Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.ich die erfüllten historischen Weissagungen, aus der Ge- schichte anzeigen und von einigen wenigen noch uner- füllten, solche Muthmaßungen an die Hand geben will, die selbst Königen und Fürsten nicht gleichgül- tig seyn dürften. Dennoch schätze ich diese meine hi- storische Entdekungen sehr gering gegen diejenigen, die etwas beitragen können den moralischen Zustand des Menschen zu verbeßern. Wie, wann ich aus die- sem Buche, von dem künftigen Zustande der Auser- wählten die sichersten Schlüße ziehen, wenn ich (hier funkelten dem ehrlichen Sebaldus die Augen) aus demselben die Lehre, die Sie wie ich verab- scheuen, die Ewigkeit der Höllenstrafen, gänzlich wiederlegen, und deutlich zeigen könte, wie in Got- tes Haushaltung alle Bestrafung auf Beßerung abzielen muß und wird -- könte dis dem menschlichen Geschlechte gleichgültig seyn? Mag. Mein Freund, Sie haben wirklich eine Seb. F 4
ich die erfuͤllten hiſtoriſchen Weiſſagungen, aus der Ge- ſchichte anzeigen und von einigen wenigen noch uner- fuͤllten, ſolche Muthmaßungen an die Hand geben will, die ſelbſt Koͤnigen und Fuͤrſten nicht gleichguͤl- tig ſeyn duͤrften. Dennoch ſchaͤtze ich dieſe meine hi- ſtoriſche Entdekungen ſehr gering gegen diejenigen, die etwas beitragen koͤnnen den moraliſchen Zuſtand des Menſchen zu verbeßern. Wie, wann ich aus die- ſem Buche, von dem kuͤnftigen Zuſtande der Auser- waͤhlten die ſicherſten Schluͤße ziehen, wenn ich (hier funkelten dem ehrlichen Sebaldus die Augen) aus demſelben die Lehre, die Sie wie ich verab- ſcheuen, die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen, gaͤnzlich wiederlegen, und deutlich zeigen koͤnte, wie in Got- tes Haushaltung alle Beſtrafung auf Beßerung abzielen muß und wird — koͤnte dis dem menſchlichen Geſchlechte gleichguͤltig ſeyn? Mag. Mein Freund, Sie haben wirklich eine Seb. F 4
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ich die erfuͤllten hiſtoriſchen Weiſſagungen, aus der Ge-
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fuͤllten, ſolche Muthmaßungen an die Hand geben
will, die ſelbſt Koͤnigen und Fuͤrſten nicht gleichguͤl-
tig ſeyn duͤrften. Dennoch ſchaͤtze ich dieſe meine hi-
ſtoriſche Entdekungen ſehr gering gegen diejenigen,
die etwas beitragen koͤnnen den moraliſchen Zuſtand
des Menſchen zu verbeßern. Wie, wann ich aus die-
ſem Buche, von dem kuͤnftigen Zuſtande der Auser-
waͤhlten die ſicherſten Schluͤße ziehen, wenn ich (hier
funkelten dem ehrlichen Sebaldus die Augen)
aus demſelben die Lehre, die Sie wie ich verab-
ſcheuen, die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen, gaͤnzlich
wiederlegen, und deutlich zeigen koͤnte, wie in Got-
tes Haushaltung alle Beſtrafung auf Beßerung
abzielen muß und wird — koͤnte dis dem menſchlichen
Geſchlechte gleichguͤltig ſeyn?
Mag. Mein Freund, Sie haben wirklich eine
gute Anlage zum Schriftſteller, Sie kommen in Feuer
wenn Sie von Jhrem Buche reden. Doch ſcheint
es mir, indem Sie mir beweiſen wollen, daß die
Ruhmſucht nicht der Bewegungsgrund Jhres Schrei-
bens iſt, ſo ruͤhmen Sie ſich ſo ſehr als man ſich ruͤh-
men kann.
Seb.
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