Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

schen, nach dem trojanischen Kriege von den zerstreut
Verschlagenen gestifteten, Colonieen wären, welche nach-
her die Verbindung mit dem Vaterlande verlohren haben,
und der griechischen Nation fremd geworden seyn sollen;
dergleichen aus dem südlichen Italien Metapontum, Pete-
lia und Arpi erwähnt werden. Circeji, einstimmig von
den Griechen für die Insel der Circe gehalten, und so
selbst den Schiffern merkwürdig, welche Elpenors Grab
an einem Ort, bewachsen mit Myrthen einer kleinern Art
(das übrige Latium habe nur hochstämmige hervorge-
bracht), erkannten 63), führte das Andenken an Odysseus
in diese Gegenden. Hesiodus nennt Latinus und seinen
Bruder Agrius, Söhne des Odysseus und jener Göttin,
Beherrscher der berühmten Tyrrhener 64). Er nun kennt
Telegonus nicht, den andre Fabeln statt jener Brüder
nannten; Fabeln älter als Sophokles, und von der späte-
ren römischen Poesie, und den Tuskulanern angenommen.
Aber jene Meinung erscheint auch ohne Odysseus zu erwäh-
nen. Aristoteles erzählte 65): von Troja zurückkehrende
Achäer wären durch Stürme an die Küste von Latium,
einer Landschaft in Opika, verschlagen worden: da sie
nun gelandet um zu übert intern, hätten die gefangenen
troischen Frauen ihre Schiffe angezündet: dies habe sie
gezwungen sich dort niederzulassen.

Also ist die Sage von der Auswandrung der Troer
nach Hesperien keine alte festgegründete, in allgemein ge-

63) Theophrast Hist. Plant. V. c. 9. Skylar, p. 2.
64) Theogon. v. 1011 -- 15.
65) Bey Dionysius I. c. 72.

ſchen, nach dem trojaniſchen Kriege von den zerſtreut
Verſchlagenen geſtifteten, Colonieen waͤren, welche nach-
her die Verbindung mit dem Vaterlande verlohren haben,
und der griechiſchen Nation fremd geworden ſeyn ſollen;
dergleichen aus dem ſuͤdlichen Italien Metapontum, Pete-
lia und Arpi erwaͤhnt werden. Circeji, einſtimmig von
den Griechen fuͤr die Inſel der Circe gehalten, und ſo
ſelbſt den Schiffern merkwuͤrdig, welche Elpenors Grab
an einem Ort, bewachſen mit Myrthen einer kleinern Art
(das uͤbrige Latium habe nur hochſtaͤmmige hervorge-
bracht), erkannten 63), fuͤhrte das Andenken an Odyſſeus
in dieſe Gegenden. Heſiodus nennt Latinus und ſeinen
Bruder Agrius, Soͤhne des Odyſſeus und jener Goͤttin,
Beherrſcher der beruͤhmten Tyrrhener 64). Er nun kennt
Telegonus nicht, den andre Fabeln ſtatt jener Bruͤder
nannten; Fabeln aͤlter als Sophokles, und von der ſpaͤte-
ren roͤmiſchen Poeſie, und den Tuskulanern angenommen.
Aber jene Meinung erſcheint auch ohne Odyſſeus zu erwaͤh-
nen. Ariſtoteles erzaͤhlte 65): von Troja zuruͤckkehrende
Achaͤer waͤren durch Stuͤrme an die Kuͤſte von Latium,
einer Landſchaft in Opika, verſchlagen worden: da ſie
nun gelandet um zu uͤbert intern, haͤtten die gefangenen
troiſchen Frauen ihre Schiffe angezuͤndet: dies habe ſie
gezwungen ſich dort niederzulaſſen.

Alſo iſt die Sage von der Auswandrung der Troer
nach Heſperien keine alte feſtgegruͤndete, in allgemein ge-

63) Theophraſt Hist. Plant. V. c. 9. Skylar, p. 2.
64) Theogon. v. 1011 — 15.
65) Bey Dionyſius I. c. 72.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0154" n="132"/>
&#x017F;chen, nach dem trojani&#x017F;chen Kriege von den zer&#x017F;treut<lb/>
Ver&#x017F;chlagenen ge&#x017F;tifteten, Colonieen wa&#x0364;ren, welche nach-<lb/>
her die Verbindung mit dem Vaterlande verlohren haben,<lb/>
und der griechi&#x017F;chen Nation fremd geworden &#x017F;eyn &#x017F;ollen;<lb/>
dergleichen aus dem &#x017F;u&#x0364;dlichen Italien Metapontum, Pete-<lb/>
lia und Arpi erwa&#x0364;hnt werden. Circeji, ein&#x017F;timmig von<lb/>
den Griechen fu&#x0364;r die In&#x017F;el der Circe gehalten, und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t den Schiffern merkwu&#x0364;rdig, welche Elpenors Grab<lb/>
an einem Ort, bewach&#x017F;en mit Myrthen einer kleinern Art<lb/>
(das u&#x0364;brige Latium habe nur hoch&#x017F;ta&#x0364;mmige hervorge-<lb/>
bracht), erkannten <note place="foot" n="63)">Theophra&#x017F;t <hi rendition="#aq">Hist. Plant. V. c.</hi> 9. Skylar, <hi rendition="#aq">p.</hi> 2.</note>, fu&#x0364;hrte das Andenken an Ody&#x017F;&#x017F;eus<lb/>
in die&#x017F;e Gegenden. He&#x017F;iodus nennt Latinus und &#x017F;einen<lb/>
Bruder Agrius, So&#x0364;hne des Ody&#x017F;&#x017F;eus und jener Go&#x0364;ttin,<lb/>
Beherr&#x017F;cher der beru&#x0364;hmten Tyrrhener <note place="foot" n="64)"><hi rendition="#aq">Theogon. v.</hi> 1011 &#x2014; 15.</note>. Er nun kennt<lb/>
Telegonus nicht, den andre Fabeln &#x017F;tatt jener Bru&#x0364;der<lb/>
nannten; Fabeln a&#x0364;lter als Sophokles, und von der &#x017F;pa&#x0364;te-<lb/>
ren ro&#x0364;mi&#x017F;chen Poe&#x017F;ie, und den Tuskulanern angenommen.<lb/>
Aber jene Meinung er&#x017F;cheint auch ohne Ody&#x017F;&#x017F;eus zu erwa&#x0364;h-<lb/>
nen. Ari&#x017F;toteles erza&#x0364;hlte <note place="foot" n="65)">Bey Diony&#x017F;ius <hi rendition="#aq">I. c.</hi> 72.</note>: von Troja zuru&#x0364;ckkehrende<lb/>
Acha&#x0364;er wa&#x0364;ren durch Stu&#x0364;rme an die Ku&#x0364;&#x017F;te von Latium,<lb/>
einer Land&#x017F;chaft in Opika, ver&#x017F;chlagen worden: da &#x017F;ie<lb/>
nun gelandet um zu u&#x0364;bert intern, ha&#x0364;tten die gefangenen<lb/>
troi&#x017F;chen Frauen ihre Schiffe angezu&#x0364;ndet: dies habe &#x017F;ie<lb/>
gezwungen &#x017F;ich dort niederzula&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o i&#x017F;t die Sage von der Auswandrung der Troer<lb/>
nach He&#x017F;perien keine alte fe&#x017F;tgegru&#x0364;ndete, in allgemein ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0154] ſchen, nach dem trojaniſchen Kriege von den zerſtreut Verſchlagenen geſtifteten, Colonieen waͤren, welche nach- her die Verbindung mit dem Vaterlande verlohren haben, und der griechiſchen Nation fremd geworden ſeyn ſollen; dergleichen aus dem ſuͤdlichen Italien Metapontum, Pete- lia und Arpi erwaͤhnt werden. Circeji, einſtimmig von den Griechen fuͤr die Inſel der Circe gehalten, und ſo ſelbſt den Schiffern merkwuͤrdig, welche Elpenors Grab an einem Ort, bewachſen mit Myrthen einer kleinern Art (das uͤbrige Latium habe nur hochſtaͤmmige hervorge- bracht), erkannten 63), fuͤhrte das Andenken an Odyſſeus in dieſe Gegenden. Heſiodus nennt Latinus und ſeinen Bruder Agrius, Soͤhne des Odyſſeus und jener Goͤttin, Beherrſcher der beruͤhmten Tyrrhener 64). Er nun kennt Telegonus nicht, den andre Fabeln ſtatt jener Bruͤder nannten; Fabeln aͤlter als Sophokles, und von der ſpaͤte- ren roͤmiſchen Poeſie, und den Tuskulanern angenommen. Aber jene Meinung erſcheint auch ohne Odyſſeus zu erwaͤh- nen. Ariſtoteles erzaͤhlte 65): von Troja zuruͤckkehrende Achaͤer waͤren durch Stuͤrme an die Kuͤſte von Latium, einer Landſchaft in Opika, verſchlagen worden: da ſie nun gelandet um zu uͤbert intern, haͤtten die gefangenen troiſchen Frauen ihre Schiffe angezuͤndet: dies habe ſie gezwungen ſich dort niederzulaſſen. Alſo iſt die Sage von der Auswandrung der Troer nach Heſperien keine alte feſtgegruͤndete, in allgemein ge- 63) Theophraſt Hist. Plant. V. c. 9. Skylar, p. 2. 64) Theogon. v. 1011 — 15. 65) Bey Dionyſius I. c. 72.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/154
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/154>, abgerufen am 17.05.2024.