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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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er seinen Satz, so ungereimt er auch war, durchset-
zen konnte. Ob er wahr oder falsch sey, war ihm
einerley; denn es war in seiner Philosophie ein aus-
gemachter Satz, daß Wahrheit, sowohl als Schön-
heit und Tugend, nur relative Begriffe wären. Ein
Satz, den er nicht nur glaubte, sondern auch im ge-
meinen Leben fleißig anwendete; daher er in Anwen-
dung der Mittel, seine Zwecke zu erlangen, eben
nicht delikat war.

Dieser feine Mann hatte auf Marianen ein
Auge geworfen, und gieng damit um, sie zu heura-
then, wovon er ihr doch nicht ein Wort sagte, weil
er, durch einen Umweg, seinen Zweck besser zu er-
reichen meinte. Er war von den Absichten, welche
die Frau von Hohenauf mit ihrem Neffen hatte,
sehr wohl unterrichtet. Sie hatte ihm sogar eine ein-
trägliche Pfarre, die auf ihren Gütern nächstens of-
fen werden mußte, versprochen, wenn er etwas dazu
beytragen würde, daß Säugling das Fräulein von
Ehrenkolb heurathete. Daher glaubte er zwey
Schläge mit Einem Streiche zu thun; wenn er der
Frau von Hohenauf von Säuglings und Maria-
nens
Zusammenkunft Nachricht gäbe, und die Fol-
gen derselben zu verhindern suchte.

Er
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er ſeinen Satz, ſo ungereimt er auch war, durchſet-
zen konnte. Ob er wahr oder falſch ſey, war ihm
einerley; denn es war in ſeiner Philoſophie ein aus-
gemachter Satz, daß Wahrheit, ſowohl als Schoͤn-
heit und Tugend, nur relative Begriffe waͤren. Ein
Satz, den er nicht nur glaubte, ſondern auch im ge-
meinen Leben fleißig anwendete; daher er in Anwen-
dung der Mittel, ſeine Zwecke zu erlangen, eben
nicht delikat war.

Dieſer feine Mann hatte auf Marianen ein
Auge geworfen, und gieng damit um, ſie zu heura-
then, wovon er ihr doch nicht ein Wort ſagte, weil
er, durch einen Umweg, ſeinen Zweck beſſer zu er-
reichen meinte. Er war von den Abſichten, welche
die Frau von Hohenauf mit ihrem Neffen hatte,
ſehr wohl unterrichtet. Sie hatte ihm ſogar eine ein-
traͤgliche Pfarre, die auf ihren Guͤtern naͤchſtens of-
fen werden mußte, verſprochen, wenn er etwas dazu
beytragen wuͤrde, daß Saͤugling das Fraͤulein von
Ehrenkolb heurathete. Daher glaubte er zwey
Schlaͤge mit Einem Streiche zu thun; wenn er der
Frau von Hohenauf von Saͤuglings und Maria-
nens
Zuſammenkunft Nachricht gaͤbe, und die Fol-
gen derſelben zu verhindern ſuchte.

Er
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[165/0175] er ſeinen Satz, ſo ungereimt er auch war, durchſet- zen konnte. Ob er wahr oder falſch ſey, war ihm einerley; denn es war in ſeiner Philoſophie ein aus- gemachter Satz, daß Wahrheit, ſowohl als Schoͤn- heit und Tugend, nur relative Begriffe waͤren. Ein Satz, den er nicht nur glaubte, ſondern auch im ge- meinen Leben fleißig anwendete; daher er in Anwen- dung der Mittel, ſeine Zwecke zu erlangen, eben nicht delikat war. Dieſer feine Mann hatte auf Marianen ein Auge geworfen, und gieng damit um, ſie zu heura- then, wovon er ihr doch nicht ein Wort ſagte, weil er, durch einen Umweg, ſeinen Zweck beſſer zu er- reichen meinte. Er war von den Abſichten, welche die Frau von Hohenauf mit ihrem Neffen hatte, ſehr wohl unterrichtet. Sie hatte ihm ſogar eine ein- traͤgliche Pfarre, die auf ihren Guͤtern naͤchſtens of- fen werden mußte, verſprochen, wenn er etwas dazu beytragen wuͤrde, daß Saͤugling das Fraͤulein von Ehrenkolb heurathete. Daher glaubte er zwey Schlaͤge mit Einem Streiche zu thun; wenn er der Frau von Hohenauf von Saͤuglings und Maria- nens Zuſammenkunft Nachricht gaͤbe, und die Fol- gen derſelben zu verhindern ſuchte. Er L 5

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/175>, abgerufen am 24.11.2024.