"sührt; 's ist 'n gelehrter Mann, warlich 'n gelehr- "ter Mann, er würde Sie verachten, wenn er Sie "kennete. Der Mann hält was auf Orthodoxie.'
Er würde noch weit mehr geplandert haben, aber der Kandidat, der es ungern sah, daß sein ungelohr- ter Vater geschwinder antworten wollte, als er, fiel ihm mit pathetischer Stimme ins Wort, und sagte: ,Es thut mir sehr leid, daß Sie nicht besser auf die "symbolischen Bücher gohalten haben. Hier zu Lande "schwören wir leider! zwar nicht darauf, sie sind aber "doch ein Pactum, und Pacta sunt servanda. -- Und "worinn fuhr er mit aufgeworsenem Unterkinne fort, "worinn fanden Sie denn für so nöthig von den sym- "bolischen Büchern abzugehen?'
Sebaldus, etwas kleinlaut, antwortete: ,Jn "der Lehre von der Ewigkoit der Hölleustrafen.'
Der Kandidat schlug seine Hände über seine weiße Mütze zusammen, und rief aus: ,Wie ist es mög- "lich, daß jemand an einer so göttlichen Lehre zwei- "feln kann? Haben Sie denn den ersten Theil mei- "ner Predigt nicht gehört?'
,Nein, sagte Sebaldus, weil er erst gegen das "Ende derselben gekommen sey.'
,Das thut mir leid, sagte der Kandidat; denn ich "habe darinn bewiesen, die wahre christliche Liebe er-
"fodere,
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”ſuͤhrt; ’s iſt ’n gelehrter Mann, warlich ’n gelehr- ”ter Mann, er wuͤrde Sie verachten, wenn er Sie ”kennete. Der Mann haͤlt was auf Orthodoxie.‛
Er wuͤrde noch weit mehr geplandert haben, aber der Kandidat, der es ungern ſah, daß ſein ungelohr- ter Vater geſchwinder antworten wollte, als er, fiel ihm mit pathetiſcher Stimme ins Wort, und ſagte: ‚Es thut mir ſehr leid, daß Sie nicht beſſer auf die ”ſymboliſchen Buͤcher gohalten haben. Hier zu Lande ”ſchwoͤren wir leider! zwar nicht darauf, ſie ſind aber ”doch ein Pactum, und Pacta ſunt ſervanda. — Und ”worinn fuhr er mit aufgeworſenem Unterkinne fort, ”worinn fanden Sie denn fuͤr ſo noͤthig von den ſym- ”boliſchen Buͤchern abzugehen?‛
Sebaldus, etwas kleinlaut, antwortete: ‚Jn ”der Lehre von der Ewigkoit der Hoͤlleuſtrafen.‛
Der Kandidat ſchlug ſeine Haͤnde uͤber ſeine weiße Muͤtze zuſammen, und rief aus: ‚Wie iſt es moͤg- ”lich, daß jemand an einer ſo goͤttlichen Lehre zwei- ”feln kann? Haben Sie denn den erſten Theil mei- ”ner Predigt nicht gehoͤrt?‛
‚Nein, ſagte Sebaldus, weil er erſt gegen das ”Ende derſelben gekommen ſey.‛
‚Das thut mir leid, ſagte der Kandidat; denn ich ”habe darinn bewieſen, die wahre chriſtliche Liebe er-
”fodere,
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”ſuͤhrt; ’s iſt ’n gelehrter Mann, warlich ’n gelehr-
”ter Mann, er wuͤrde Sie verachten, wenn er Sie
”kennete. Der Mann haͤlt was auf Orthodoxie.‛
Er wuͤrde noch weit mehr geplandert haben, aber
der Kandidat, der es ungern ſah, daß ſein ungelohr-
ter Vater geſchwinder antworten wollte, als er, fiel
ihm mit pathetiſcher Stimme ins Wort, und ſagte:
‚Es thut mir ſehr leid, daß Sie nicht beſſer auf die
”ſymboliſchen Buͤcher gohalten haben. Hier zu Lande
”ſchwoͤren wir leider! zwar nicht darauf, ſie ſind aber
”doch ein Pactum, und Pacta ſunt ſervanda. — Und
”worinn fuhr er mit aufgeworſenem Unterkinne fort,
”worinn fanden Sie denn fuͤr ſo noͤthig von den ſym-
”boliſchen Buͤchern abzugehen?‛
Sebaldus, etwas kleinlaut, antwortete: ‚Jn
”der Lehre von der Ewigkoit der Hoͤlleuſtrafen.‛
Der Kandidat ſchlug ſeine Haͤnde uͤber ſeine weiße
Muͤtze zuſammen, und rief aus: ‚Wie iſt es moͤg-
”lich, daß jemand an einer ſo goͤttlichen Lehre zwei-
”feln kann? Haben Sie denn den erſten Theil mei-
”ner Predigt nicht gehoͤrt?‛
‚Nein, ſagte Sebaldus, weil er erſt gegen das
”Ende derſelben gekommen ſey.‛
‚Das thut mir leid, ſagte der Kandidat; denn ich
”habe darinn bewieſen, die wahre chriſtliche Liebe er-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/41>, abgerufen am 16.02.2025.
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