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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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haben. Und wie kann er auf des Juden unbestimmte
und unbewiesene Antwort das geringste bauen?
Wenn auch alle die Sachen, die der Jude zum Ver-
kauf anbot, wirklich auf der Landstraße gefunden
worden wären, so können sie doch gewiß nicht dem
Sebaldus gehört haben. Wie wäre er, der zeitle-
bens in einer ländlichen Einfalt gelebt hatte, und der
aus Noth seine besten Sachen hatte verstoßen müs-
sen, zu seidnen Strümpfen gekommen? Wozu
hätte er wohl, nachdem er abgesetzt worden, Hals-
krausen
*) mit sich geführt? Und da er, als er weg-
reisete, wie S. 163 des ersten Theils seines Lebens
berichtet worden, seinen ihm so werthen Kommentar
über die Apokalypse bey seinem Freunde Hierony-
mus
zurückließ, ists wohl wahrscheinlich, daß er
die Koncepte von alten Predigten sollte mitgenom-
men haben?

Die Muthmaßung des ungenannten Herausge-
bers ist also höchst unwahrscheinlich. Wenn man
nun aber hingegen aus den sichersten Familiennach-

richten
*) Jn einigen Deutschen Provinzen würde das Wort Hals-
krausen bloß Halstücher bedenten; aber der Zusatz Christ-
liche Halskrausen,
scheint anzudeuten, daß es runde
Priesterkragen, oder Wolkenkragen gewesen, die man in
Sachsen, Krausen nennet.



haben. Und wie kann er auf des Juden unbeſtimmte
und unbewieſene Antwort das geringſte bauen?
Wenn auch alle die Sachen, die der Jude zum Ver-
kauf anbot, wirklich auf der Landſtraße gefunden
worden waͤren, ſo koͤnnen ſie doch gewiß nicht dem
Sebaldus gehoͤrt haben. Wie waͤre er, der zeitle-
bens in einer laͤndlichen Einfalt gelebt hatte, und der
aus Noth ſeine beſten Sachen hatte verſtoßen muͤſ-
ſen, zu ſeidnen Struͤmpfen gekommen? Wozu
haͤtte er wohl, nachdem er abgeſetzt worden, Hals-
krauſen
*) mit ſich gefuͤhrt? Und da er, als er weg-
reiſete, wie S. 163 des erſten Theils ſeines Lebens
berichtet worden, ſeinen ihm ſo werthen Kommentar
uͤber die Apokalypſe bey ſeinem Freunde Hierony-
mus
zuruͤckließ, iſts wohl wahrſcheinlich, daß er
die Koncepte von alten Predigten ſollte mitgenom-
men haben?

Die Muthmaßung des ungenannten Herausge-
bers iſt alſo hoͤchſt unwahrſcheinlich. Wenn man
nun aber hingegen aus den ſicherſten Familiennach-

richten
*) Jn einigen Deutſchen Provinzen würde das Wort Hals-
krauſen bloß Halstuͤcher bedenten; aber der Zuſatz Chriſt-
liche Halskrauſen,
ſcheint anzudeuten, daß es runde
Prieſterkragen, oder Wolkenkragen geweſen, die man in
Sachſen, Krauſen nennet.
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[268/0282] haben. Und wie kann er auf des Juden unbeſtimmte und unbewieſene Antwort das geringſte bauen? Wenn auch alle die Sachen, die der Jude zum Ver- kauf anbot, wirklich auf der Landſtraße gefunden worden waͤren, ſo koͤnnen ſie doch gewiß nicht dem Sebaldus gehoͤrt haben. Wie waͤre er, der zeitle- bens in einer laͤndlichen Einfalt gelebt hatte, und der aus Noth ſeine beſten Sachen hatte verſtoßen muͤſ- ſen, zu ſeidnen Struͤmpfen gekommen? Wozu haͤtte er wohl, nachdem er abgeſetzt worden, Hals- krauſen *) mit ſich gefuͤhrt? Und da er, als er weg- reiſete, wie S. 163 des erſten Theils ſeines Lebens berichtet worden, ſeinen ihm ſo werthen Kommentar uͤber die Apokalypſe bey ſeinem Freunde Hierony- mus zuruͤckließ, iſts wohl wahrſcheinlich, daß er die Koncepte von alten Predigten ſollte mitgenom- men haben? Die Muthmaßung des ungenannten Herausge- bers iſt alſo hoͤchſt unwahrſcheinlich. Wenn man nun aber hingegen aus den ſicherſten Familiennach- richten *) Jn einigen Deutſchen Provinzen würde das Wort Hals- krauſen bloß Halstuͤcher bedenten; aber der Zuſatz Chriſt- liche Halskrauſen, ſcheint anzudeuten, daß es runde Prieſterkragen, oder Wolkenkragen geweſen, die man in Sachſen, Krauſen nennet.

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/282>, abgerufen am 05.07.2024.