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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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"bey der Beichte that, ich will dich wegen alles des-
"sen um Vergebung bitten, was ich dir kann zuwi-
"der gethan haben; vergieb es mir.' Hier reichte er
Franzen die Hand.

Franz küßte des Majors Hand, die er mit Thrä-
nen benetzte, und sagte schluchzend: ,Ach, Herr Ma-
"jor! ich kann Jhnen nichts vergeben, Sie sind im-
"mer mein guter Herr gewesen, und haben an mir
"mehr Liebe bewiesen, als ich verdiente. Vergeben
"Sie mir nur, wenn ich zu vorschnell gewesen bin.
"Jch dachte doch, man könnte nicht ruhig sterben,
"wenn man nicht von einem geistlichen Herrn ordent-
"lich vorbereitet würde. Als Sie daher schliefen, lief
"ich geschwind zu einem Prediger, der nicht weit von
"hier wohnt, aber er war nicht zu Hause.

,Du hasts recht gut gemeint, Franz; da er aber
"nicht zu Hause war, ists nun auch eben so gut. Jch
"habe mit diesen Herren nicht gern etwas zu thun,
"wenn ich sie nicht vorher genau kenne. Jch lag,
"du weißt es, auf dem Schlachtfelde bey Torgau, hart
"verwundet, an zwölf Stunden, ehe du mich unter
"den Todten und Blessirten herausfandest. Damals
"konnte mir kein Feldprediger zusprechen, und ich war
"zum Tode eben so bereit, wie jetzo.

Jndem



”bey der Beichte that, ich will dich wegen alles deſ-
”ſen um Vergebung bitten, was ich dir kann zuwi-
”der gethan haben; vergieb es mir.‛ Hier reichte er
Franzen die Hand.

Franz kuͤßte des Majors Hand, die er mit Thraͤ-
nen benetzte, und ſagte ſchluchzend: ‚Ach, Herr Ma-
”jor! ich kann Jhnen nichts vergeben, Sie ſind im-
”mer mein guter Herr geweſen, und haben an mir
”mehr Liebe bewieſen, als ich verdiente. Vergeben
”Sie mir nur, wenn ich zu vorſchnell geweſen bin.
”Jch dachte doch, man koͤnnte nicht ruhig ſterben,
”wenn man nicht von einem geiſtlichen Herrn ordent-
”lich vorbereitet wuͤrde. Als Sie daher ſchliefen, lief
”ich geſchwind zu einem Prediger, der nicht weit von
”hier wohnt, aber er war nicht zu Hauſe.

‚Du haſts recht gut gemeint, Franz; da er aber
”nicht zu Hauſe war, iſts nun auch eben ſo gut. Jch
”habe mit dieſen Herren nicht gern etwas zu thun,
”wenn ich ſie nicht vorher genau kenne. Jch lag,
”du weißt es, auf dem Schlachtfelde bey Torgau, hart
”verwundet, an zwoͤlf Stunden, ehe du mich unter
”den Todten und Bleſſirten herausfandeſt. Damals
”konnte mir kein Feldprediger zuſprechen, und ich war
”zum Tode eben ſo bereit, wie jetzo.

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[114/0124] ”bey der Beichte that, ich will dich wegen alles deſ- ”ſen um Vergebung bitten, was ich dir kann zuwi- ”der gethan haben; vergieb es mir.‛ Hier reichte er Franzen die Hand. Franz kuͤßte des Majors Hand, die er mit Thraͤ- nen benetzte, und ſagte ſchluchzend: ‚Ach, Herr Ma- ”jor! ich kann Jhnen nichts vergeben, Sie ſind im- ”mer mein guter Herr geweſen, und haben an mir ”mehr Liebe bewieſen, als ich verdiente. Vergeben ”Sie mir nur, wenn ich zu vorſchnell geweſen bin. ”Jch dachte doch, man koͤnnte nicht ruhig ſterben, ”wenn man nicht von einem geiſtlichen Herrn ordent- ”lich vorbereitet wuͤrde. Als Sie daher ſchliefen, lief ”ich geſchwind zu einem Prediger, der nicht weit von ”hier wohnt, aber er war nicht zu Hauſe. ‚Du haſts recht gut gemeint, Franz; da er aber ”nicht zu Hauſe war, iſts nun auch eben ſo gut. Jch ”habe mit dieſen Herren nicht gern etwas zu thun, ”wenn ich ſie nicht vorher genau kenne. Jch lag, ”du weißt es, auf dem Schlachtfelde bey Torgau, hart ”verwundet, an zwoͤlf Stunden, ehe du mich unter ”den Todten und Bleſſirten herausfandeſt. Damals ”konnte mir kein Feldprediger zuſprechen, und ich war ”zum Tode eben ſo bereit, wie jetzo. Jndem

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/124>, abgerufen am 25.11.2024.