"Ach der arme Jacob verspricht Besserung, er "will künftig lieber hungern, als Wild schießen. Aber "gnädige Mama, die Kinder, die armen kleinen Kin- "der hatten nichts zu essen.
"Schweig! um solch Lumpengesindel must du dich "nicht bekümmern.
"Ach liebste Mama! rief Fräulein Adelheid "schluchzend, es sind Gottes Geschöpfe, Menschen "wie wir, -- und unglücklich! --"
"Fi Fräulein! Jst das auch eine von den schö- "nen Lehren, die dir deine Mamsell giebt? Menschen "wie du? Du bist von Stande, die Bauern sind "weit unter dir; sage mir nicht ein Wort mehr hievon."
"Ach gnädige Mama! Sie bauen ja das Getraide, "das wir essen. -- Mein Großpapa ist ja auch ein "Pachter gewesen, erbarmen Sie sich -- Großpapa "ist ja auch wohl arm gewesen, ehe er reich ward." -- --
Eine derbe Ohrfeige von der Hand der in äußerste Wuth gesetzten Mutter, unterbrach das gute Kind. Die Frau von Hohenauf kannte sich beynahe selbst nicht vor Zorn. Sie hatte bisher dies wichtige genealo- gische Geheimniß jedermann so viel wie immer möglich verborgen, und hier ward es öffentlich, in einer gros- sen Gesellschaft von thurnier- und stiftsfähigem Adel beiderley Geschlechts, ausgeplaudert. Dis war frei-
lich
„Ach der arme Jacob verſpricht Beſſerung, er „will kuͤnftig lieber hungern, als Wild ſchießen. Aber „gnaͤdige Mama, die Kinder, die armen kleinen Kin- „der hatten nichts zu eſſen.
„Schweig! um ſolch Lumpengeſindel muſt du dich „nicht bekuͤmmern.
„Ach liebſte Mama! rief Fraͤulein Adelheid „ſchluchzend, es ſind Gottes Geſchoͤpfe, Menſchen „wie wir, — und ungluͤcklich! —‟
„Fi Fraͤulein! Jſt das auch eine von den ſchoͤ- „nen Lehren, die dir deine Mamſell giebt? Menſchen „wie du? Du biſt von Stande, die Bauern ſind „weit unter dir; ſage mir nicht ein Wort mehr hievon.‟
„Ach gnaͤdige Mama! Sie bauen ja das Getraide, „das wir eſſen. — Mein Großpapa iſt ja auch ein „Pachter geweſen, erbarmen Sie ſich — Großpapa „iſt ja auch wohl arm geweſen, ehe er reich ward.‟ — —
Eine derbe Ohrfeige von der Hand der in aͤußerſte Wuth geſetzten Mutter, unterbrach das gute Kind. Die Frau von Hohenauf kannte ſich beynahe ſelbſt nicht vor Zorn. Sie hatte bisher dies wichtige genealo- giſche Geheimniß jedermann ſo viel wie immer moͤglich verborgen, und hier ward es oͤffentlich, in einer groſ- ſen Geſellſchaft von thurnier- und ſtiftsfaͤhigem Adel beiderley Geſchlechts, ausgeplaudert. Dis war frei-
lich
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„Ach der arme Jacob verſpricht Beſſerung, er
„will kuͤnftig lieber hungern, als Wild ſchießen. Aber
„gnaͤdige Mama, die Kinder, die armen kleinen Kin-
„der hatten nichts zu eſſen.
„Schweig! um ſolch Lumpengeſindel muſt du dich
„nicht bekuͤmmern.
„Ach liebſte Mama! rief Fraͤulein Adelheid
„ſchluchzend, es ſind Gottes Geſchoͤpfe, Menſchen
„wie wir, — und ungluͤcklich! —‟
„Fi Fraͤulein! Jſt das auch eine von den ſchoͤ-
„nen Lehren, die dir deine Mamſell giebt? Menſchen
„wie du? Du biſt von Stande, die Bauern ſind
„weit unter dir; ſage mir nicht ein Wort mehr hievon.‟
„Ach gnaͤdige Mama! Sie bauen ja das Getraide,
„das wir eſſen. — Mein Großpapa iſt ja auch ein
„Pachter geweſen, erbarmen Sie ſich — Großpapa
„iſt ja auch wohl arm geweſen, ehe er reich ward.‟ — —
Eine derbe Ohrfeige von der Hand der in aͤußerſte
Wuth geſetzten Mutter, unterbrach das gute Kind.
Die Frau von Hohenauf kannte ſich beynahe ſelbſt
nicht vor Zorn. Sie hatte bisher dies wichtige genealo-
giſche Geheimniß jedermann ſo viel wie immer moͤglich
verborgen, und hier ward es oͤffentlich, in einer groſ-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/226>, abgerufen am 22.07.2024.
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