Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

schlechten Bürgen, dessen Leichtsinn so arg war wie seine
Lust schmähliche Dinge zu berichten. Höchstens kann man
die Möglichkeit einräumen, daß einige vornehme Etrusker,
wegen Reichthum und Straflosigkeit, sich jener gräuel-
haften Ueppigkeit überlassen haben mögen, die zu Rom
unter den Kaisern Ton ward. Ueberhaupt können die Ge-
sellschaften welche Theopompus schilderte: Orgienverbin-
dungen wie auf den Gesellschaftsinseln: nur in dem herr-
schenden Stande, nie unter dem Volk bestehen: höchst un-
wahrscheinlich aber sind sie, ungeachtet der Aristocratie
Etruriens, in diesem Lande schon wegen des von andern
bemerkten Umstands, daß etruskische Kunstwerke nie freche
Darstellungen enthalten.

Der Fall Etruriens begann um das Ende des dritten
Jahrhunderts der Stadt. Im folgenden verlohr die Na-
tion ihre campanischen Colonieen: das ganze Land jenseits
des Apenninus, und Veji; das fünfte vollendete ihre Un-
terjochung. Etruriens Fall war langsam, aber unrühm-
lich. Zuletzt hatten sogar die kleinen ligurischen Bergvöl-
ker Stärke genug ihre Gränzstädte zu erobern, und sich tief
in die Apenninen auszubreiten.

Die Umbrer.

Wortdeutender Witz der Griechen fand in dem Nah-
men dieses Volks, den sie Ombriker aussprachen, eine
Beziehung auf sein hohes Alter. Er sollte anzeigen, sie
wären schon vor den Regenfluthen vorhanden gewesen,
welche, auch nach der griechischen Weisen Glauben, frü-
here Menschengeschlechter in vielen Ländern vertilgt haben.

Ohne

ſchlechten Buͤrgen, deſſen Leichtſinn ſo arg war wie ſeine
Luſt ſchmaͤhliche Dinge zu berichten. Hoͤchſtens kann man
die Moͤglichkeit einraͤumen, daß einige vornehme Etrusker,
wegen Reichthum und Strafloſigkeit, ſich jener graͤuel-
haften Ueppigkeit uͤberlaſſen haben moͤgen, die zu Rom
unter den Kaiſern Ton ward. Ueberhaupt koͤnnen die Ge-
ſellſchaften welche Theopompus ſchilderte: Orgienverbin-
dungen wie auf den Geſellſchaftsinſeln: nur in dem herr-
ſchenden Stande, nie unter dem Volk beſtehen: hoͤchſt un-
wahrſcheinlich aber ſind ſie, ungeachtet der Ariſtocratie
Etruriens, in dieſem Lande ſchon wegen des von andern
bemerkten Umſtands, daß etruskiſche Kunſtwerke nie freche
Darſtellungen enthalten.

Der Fall Etruriens begann um das Ende des dritten
Jahrhunderts der Stadt. Im folgenden verlohr die Na-
tion ihre campaniſchen Colonieen: das ganze Land jenſeits
des Apenninus, und Veji; das fuͤnfte vollendete ihre Un-
terjochung. Etruriens Fall war langſam, aber unruͤhm-
lich. Zuletzt hatten ſogar die kleinen liguriſchen Bergvoͤl-
ker Staͤrke genug ihre Graͤnzſtaͤdte zu erobern, und ſich tief
in die Apenninen auszubreiten.

Die Umbrer.

Wortdeutender Witz der Griechen fand in dem Nah-
men dieſes Volks, den ſie Ombriker ausſprachen, eine
Beziehung auf ſein hohes Alter. Er ſollte anzeigen, ſie
waͤren ſchon vor den Regenfluthen vorhanden geweſen,
welche, auch nach der griechiſchen Weiſen Glauben, fruͤ-
here Menſchengeſchlechter in vielen Laͤndern vertilgt haben.

Ohne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="96"/>
&#x017F;chlechten Bu&#x0364;rgen, de&#x017F;&#x017F;en Leicht&#x017F;inn &#x017F;o arg war wie &#x017F;eine<lb/>
Lu&#x017F;t &#x017F;chma&#x0364;hliche Dinge zu berichten. Ho&#x0364;ch&#x017F;tens kann man<lb/>
die Mo&#x0364;glichkeit einra&#x0364;umen, daß einige vornehme Etrusker,<lb/>
wegen Reichthum und Straflo&#x017F;igkeit, &#x017F;ich jener gra&#x0364;uel-<lb/>
haften Ueppigkeit u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en haben mo&#x0364;gen, die zu Rom<lb/>
unter den Kai&#x017F;ern Ton ward. Ueberhaupt ko&#x0364;nnen die Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaften welche Theopompus &#x017F;childerte: Orgienverbin-<lb/>
dungen wie auf den Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsin&#x017F;eln: nur in dem herr-<lb/>
&#x017F;chenden Stande, nie unter dem Volk be&#x017F;tehen: ho&#x0364;ch&#x017F;t un-<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich aber &#x017F;ind &#x017F;ie, ungeachtet der Ari&#x017F;tocratie<lb/>
Etruriens, in die&#x017F;em Lande &#x017F;chon wegen des von andern<lb/>
bemerkten Um&#x017F;tands, daß etruski&#x017F;che Kun&#x017F;twerke nie freche<lb/>
Dar&#x017F;tellungen enthalten.</p><lb/>
          <p>Der Fall Etruriens begann um das Ende des dritten<lb/>
Jahrhunderts der Stadt. Im folgenden verlohr die Na-<lb/>
tion ihre campani&#x017F;chen Colonieen: das ganze Land jen&#x017F;eits<lb/>
des Apenninus, und Veji; das fu&#x0364;nfte vollendete ihre Un-<lb/>
terjochung. Etruriens Fall war lang&#x017F;am, aber unru&#x0364;hm-<lb/>
lich. Zuletzt hatten &#x017F;ogar die kleinen liguri&#x017F;chen Bergvo&#x0364;l-<lb/>
ker Sta&#x0364;rke genug ihre Gra&#x0364;nz&#x017F;ta&#x0364;dte zu erobern, und &#x017F;ich tief<lb/>
in die Apenninen auszubreiten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Umbrer</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Wortdeutender Witz der Griechen fand in dem Nah-<lb/>
men die&#x017F;es Volks, den &#x017F;ie Ombriker aus&#x017F;prachen, eine<lb/>
Beziehung auf &#x017F;ein hohes Alter. Er &#x017F;ollte anzeigen, &#x017F;ie<lb/>
wa&#x0364;ren &#x017F;chon vor den Regenfluthen vorhanden gewe&#x017F;en,<lb/>
welche, auch nach der griechi&#x017F;chen Wei&#x017F;en Glauben, fru&#x0364;-<lb/>
here Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechter in vielen La&#x0364;ndern vertilgt haben.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ohne</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0118] ſchlechten Buͤrgen, deſſen Leichtſinn ſo arg war wie ſeine Luſt ſchmaͤhliche Dinge zu berichten. Hoͤchſtens kann man die Moͤglichkeit einraͤumen, daß einige vornehme Etrusker, wegen Reichthum und Strafloſigkeit, ſich jener graͤuel- haften Ueppigkeit uͤberlaſſen haben moͤgen, die zu Rom unter den Kaiſern Ton ward. Ueberhaupt koͤnnen die Ge- ſellſchaften welche Theopompus ſchilderte: Orgienverbin- dungen wie auf den Geſellſchaftsinſeln: nur in dem herr- ſchenden Stande, nie unter dem Volk beſtehen: hoͤchſt un- wahrſcheinlich aber ſind ſie, ungeachtet der Ariſtocratie Etruriens, in dieſem Lande ſchon wegen des von andern bemerkten Umſtands, daß etruskiſche Kunſtwerke nie freche Darſtellungen enthalten. Der Fall Etruriens begann um das Ende des dritten Jahrhunderts der Stadt. Im folgenden verlohr die Na- tion ihre campaniſchen Colonieen: das ganze Land jenſeits des Apenninus, und Veji; das fuͤnfte vollendete ihre Un- terjochung. Etruriens Fall war langſam, aber unruͤhm- lich. Zuletzt hatten ſogar die kleinen liguriſchen Bergvoͤl- ker Staͤrke genug ihre Graͤnzſtaͤdte zu erobern, und ſich tief in die Apenninen auszubreiten. Die Umbrer. Wortdeutender Witz der Griechen fand in dem Nah- men dieſes Volks, den ſie Ombriker ausſprachen, eine Beziehung auf ſein hohes Alter. Er ſollte anzeigen, ſie waͤren ſchon vor den Regenfluthen vorhanden geweſen, welche, auch nach der griechiſchen Weiſen Glauben, fruͤ- here Menſchengeſchlechter in vielen Laͤndern vertilgt haben. Ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/118
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/118>, abgerufen am 25.11.2024.