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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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"gestehen, daß ich die Jungfer Anastasia immer für
"eine meinem Sohne schickliche Parthey gehalten
"habe.'

Der Hausfreund versicherte, daß hierbey noch
nichts verlohren wäre, man sey mit dem andern
Bräutigam auf keine Weise gebunden, und ob der-
selbe gleich nicht nur ein Mann von Stande sey,
sondern auch ein rechtes frommes Gnadenkind ge-
worden: so sey er doch ein Officier, und man wisse
wohl, daß Leute dieses Standes, am leichtesten in
Rückfall gerathen können; daher werde die Frau
Gertrudtinn seinem Sohne gewiß den Vorzug
geben, nur müsse er, wie leicht zu erachten, sich sehr
bald deshalb erklären.

Der alte Säugling ward über diese Nachricht
überaus vergnügt, versicherte, daß er morgen un-
verzüglich mit seinem Sohne reden wollte, welcher
ihm schon längst eine besondere Neigung zur Jungfer
Anastasia zu haben schiene, und da er gar nicht
zweifelte, derselbe werde zu dieser Heurath die größe-
ste Begierde zeigen: so nahm er zugleich die Abrede,
daß die Frau Gertrudtinn, nebst ihrer Tochter, und
ihm, dem Hausfreunde, auf den übermorgenden Tag,
auf sein Gut, zum Mittagsessen gebeten werden soll-
ten; damit alsdenn der erste Antrag geschehen, und

viel-



„geſtehen, daß ich die Jungfer Anaſtaſia immer fuͤr
„eine meinem Sohne ſchickliche Parthey gehalten
„habe.‛

Der Hausfreund verſicherte, daß hierbey noch
nichts verlohren waͤre, man ſey mit dem andern
Braͤutigam auf keine Weiſe gebunden, und ob der-
ſelbe gleich nicht nur ein Mann von Stande ſey,
ſondern auch ein rechtes frommes Gnadenkind ge-
worden: ſo ſey er doch ein Officier, und man wiſſe
wohl, daß Leute dieſes Standes, am leichteſten in
Ruͤckfall gerathen koͤnnen; daher werde die Frau
Gertrudtinn ſeinem Sohne gewiß den Vorzug
geben, nur muͤſſe er, wie leicht zu erachten, ſich ſehr
bald deshalb erklaͤren.

Der alte Saͤugling ward uͤber dieſe Nachricht
uͤberaus vergnuͤgt, verſicherte, daß er morgen un-
verzuͤglich mit ſeinem Sohne reden wollte, welcher
ihm ſchon laͤngſt eine beſondere Neigung zur Jungfer
Anaſtaſia zu haben ſchiene, und da er gar nicht
zweifelte, derſelbe werde zu dieſer Heurath die groͤße-
ſte Begierde zeigen: ſo nahm er zugleich die Abrede,
daß die Frau Gertrudtinn, nebſt ihrer Tochter, und
ihm, dem Hausfreunde, auf den uͤbermorgenden Tag,
auf ſein Gut, zum Mittagseſſen gebeten werden ſoll-
ten; damit alsdenn der erſte Antrag geſchehen, und

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[123[122]/0133] „geſtehen, daß ich die Jungfer Anaſtaſia immer fuͤr „eine meinem Sohne ſchickliche Parthey gehalten „habe.‛ Der Hausfreund verſicherte, daß hierbey noch nichts verlohren waͤre, man ſey mit dem andern Braͤutigam auf keine Weiſe gebunden, und ob der- ſelbe gleich nicht nur ein Mann von Stande ſey, ſondern auch ein rechtes frommes Gnadenkind ge- worden: ſo ſey er doch ein Officier, und man wiſſe wohl, daß Leute dieſes Standes, am leichteſten in Ruͤckfall gerathen koͤnnen; daher werde die Frau Gertrudtinn ſeinem Sohne gewiß den Vorzug geben, nur muͤſſe er, wie leicht zu erachten, ſich ſehr bald deshalb erklaͤren. Der alte Saͤugling ward uͤber dieſe Nachricht uͤberaus vergnuͤgt, verſicherte, daß er morgen un- verzuͤglich mit ſeinem Sohne reden wollte, welcher ihm ſchon laͤngſt eine beſondere Neigung zur Jungfer Anaſtaſia zu haben ſchiene, und da er gar nicht zweifelte, derſelbe werde zu dieſer Heurath die groͤße- ſte Begierde zeigen: ſo nahm er zugleich die Abrede, daß die Frau Gertrudtinn, nebſt ihrer Tochter, und ihm, dem Hausfreunde, auf den uͤbermorgenden Tag, auf ſein Gut, zum Mittagseſſen gebeten werden ſoll- ten; damit alsdenn der erſte Antrag geſchehen, und viel-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 123[122]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/133>, abgerufen am 21.11.2024.