Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.gefangene Erziehung ihrer Kinder, wieder liegen blei- ben sollte. So herrschte beym Mittagsmahle ein todtes Still- Als er weg war, sagte Frau Elsabe, zum Se- ,Weil eure Kinder Griechisch lernen sollten und ,Aber warum habt ihr ihnen so böse gottlose Leute Urtheilt selbst, versetzte Sebaldus, ob sie böse wer-
gefangene Erziehung ihrer Kinder, wieder liegen blei- ben ſollte. So herrſchte beym Mittagsmahle ein todtes Still- Als er weg war, ſagte Frau Elſabe, zum Se- ‚Weil eure Kinder Griechiſch lernen ſollten und ‚Aber warum habt ihr ihnen ſo boͤſe gottloſe Leute Urtheilt ſelbſt, verſetzte Sebaldus, ob ſie boͤſe wer-
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gefangene Erziehung ihrer Kinder, wieder liegen blei-
ben ſollte.
So herrſchte beym Mittagsmahle ein todtes Still-
ſchweigen, und einer ſahe den andern aͤngſtlich an,
bis Meeſter Puiſtma, der, nach ſo wohlvoll-
drachten Verrichtung, ſich Eſſen und Trinken ſehr
gut hatte ſchmecken laſſen, noch zeitiger als ſonſt,
zu ſeinem gewoͤhnlichen Mittagsſchlaͤſchen, vom
Tiſche wegſchlich.
Als er weg war, ſagte Frau Elſabe, zum Se-
baldus, mit niedergeſchlagnen Augen: ‚Aber lieber
„Meiſter, warum habt ihr auch meinen Kindern heid-
„niſche Buͤcher vorgelegt?‛
‚Weil eure Kinder Griechiſch lernen ſollten und
„dieſe Buͤcher gut Griechiſch geſchrieben ſind.‛
‚Aber warum habt ihr ihnen ſo boͤſe gottloſe Leute
„zur Nachahmung vorgeſtellt?‛
Urtheilt ſelbſt, verſetzte Sebaldus, ob ſie boͤſe
und gottlos geweſen? Hier erzaͤhlte er ausfuͤhrlich
die Geſchichte des Sokrates, und ſchilderte den Cha-
rakter des Antonin. Er fragte, ob es nicht vielmehr
gottlos ſey, einen Fuͤrſten zu verdammen, der nach
ſeiner eignen Nachricht, von ſeinem Großvater ge-
lernet: Leutſelig zu ſeyn und ſich nicht zu erzuͤrnen;
von ſeinem Vater: Beſcheiden und maͤnnlich zu
wer-
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