Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776."an eine unerklärliche Theopnevstie glaubt. Jch "hoffe aber, es sey niemand jetzt mehr so einfältig, sich "einzubilden, Gott habe die heiligen Bücher, ganz "unmittelbar, und übernatürlich, eingehaucht. Es "sind Bücher, welche zu schreiben, hat müssen Ver- "nunft angewendet werden, und zum Lesen und "Verstehen derselben, gehört auch Vernunft. ,Samuel Werenfels*), einer der gelehrtesten und "Hic liber est, in quo sua quaerit dogmata quisque; ,Daß dieß wahr sey, lehret die Kirchengeschichte aller "das *) S. Sam. Werenfelsii Opuseula theologica philosophica & phi-
lologica. Lausannae 1739 4to. Tom. II. p. 509. Der ehrliche Sebaldus hat diese Verse, nach seiner Art, folgendermaßen übersetzt: ,Von Gott gemacht ist dieses Buch, "Daß jeder seine Lehr' drinn' such' "Und so gemacht, daß jedermann, "Auch seine Lehr' drinn finden kann.' „an eine unerklaͤrliche Theopnevſtie glaubt. Jch „hoffe aber, es ſey niemand jetzt mehr ſo einfaͤltig, ſich „einzubilden, Gott habe die heiligen Buͤcher, ganz „unmittelbar, und uͤbernatuͤrlich, eingehaucht. Es „ſind Buͤcher, welche zu ſchreiben, hat muͤſſen Ver- „nunft angewendet werden, und zum Leſen und „Verſtehen derſelben, gehoͤrt auch Vernunft. ‚Samuel Werenfels*), einer der gelehrteſten und „Hic liber eſt, in quo ſua quaerit dogmata quisque; ‚Daß dieß wahr ſey, lehret die Kirchengeſchichte aller „das *) S. Sam. Werenfelſii Opuſeula theologica philoſophica & phi-
lologica. Lauſannae 1739 4to. Tom. II. p. 509. Der ehrliche Sebaldus hat dieſe Verſe, nach ſeiner Art, folgendermaßen überſetzt: ‚Von Gott gemacht iſt dieſes Buch, „Daß jeder ſeine Lehr’ drinn’ ſuch’ „Und ſo gemacht, daß jedermann, „Auch ſeine Lehr’ drinn finden kann.‛ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="60[59]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> „an eine <hi rendition="#fr">unerklaͤrliche Theopnevſtie</hi> glaubt. Jch<lb/> „hoffe aber, es ſey niemand jetzt mehr ſo einfaͤltig, ſich<lb/> „einzubilden, Gott habe die heiligen Buͤcher, ganz<lb/> „unmittelbar, und uͤbernatuͤrlich, <hi rendition="#fr">eingehaucht.</hi> Es<lb/> „ſind Buͤcher, welche zu <hi rendition="#fr">ſchreiben,</hi> hat muͤſſen <hi rendition="#fr">Ver-<lb/> „nunft</hi> angewendet werden, und zum <hi rendition="#fr">Leſen</hi> und<lb/> „<hi rendition="#fr">Verſtehen</hi> derſelben, gehoͤrt auch <hi rendition="#fr">Vernunft.</hi></p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>‚<hi rendition="#fr">Samuel Werenfels</hi><note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#aq">Sam. Werenfelſii Opuſeula theologica philoſophica & phi-<lb/> lologica. Lauſannae 1739 4to. Tom. II. p. 509.</hi> Der ehrliche<lb/><hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> hat dieſe Verſe, nach ſeiner Art, folgendermaßen<lb/> überſetzt:<lb/><lg type="poem"><l>‚Von Gott gemacht iſt dieſes Buch,</l><lb/><l>„Daß jeder ſeine Lehr’ drinn’ ſuch’</l><lb/><l>„Und ſo gemacht, daß jedermann,</l><lb/><l>„Auch ſeine Lehr’ drinn finden kann.‛</l></lg></note>, einer der gelehrteſten und<lb/> „rechtſchaffenſten Gottesgelehrten in der Schweiz,<lb/> „ſchrieb in ſeine Bibel:</p><lb/> <p> <hi rendition="#aq">„Hic liber eſt, in quo ſua quaerit dogmata quisque;<lb/> „Invenit & pariter dogmata quisque ſua.</hi> </p><lb/> <p>‚Daß dieß wahr ſey, lehret die Kirchengeſchichte aller<lb/> „Sekten. Der viel, und der wenig glaubet, der Recht-<lb/> „glaͤubige, wie der Schwaͤrmer, ſuchen und finden<lb/> „ihre Lehre in der Bibel. Was nun? Jch meine,<lb/> „was geſchehen iſt, ſey nicht ohne weiſe Abſichten der<lb/> „goͤttlichen Vorſehung geſchehen. Gott hat weder<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„das</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60[59]/0068]
„an eine unerklaͤrliche Theopnevſtie glaubt. Jch
„hoffe aber, es ſey niemand jetzt mehr ſo einfaͤltig, ſich
„einzubilden, Gott habe die heiligen Buͤcher, ganz
„unmittelbar, und uͤbernatuͤrlich, eingehaucht. Es
„ſind Buͤcher, welche zu ſchreiben, hat muͤſſen Ver-
„nunft angewendet werden, und zum Leſen und
„Verſtehen derſelben, gehoͤrt auch Vernunft.
‚Samuel Werenfels *), einer der gelehrteſten und
„rechtſchaffenſten Gottesgelehrten in der Schweiz,
„ſchrieb in ſeine Bibel:
„Hic liber eſt, in quo ſua quaerit dogmata quisque;
„Invenit & pariter dogmata quisque ſua.
‚Daß dieß wahr ſey, lehret die Kirchengeſchichte aller
„Sekten. Der viel, und der wenig glaubet, der Recht-
„glaͤubige, wie der Schwaͤrmer, ſuchen und finden
„ihre Lehre in der Bibel. Was nun? Jch meine,
„was geſchehen iſt, ſey nicht ohne weiſe Abſichten der
„goͤttlichen Vorſehung geſchehen. Gott hat weder
„das
*) S. Sam. Werenfelſii Opuſeula theologica philoſophica & phi-
lologica. Lauſannae 1739 4to. Tom. II. p. 509. Der ehrliche
Sebaldus hat dieſe Verſe, nach ſeiner Art, folgendermaßen
überſetzt:
‚Von Gott gemacht iſt dieſes Buch,
„Daß jeder ſeine Lehr’ drinn’ ſuch’
„Und ſo gemacht, daß jedermann,
„Auch ſeine Lehr’ drinn finden kann.‛
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Zitationshilfe: | Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 60[59]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/68>, abgerufen am 23.07.2024. |