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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Säuglingen für den Urheber dieser Frevelthat zu hal-
ten, worinn, wie sie glaubte, Mariane gewilligt hätte.
Sie ward in dieser Vermuthung bestärkt, da sie
unter Marianens Sachen viele zärtliche Briefe und
Gedichte von Säuglings Hand geschrieben fand,
nebst verschiedenen Entwürfen zu Briefen von Ma-
rianens
Hand, die zwar nicht waren abgesendet
worden, aber itzt doch ein unwiderlegliches Zeugniß
wider sie abzulegen schienen. Die Gräfinn war da-
her wider die arme Mariane äußerst entrüstet, und
eben so zornig auf Säuglingen, der, wie sie glaubte,
die Gastfreyheit so schändlich beleidigt hatte, der eine
romanhafte Liebe vorgab, und ihr ihre Gesellschafte-
rinn aus ihrem Schloffe entführte, wobey sie ihm,
trotz seines züchtigen Anstandes, eben nicht die rein-
sten Absichten zutraute. Sie setzte Rambolden
über die Aufführung seines Zöglings zur Rede, der,
um den Verdacht von sich abzuwälzen, ihr in allen
ihren Vermuthungen Recht gab, Marianen noch
mehr anklagte, und die Geschichte ihrer Entlassung
von der Frau von Hohenauf auf eine ihr sehr un-
vortheilhafte Art erzählte. Die Gräfinn hielt nun
ihre Vermuthung für vollkommen bewiesen, und
ließ den unschuldigen Säugling so viel Unwillen
merken, daß er, ob er gleich die Ursach davon nicht

recht



Saͤuglingen fuͤr den Urheber dieſer Frevelthat zu hal-
ten, worinn, wie ſie glaubte, Mariane gewilligt haͤtte.
Sie ward in dieſer Vermuthung beſtaͤrkt, da ſie
unter Marianens Sachen viele zaͤrtliche Briefe und
Gedichte von Saͤuglings Hand geſchrieben fand,
nebſt verſchiedenen Entwuͤrfen zu Briefen von Ma-
rianens
Hand, die zwar nicht waren abgeſendet
worden, aber itzt doch ein unwiderlegliches Zeugniß
wider ſie abzulegen ſchienen. Die Graͤfinn war da-
her wider die arme Mariane aͤußerſt entruͤſtet, und
eben ſo zornig auf Saͤuglingen, der, wie ſie glaubte,
die Gaſtfreyheit ſo ſchaͤndlich beleidigt hatte, der eine
romanhafte Liebe vorgab, und ihr ihre Geſellſchafte-
rinn aus ihrem Schloffe entfuͤhrte, wobey ſie ihm,
trotz ſeines zuͤchtigen Anſtandes, eben nicht die rein-
ſten Abſichten zutraute. Sie ſetzte Rambolden
uͤber die Auffuͤhrung ſeines Zoͤglings zur Rede, der,
um den Verdacht von ſich abzuwaͤlzen, ihr in allen
ihren Vermuthungen Recht gab, Marianen noch
mehr anklagte, und die Geſchichte ihrer Entlaſſung
von der Frau von Hohenauf auf eine ihr ſehr un-
vortheilhafte Art erzaͤhlte. Die Graͤfinn hielt nun
ihre Vermuthung fuͤr vollkommen bewieſen, und
ließ den unſchuldigen Saͤugling ſo viel Unwillen
merken, daß er, ob er gleich die Urſach davon nicht

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[186/0198] Saͤuglingen fuͤr den Urheber dieſer Frevelthat zu hal- ten, worinn, wie ſie glaubte, Mariane gewilligt haͤtte. Sie ward in dieſer Vermuthung beſtaͤrkt, da ſie unter Marianens Sachen viele zaͤrtliche Briefe und Gedichte von Saͤuglings Hand geſchrieben fand, nebſt verſchiedenen Entwuͤrfen zu Briefen von Ma- rianens Hand, die zwar nicht waren abgeſendet worden, aber itzt doch ein unwiderlegliches Zeugniß wider ſie abzulegen ſchienen. Die Graͤfinn war da- her wider die arme Mariane aͤußerſt entruͤſtet, und eben ſo zornig auf Saͤuglingen, der, wie ſie glaubte, die Gaſtfreyheit ſo ſchaͤndlich beleidigt hatte, der eine romanhafte Liebe vorgab, und ihr ihre Geſellſchafte- rinn aus ihrem Schloffe entfuͤhrte, wobey ſie ihm, trotz ſeines zuͤchtigen Anſtandes, eben nicht die rein- ſten Abſichten zutraute. Sie ſetzte Rambolden uͤber die Auffuͤhrung ſeines Zoͤglings zur Rede, der, um den Verdacht von ſich abzuwaͤlzen, ihr in allen ihren Vermuthungen Recht gab, Marianen noch mehr anklagte, und die Geſchichte ihrer Entlaſſung von der Frau von Hohenauf auf eine ihr ſehr un- vortheilhafte Art erzaͤhlte. Die Graͤfinn hielt nun ihre Vermuthung fuͤr vollkommen bewieſen, und ließ den unſchuldigen Saͤugling ſo viel Unwillen merken, daß er, ob er gleich die Urſach davon nicht recht

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/198>, abgerufen am 28.11.2024.