Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.bolisch hielt, unbesehen beschworen, und was in der besondern Formula committendi dieses Städtchens von ihm verlangt wurde, ohne Umstände unterschrieben. Er war dabey sehr beruhigt, weil er nunmehr, durch einen heiligen Eid, der Mühe überhoben zu seyn glaubte, über die sämmtlichen in den symbolischen Büchern enthaltenen Lehren weiter nachzudenken. Er wußte zwar wohl, daß es noch erlaubt sey, diesel- ben in der Absicht ferner zu untersuchen, um mehrere Beweisgründe dazu aufzufinden; er fand aber weis- lich für gut, dieses zu unterlassen, weil er gar nicht einsehen konnte, wozu noch mehrere Beweisgründe nöthig seyn sollten, da alle Geistlichen, durch einen schweren Eid, sie zu lehren verpflichtet waren, und da man, seit mehr als hundert Jahren, in den Marschländern kein Beyspiel wußte, daß ein Laye einen Zweifel darüber gehabt hätte; auch in unver- muthetem Falle leicht abzusehen war, daß man einen solchen, durch Versagung der Absolution und Weg- weisung vom Abendmahl, genugsam würde im Zau- me halten können. Er hielt sich also im Gewissen verbunden, die Zweifel, die ihm zuweilen, obwohl sehr selten, aufstießen, denen zur Verantwortung zu überlassen, von denen er war vereidet worden. Da er nun also bloß zu lehren, nicht aber zu untersuchen hatte,
boliſch hielt, unbeſehen beſchworen, und was in der beſondern Formula committendi dieſes Staͤdtchens von ihm verlangt wurde, ohne Umſtaͤnde unterſchrieben. Er war dabey ſehr beruhigt, weil er nunmehr, durch einen heiligen Eid, der Muͤhe uͤberhoben zu ſeyn glaubte, uͤber die ſaͤmmtlichen in den ſymboliſchen Buͤchern enthaltenen Lehren weiter nachzudenken. Er wußte zwar wohl, daß es noch erlaubt ſey, dieſel- ben in der Abſicht ferner zu unterſuchen, um mehrere Beweisgruͤnde dazu aufzufinden; er fand aber weis- lich fuͤr gut, dieſes zu unterlaſſen, weil er gar nicht einſehen konnte, wozu noch mehrere Beweisgruͤnde noͤthig ſeyn ſollten, da alle Geiſtlichen, durch einen ſchweren Eid, ſie zu lehren verpflichtet waren, und da man, ſeit mehr als hundert Jahren, in den Marſchlaͤndern kein Beyſpiel wußte, daß ein Laye einen Zweifel daruͤber gehabt haͤtte; auch in unver- muthetem Falle leicht abzuſehen war, daß man einen ſolchen, durch Verſagung der Abſolution und Weg- weiſung vom Abendmahl, genugſam wuͤrde im Zau- me halten koͤnnen. Er hielt ſich alſo im Gewiſſen verbunden, die Zweifel, die ihm zuweilen, obwohl ſehr ſelten, aufſtießen, denen zur Verantwortung zu uͤberlaſſen, von denen er war vereidet worden. Da er nun alſo bloß zu lehren, nicht aber zu unterſuchen hatte,
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boliſch hielt, unbeſehen beſchworen, und was in der
beſondern Formula committendi dieſes Staͤdtchens von
ihm verlangt wurde, ohne Umſtaͤnde unterſchrieben.
Er war dabey ſehr beruhigt, weil er nunmehr, durch
einen heiligen Eid, der Muͤhe uͤberhoben zu ſeyn
glaubte, uͤber die ſaͤmmtlichen in den ſymboliſchen
Buͤchern enthaltenen Lehren weiter nachzudenken.
Er wußte zwar wohl, daß es noch erlaubt ſey, dieſel-
ben in der Abſicht ferner zu unterſuchen, um mehrere
Beweisgruͤnde dazu aufzufinden; er fand aber weis-
lich fuͤr gut, dieſes zu unterlaſſen, weil er gar nicht
einſehen konnte, wozu noch mehrere Beweisgruͤnde
noͤthig ſeyn ſollten, da alle Geiſtlichen, durch einen
ſchweren Eid, ſie zu lehren verpflichtet waren, und
da man, ſeit mehr als hundert Jahren, in den
Marſchlaͤndern kein Beyſpiel wußte, daß ein Laye
einen Zweifel daruͤber gehabt haͤtte; auch in unver-
muthetem Falle leicht abzuſehen war, daß man einen
ſolchen, durch Verſagung der Abſolution und Weg-
weiſung vom Abendmahl, genugſam wuͤrde im Zau-
me halten koͤnnen. Er hielt ſich alſo im Gewiſſen
verbunden, die Zweifel, die ihm zuweilen, obwohl
ſehr ſelten, aufſtießen, denen zur Verantwortung zu
uͤberlaſſen, von denen er war vereidet worden. Da
er nun alſo bloß zu lehren, nicht aber zu unterſuchen
hatte,
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