Gelehrter, der der Welt nützliche Kenntniße mitzuthei- len sucht, der Wahrheit und Weisheit befördern will.
Mag. Jhre Einbildungskraft, mein liebster Freund, fliegt noch ziemlich hoch, laßen Sie sich her- unter, und kommen Sie der Erde näher. Der grö- ste Haufen der Schriftsteller von Profeßion, treibt ein Gewerbe, so gut als die Tapetenmaler oder die Kunstpfeifer, und sieht die wenigen wahren Gelehr- ten, fast eben so, für zudringliche unzünftige Pfuscher an, als jene Handwerker einen Mengs oder Bach. Durch dis Gewerbe, und nicht durch die Begierde das menschliche Geschlecht zu erleuchten, entsteht die unsägliche Menge von Büchern die Sie so bewun- dert haben; denn Leipzig ist freilich seit mehr als hun- dert Jahren die Stapelstadt der Waaren, die diese gelehrten Handwerker zu jeder Meße verfertigen.
Seb. Sie haben ein sonderbares Vergnügen da- ran, Wörter zusammenzusetzen, deren Begriffe of- fenbar miteinander zu streiten scheinen. Gelehr- samkeit ein Handwerk? Bücherschreiben ein Ge- werbe?
Mag. Allerdings, und zwar ein solches Gewer- be, worin jeder den Nutzen so sehr auf seine Seite zu ziehen sucht, als es nur möglich ist. Der Autor will gern dem Verleger so wenig Bogen Manuscript als
möglich,
Gelehrter, der der Welt nuͤtzliche Kenntniße mitzuthei- len ſucht, der Wahrheit und Weisheit befoͤrdern will.
Mag. Jhre Einbildungskraft, mein liebſter Freund, fliegt noch ziemlich hoch, laßen Sie ſich her- unter, und kommen Sie der Erde naͤher. Der groͤ- ſte Haufen der Schriftſteller von Profeßion, treibt ein Gewerbe, ſo gut als die Tapetenmaler oder die Kunſtpfeifer, und ſieht die wenigen wahren Gelehr- ten, faſt eben ſo, fuͤr zudringliche unzuͤnftige Pfuſcher an, als jene Handwerker einen Mengs oder Bach. Durch dis Gewerbe, und nicht durch die Begierde das menſchliche Geſchlecht zu erleuchten, entſteht die unſaͤgliche Menge von Buͤchern die Sie ſo bewun- dert haben; denn Leipzig iſt freilich ſeit mehr als hun- dert Jahren die Stapelſtadt der Waaren, die dieſe gelehrten Handwerker zu jeder Meße verfertigen.
Seb. Sie haben ein ſonderbares Vergnuͤgen da- ran, Woͤrter zuſammenzuſetzen, deren Begriffe of- fenbar miteinander zu ſtreiten ſcheinen. Gelehr- ſamkeit ein Handwerk? Buͤcherſchreiben ein Ge- werbe?
Mag. Allerdings, und zwar ein ſolches Gewer- be, worin jeder den Nutzen ſo ſehr auf ſeine Seite zu ziehen ſucht, als es nur moͤglich iſt. Der Autor will gern dem Verleger ſo wenig Bogen Manuſcript als
moͤglich,
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Gelehrter, der der Welt nuͤtzliche Kenntniße mitzuthei-
len ſucht, der Wahrheit und Weisheit befoͤrdern will.
Mag. Jhre Einbildungskraft, mein liebſter
Freund, fliegt noch ziemlich hoch, laßen Sie ſich her-
unter, und kommen Sie der Erde naͤher. Der groͤ-
ſte Haufen der Schriftſteller von Profeßion, treibt
ein Gewerbe, ſo gut als die Tapetenmaler oder die
Kunſtpfeifer, und ſieht die wenigen wahren Gelehr-
ten, faſt eben ſo, fuͤr zudringliche unzuͤnftige Pfuſcher
an, als jene Handwerker einen Mengs oder Bach.
Durch dis Gewerbe, und nicht durch die Begierde
das menſchliche Geſchlecht zu erleuchten, entſteht die
unſaͤgliche Menge von Buͤchern die Sie ſo bewun-
dert haben; denn Leipzig iſt freilich ſeit mehr als hun-
dert Jahren die Stapelſtadt der Waaren, die dieſe
gelehrten Handwerker zu jeder Meße verfertigen.
Seb. Sie haben ein ſonderbares Vergnuͤgen da-
ran, Woͤrter zuſammenzuſetzen, deren Begriffe of-
fenbar miteinander zu ſtreiten ſcheinen. Gelehr-
ſamkeit ein Handwerk? Buͤcherſchreiben ein Ge-
werbe?
Mag. Allerdings, und zwar ein ſolches Gewer-
be, worin jeder den Nutzen ſo ſehr auf ſeine Seite zu
ziehen ſucht, als es nur moͤglich iſt. Der Autor will
gern dem Verleger ſo wenig Bogen Manuſcript als
moͤglich,
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/114>, abgerufen am 22.07.2024.
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