"licher Weise, die Religion mehr geschätzt werden. "Aber unsre feinen Lehrer der Rechtschaffenheit ha- "ben so eine große Begierde nützlich zu seyn, daß sie "sich und ihren Orden und die Religion darüber ver- "gessen.'
,Es ist wahr, sagte der Kandidat, indem er den "Kopf schüttelte, es scheint mir auch fast, daß die "Protestanten, in der Absicht eine päbstische Hierar- "chie zu vermeiden, den geistlichen Stand andern "Ständen allzusehr gleich machen.'
,O! ein wenig Pabstthum wäre uns sehr nöthig, "oder wir werden nie wieder Glaubenseinigkeit und "Glaubensreinigkeit erlangen. Jch kann es dem Luther "und Melanchthon nicht vergeben, daß sie die "Hierarchie ganz aufgehoben, und auf die Vorzüge "des geistlichen Standes so wenig geachtet haben. "Daraus ist denn endlich der ganze Verfall des Chri- "stenthums entstanden. Denn wer giebt darauf Ach- "tung, was ein elender Prediger sagt? Hingegen, "wenn ein Erzbischof spricht, so müssen die Frey- "geister wohl schweigen. Man sieht es auch noch, daß "an den protestantischen Orten, wo den Geistlichen "ein Schatten von Autorität übrig ist, daß da auch "die Religion geachtet wird. Jch wollte es unsern "Freydenkern rathen, daß sie einem Senior in Ham-
"burg,
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”licher Weiſe, die Religion mehr geſchaͤtzt werden. ”Aber unſre feinen Lehrer der Rechtſchaffenheit ha- ”ben ſo eine große Begierde nuͤtzlich zu ſeyn, daß ſie ”ſich und ihren Orden und die Religion daruͤber ver- ”geſſen.‛
‚Es iſt wahr, ſagte der Kandidat, indem er den ”Kopf ſchuͤttelte, es ſcheint mir auch faſt, daß die ”Proteſtanten, in der Abſicht eine paͤbſtiſche Hierar- ”chie zu vermeiden, den geiſtlichen Stand andern ”Staͤnden allzuſehr gleich machen.‛
‚O! ein wenig Pabſtthum waͤre uns ſehr noͤthig, ”oder wir werden nie wieder Glaubenseinigkeit und ”Glaubensreinigkeit erlangen. Jch kann es dem Luther ”und Melanchthon nicht vergeben, daß ſie die ”Hierarchie ganz aufgehoben, und auf die Vorzuͤge ”des geiſtlichen Standes ſo wenig geachtet haben. ”Daraus iſt denn endlich der ganze Verfall des Chri- ”ſtenthums entſtanden. Denn wer giebt darauf Ach- ”tung, was ein elender Prediger ſagt? Hingegen, ”wenn ein Erzbiſchof ſpricht, ſo muͤſſen die Frey- ”geiſter wohl ſchweigen. Man ſieht es auch noch, daß ”an den proteſtantiſchen Orten, wo den Geiſtlichen ”ein Schatten von Autoritaͤt uͤbrig iſt, daß da auch ”die Religion geachtet wird. Jch wollte es unſern ”Freydenkern rathen, daß ſie einem Senior in Ham-
”burg,
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”licher Weiſe, die Religion mehr geſchaͤtzt werden.
”Aber unſre feinen Lehrer der Rechtſchaffenheit ha-
”ben ſo eine große Begierde nuͤtzlich zu ſeyn, daß ſie
”ſich und ihren Orden und die Religion daruͤber ver-
”geſſen.‛
‚Es iſt wahr, ſagte der Kandidat, indem er den
”Kopf ſchuͤttelte, es ſcheint mir auch faſt, daß die
”Proteſtanten, in der Abſicht eine paͤbſtiſche Hierar-
”chie zu vermeiden, den geiſtlichen Stand andern
”Staͤnden allzuſehr gleich machen.‛
‚O! ein wenig Pabſtthum waͤre uns ſehr noͤthig,
”oder wir werden nie wieder Glaubenseinigkeit und
”Glaubensreinigkeit erlangen. Jch kann es dem Luther
”und Melanchthon nicht vergeben, daß ſie die
”Hierarchie ganz aufgehoben, und auf die Vorzuͤge
”des geiſtlichen Standes ſo wenig geachtet haben.
”Daraus iſt denn endlich der ganze Verfall des Chri-
”ſtenthums entſtanden. Denn wer giebt darauf Ach-
”tung, was ein elender Prediger ſagt? Hingegen,
”wenn ein Erzbiſchof ſpricht, ſo muͤſſen die Frey-
”geiſter wohl ſchweigen. Man ſieht es auch noch, daß
”an den proteſtantiſchen Orten, wo den Geiſtlichen
”ein Schatten von Autoritaͤt uͤbrig iſt, daß da auch
”die Religion geachtet wird. Jch wollte es unſern
”Freydenkern rathen, daß ſie einem Senior in Ham-
”burg,
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/87>, abgerufen am 05.07.2024.
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