Mariane war ohnedies seit dem unglücklichen Ge- burtsfeste, ob ihr gleich die Frau von Hohenauf, dem Anscheine nach vergeben hatte, noch in Ungnade. Es halfen keine reichen Garnituren, mit denen sie die Kleider der gnädigen Frau schmückte, kein neuer Kopf- putz nach dem letzten Geschmacke gesteckt, nicht drey- fache Manschetten von den feinsten Netzchen, die ihre kunstreiche Hand, mit Blumen von Kammertuch un- terlegt, und mit fünferley Pointstichen durchbrochen hatte. So angenehm auch diese Opfer waren, mit denen Mariane den Zorn der Frau von Hohenauf versöhnen wollte; so schienen doch die Sünden, daß sie den Fräulein die bürgerliche Herkunft ihrer Mutter entdeckt hatte, und daß sie dieselben zu guten Men- schen hatte erziehen wollen, ehe sie zu Hofdamen er- zogen würden, aus der Classe der unvergeblichen zu seyn.
Die Frau von Hohenauf beobachtete wenigstens seit der Zeit, gegen Marianen eine mehr als ge- wöhnliche Zurückhaltung, sie wiederhohlte die weisen Lehren, fleißig gute Romanen zu lesen und den Fräulein das Air allemand abzugewöhnen, noch öfter als vorher. Daß Mariane sich unterstehen könnte, mit den Fräulein deutsche Bücher zu lesen, kam der Frau von Hohenauf so wenig in den Sinn, daß sie
nicht
Mariane war ohnedies ſeit dem ungluͤcklichen Ge- burtsfeſte, ob ihr gleich die Frau von Hohenauf, dem Anſcheine nach vergeben hatte, noch in Ungnade. Es halfen keine reichen Garnituren, mit denen ſie die Kleider der gnaͤdigen Frau ſchmuͤckte, kein neuer Kopf- putz nach dem letzten Geſchmacke geſteckt, nicht drey- fache Manſchetten von den feinſten Netzchen, die ihre kunſtreiche Hand, mit Blumen von Kammertuch un- terlegt, und mit fuͤnferley Pointſtichen durchbrochen hatte. So angenehm auch dieſe Opfer waren, mit denen Mariane den Zorn der Frau von Hohenauf verſoͤhnen wollte; ſo ſchienen doch die Suͤnden, daß ſie den Fraͤulein die buͤrgerliche Herkunft ihrer Mutter entdeckt hatte, und daß ſie dieſelben zu guten Men- ſchen hatte erziehen wollen, ehe ſie zu Hofdamen er- zogen wuͤrden, aus der Claſſe der unvergeblichen zu ſeyn.
Die Frau von Hohenauf beobachtete wenigſtens ſeit der Zeit, gegen Marianen eine mehr als ge- woͤhnliche Zuruͤckhaltung, ſie wiederhohlte die weiſen Lehren, fleißig gute Romanen zu leſen und den Fraͤulein das Air allemand abzugewoͤhnen, noch oͤfter als vorher. Daß Mariane ſich unterſtehen koͤnnte, mit den Fraͤulein deutſche Buͤcher zu leſen, kam der Frau von Hohenauf ſo wenig in den Sinn, daß ſie
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Mariane war ohnedies ſeit dem ungluͤcklichen Ge-
burtsfeſte, ob ihr gleich die Frau von Hohenauf,
dem Anſcheine nach vergeben hatte, noch in Ungnade.
Es halfen keine reichen Garnituren, mit denen ſie die
Kleider der gnaͤdigen Frau ſchmuͤckte, kein neuer Kopf-
putz nach dem letzten Geſchmacke geſteckt, nicht drey-
fache Manſchetten von den feinſten Netzchen, die ihre
kunſtreiche Hand, mit Blumen von Kammertuch un-
terlegt, und mit fuͤnferley Pointſtichen durchbrochen
hatte. So angenehm auch dieſe Opfer waren, mit
denen Mariane den Zorn der Frau von Hohenauf
verſoͤhnen wollte; ſo ſchienen doch die Suͤnden, daß
ſie den Fraͤulein die buͤrgerliche Herkunft ihrer Mutter
entdeckt hatte, und daß ſie dieſelben zu guten Men-
ſchen hatte erziehen wollen, ehe ſie zu Hofdamen er-
zogen wuͤrden, aus der Claſſe der unvergeblichen
zu ſeyn.
Die Frau von Hohenauf beobachtete wenigſtens
ſeit der Zeit, gegen Marianen eine mehr als ge-
woͤhnliche Zuruͤckhaltung, ſie wiederhohlte die weiſen
Lehren, fleißig gute Romanen zu leſen und den
Fraͤulein das Air allemand abzugewoͤhnen, noch oͤfter
als vorher. Daß Mariane ſich unterſtehen koͤnnte,
mit den Fraͤulein deutſche Buͤcher zu leſen, kam der
Frau von Hohenauf ſo wenig in den Sinn, daß ſie
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/236>, abgerufen am 22.07.2024.
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