und als aſtronomiſche cycli-
ſche Periode waren eigentlich hundert und zehn Jahr das
Maaß eines Saͤculums 95). Dies nun bringt die Summe
der Jahre von zwoͤlf Saͤkeln auf 1320, und Roms Lebens-
ende auf einen Zeitpunkt wo es ſich mit ſtrenger Wahr-
heit ſagen laͤßt, daß die romuliſche Stadt aufhoͤrte zu
ſeyn. Nach Varros Zeitrechnung haͤtte das zwoͤlfte Saͤ-
culum mit dem Jahr n. C. 566 geendigt: nach Cincius,
dem der Aruſpex in dieſem Fall, aus Gruͤnden die weiter
unten hervorgehen werden, den Vorzug gegeben haben
wuͤrde, mit dem Jahr 591, dem erſten des Pontificats
Gregorius des Großen. Auf jeden Fall verlaͤuft die Zeit

94) Varro, l. 18. Antiquitatum, bey Cenſorinus, c. 17. Nach
ſeinem Nahmen war er ein Marſer.
95) Cenſorinus, c. 17.
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[155/0177] Vettius 94). Die Weiſſagung ward nie vergeſſen, und erfuͤllte im zwoͤlften Jahrhundert der Stadt, welches zwi- ſchen dem vierten und fuͤnften unſrer Zeitrechnung getheilt iſt, alle Anhaͤnger der alten Religion mit Furcht, da alles ſich ſichtbar zum Untergang neigte, und ihr Glaube unter- druͤckt ward. Nach der Varroniſchen Zeitrechnung endigte das zwoͤlfte Saͤculum, wenn man jedes, wie es die ſpaͤ- teren Roͤmer gewohnt waren, einem Jahrhundert gleich annahm, mit dem Jahr 446: aber wenn auch die Calami- taͤt, welche mit dem fuͤnften Jahrhundert unſrer Zeitrech- nung einbrach, dieſe Deutung den damals lebenden wahr- ſcheinlich machte, ſo wuͤrde doch ein tuskiſcher Aruſpex ſie verworfen haben. Als Mittelzahl der menſchlichen Lebens- ſaͤkeln von ungewiſſer Groͤße und als aſtronomiſche cycli- ſche Periode waren eigentlich hundert und zehn Jahr das Maaß eines Saͤculums 95). Dies nun bringt die Summe der Jahre von zwoͤlf Saͤkeln auf 1320, und Roms Lebens- ende auf einen Zeitpunkt wo es ſich mit ſtrenger Wahr- heit ſagen laͤßt, daß die romuliſche Stadt aufhoͤrte zu ſeyn. Nach Varros Zeitrechnung haͤtte das zwoͤlfte Saͤ- culum mit dem Jahr n. C. 566 geendigt: nach Cincius, dem der Aruſpex in dieſem Fall, aus Gruͤnden die weiter unten hervorgehen werden, den Vorzug gegeben haben wuͤrde, mit dem Jahr 591, dem erſten des Pontificats Gregorius des Großen. Auf jeden Fall verlaͤuft die Zeit 94) Varro, l. 18. Antiquitatum, bey Cenſorinus, c. 17. Nach ſeinem Nahmen war er ein Marſer. 95) Cenſorinus, c. 17.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/177>, abgerufen am 17.05.2024.