"Wege du König der Nationen! Wer sollte dich nicht "fürchten, Herr, und deinen Namen verherrlichen, "weil du so gnädig bist!"
Mit diesen und andern Worten der Apoealypse tröstete sich Sebaldus, und suchte Kräfte, sein Leid zu ertragen. Hieronymus ließ ihn in dieser beruhi- genden Extase, gieng zu seinem Mantelsacke, der noch auf dem Pferde lag, holte daraus ein paar gebra- tene Hüner, und unter einem seiner Pistolenhulf- ter, eine geschliffene Flasche Rheinwein hervor, denn er pflegte auf Reisen, die Pistolen für seine Feinde, und den Wein für seine Freunde bey sich zu führen. Er zog seinen schweren Reiserock aus, und bereitete in der Scheune das Mahl, von dem er und der Bauer ihrer Traurigkeit ungeachtet, dennoch herzlich aßen, weil sie beide hungrig waren. Sebaldus und Ma- riane aber, nahmen auf wiederhohltes Zureden, we- nigstens so viel zu sich, daß der Körper in den Stand gesetzt ward, die Bekümmernisse der Seele besser zu ertragen.
Nach der Mahlzeit trug Hieronymus mit dem Bauer, Wilhelminens erblassten Körper, und den Sarg der kleinen Tochter in die Scheune, die dem Sebaldus bisher zum Nachtlager, und noch kürz-
lich
„Wege du Koͤnig der Nationen! Wer ſollte dich nicht „fuͤrchten, Herr, und deinen Namen verherrlichen, „weil du ſo gnaͤdig biſt!‟
Mit dieſen und andern Worten der Apoealypſe troͤſtete ſich Sebaldus, und ſuchte Kraͤfte, ſein Leid zu ertragen. Hieronymus ließ ihn in dieſer beruhi- genden Extaſe, gieng zu ſeinem Mantelſacke, der noch auf dem Pferde lag, holte daraus ein paar gebra- tene Huͤner, und unter einem ſeiner Piſtolenhulf- ter, eine geſchliffene Flaſche Rheinwein hervor, denn er pflegte auf Reiſen, die Piſtolen fuͤr ſeine Feinde, und den Wein fuͤr ſeine Freunde bey ſich zu fuͤhren. Er zog ſeinen ſchweren Reiſerock aus, und bereitete in der Scheune das Mahl, von dem er und der Bauer ihrer Traurigkeit ungeachtet, dennoch herzlich aßen, weil ſie beide hungrig waren. Sebaldus und Ma- riane aber, nahmen auf wiederhohltes Zureden, we- nigſtens ſo viel zu ſich, daß der Koͤrper in den Stand geſetzt ward, die Bekuͤmmerniſſe der Seele beſſer zu ertragen.
Nach der Mahlzeit trug Hieronymus mit dem Bauer, Wilhelminens erblaſſten Koͤrper, und den Sarg der kleinen Tochter in die Scheune, die dem Sebaldus bisher zum Nachtlager, und noch kuͤrz-
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„Wege du Koͤnig der Nationen! Wer ſollte dich nicht
„fuͤrchten, Herr, und deinen Namen verherrlichen,
„weil du ſo gnaͤdig biſt!‟
Mit dieſen und andern Worten der Apoealypſe
troͤſtete ſich Sebaldus, und ſuchte Kraͤfte, ſein Leid
zu ertragen. Hieronymus ließ ihn in dieſer beruhi-
genden Extaſe, gieng zu ſeinem Mantelſacke, der noch
auf dem Pferde lag, holte daraus ein paar gebra-
tene Huͤner, und unter einem ſeiner Piſtolenhulf-
ter, eine geſchliffene Flaſche Rheinwein hervor, denn
er pflegte auf Reiſen, die Piſtolen fuͤr ſeine Feinde,
und den Wein fuͤr ſeine Freunde bey ſich zu fuͤhren.
Er zog ſeinen ſchweren Reiſerock aus, und bereitete in
der Scheune das Mahl, von dem er und der Bauer
ihrer Traurigkeit ungeachtet, dennoch herzlich aßen,
weil ſie beide hungrig waren. Sebaldus und Ma-
riane aber, nahmen auf wiederhohltes Zureden, we-
nigſtens ſo viel zu ſich, daß der Koͤrper in den Stand
geſetzt ward, die Bekuͤmmerniſſe der Seele beſſer zu
ertragen.
Nach der Mahlzeit trug Hieronymus mit dem
Bauer, Wilhelminens erblaſſten Koͤrper, und den
Sarg der kleinen Tochter in die Scheune, die dem
Sebaldus bisher zum Nachtlager, und noch kuͤrz-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/94>, abgerufen am 16.02.2025.
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