Noch schlimmer aber ward es, als Sebaldus anfieng, seinen Zögling im Griechischen zu unterwei- sen, und der Kaufmann, seinem ältesten Sohne, aus dem er einen gelehrten Mann machen wollte, befahl, daß er diesen Lehrstunden beywohnen sollte. Sebaldus ließ darinn Xenophons Denkwürdig- keiten des Sokrates lesen und übersetzen, und er- klärte auch zuweilen einige Stellen aus Antonins Betrachtungen. Er nahm hierbey Gelegenheit, den Knaben, gute moralische Grundsätze einzuprä- gen, und diese Grundsätze, ihnen selbst durch Erklä- rung dieser vortreflichen Bücher anschauend zu ma- chen. Hierüber setzte Puistma den Sebaldus in Gegenwart beider Eltern, aufs heftigste zur Rede Er sagte sonder Scheu, wenn Sebaldus ein rechter Christ wäre, so würde er den Kindern nichts als die gewyde Bladeren*) und andere christliche Bücher vor- legen, ihnen aber nicht solche ungeweihte blinde Hei- den, wie Sokrates und Antonin, zu Beyspielen vorstellen, deren Tugend schon der heilige Augustin als blendende Laster verdammt habe. Sebaldus vertheidigte sich, aber was konnte vernünftige Ver- theidigung bey einem Manne, wie Puistma, hel- sen. Der schrie, ohne Gründe anzuhören, und lief
voller
*) (Geweihte Blätter) d. h. die Bibe|.
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Noch ſchlimmer aber ward es, als Sebaldus anfieng, ſeinen Zoͤgling im Griechiſchen zu unterwei- ſen, und der Kaufmann, ſeinem aͤlteſten Sohne, aus dem er einen gelehrten Mann machen wollte, befahl, daß er dieſen Lehrſtunden beywohnen ſollte. Sebaldus ließ darinn Xenophons Denkwuͤrdig- keiten des Sokrates leſen und uͤberſetzen, und er- klaͤrte auch zuweilen einige Stellen aus Antonins Betrachtungen. Er nahm hierbey Gelegenheit, den Knaben, gute moraliſche Grundſaͤtze einzupraͤ- gen, und dieſe Grundſaͤtze, ihnen ſelbſt durch Erklaͤ- rung dieſer vortreflichen Buͤcher anſchauend zu ma- chen. Hieruͤber ſetzte Puiſtma den Sebaldus in Gegenwart beider Eltern, aufs heftigſte zur Rede Er ſagte ſonder Scheu, wenn Sebaldus ein rechter Chriſt waͤre, ſo wuͤrde er den Kindern nichts als die gewyde Bladeren*) und andere chriſtliche Buͤcher vor- legen, ihnen aber nicht ſolche ungeweihte blinde Hei- den, wie Sokrates und Antonin, zu Beyſpielen vorſtellen, deren Tugend ſchon der heilige Auguſtin als blendende Laſter verdammt habe. Sebaldus vertheidigte ſich, aber was konnte vernuͤnftige Ver- theidigung bey einem Manne, wie Puiſtma, hel- ſen. Der ſchrie, ohne Gruͤnde anzuhoͤren, und lief
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*) (Geweihte Blätter) d. h. die Bibe|.
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[21[20]/0029]
Noch ſchlimmer aber ward es, als Sebaldus
anfieng, ſeinen Zoͤgling im Griechiſchen zu unterwei-
ſen, und der Kaufmann, ſeinem aͤlteſten Sohne,
aus dem er einen gelehrten Mann machen wollte,
befahl, daß er dieſen Lehrſtunden beywohnen ſollte.
Sebaldus ließ darinn Xenophons Denkwuͤrdig-
keiten des Sokrates leſen und uͤberſetzen, und er-
klaͤrte auch zuweilen einige Stellen aus Antonins
Betrachtungen. Er nahm hierbey Gelegenheit,
den Knaben, gute moraliſche Grundſaͤtze einzupraͤ-
gen, und dieſe Grundſaͤtze, ihnen ſelbſt durch Erklaͤ-
rung dieſer vortreflichen Buͤcher anſchauend zu ma-
chen. Hieruͤber ſetzte Puiſtma den Sebaldus in
Gegenwart beider Eltern, aufs heftigſte zur Rede
Er ſagte ſonder Scheu, wenn Sebaldus ein rechter
Chriſt waͤre, ſo wuͤrde er den Kindern nichts als die
gewyde Bladeren *) und andere chriſtliche Buͤcher vor-
legen, ihnen aber nicht ſolche ungeweihte blinde Hei-
den, wie Sokrates und Antonin, zu Beyſpielen
vorſtellen, deren Tugend ſchon der heilige Auguſtin
als blendende Laſter verdammt habe. Sebaldus
vertheidigte ſich, aber was konnte vernuͤnftige Ver-
theidigung bey einem Manne, wie Puiſtma, hel-
ſen. Der ſchrie, ohne Gruͤnde anzuhoͤren, und lief
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 21[20]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/29>, abgerufen am 27.07.2024.
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