Neben der Dachstube des Sebaldus, wohnete auf einer andern Dachstube ein alter Magister, mit dem er bald Bekanntschaft machte, und mit ihm in kurzen vertraut wurde, weil es sich äusserte, daß der- selbe, so wie er, an der Ewigkeit der Höllenstrafen zwei- felte. Dieser Mann hatte gründliche Kenntnisse der alten Sprachen und alles dessen, was zur Philologie gehört. Er hatte die alten griechischen Philosophen fleißig gelesen, und sie mit den Schriften neuerer Phi- losophen verglichen, wodurch er gute Einsichten in die Philosophie erlanget hatte. Aber weil seine Kennt- nisse nicht nach nach der Mode zugeschnitten waren, und weil er, sobald er mit Menschen reden solte, über- aus schüchtern und ängstlich war, so hatte er sich nie getraut, um ein Amt, selbst nicht um ein Schulamt anzuhalten, man würde es ihm vielleicht auch nicht gegeben haben. Er war daher als Corrector bey ver- schiedenen Druckereyen, grau worden. Er kennte alle Vorfälle des Verleger- und Autorgewerbes. Denn gleichwie ein Lichtputzer in der Comödie, zuweilen einen stummen Staatsminister oder einen redenden Lakayen vorstellen muß; so war auch er, obgleich eigentlich nur ein Corrector, dennoch von seinem Verleger oft zum Uebersetzer, ja wohl gar zum Schreiber einer zuverläßigen Nachricht, oder schrift-
und
Neben der Dachſtube des Sebaldus, wohnete auf einer andern Dachſtube ein alter Magiſter, mit dem er bald Bekanntſchaft machte, und mit ihm in kurzen vertraut wurde, weil es ſich aͤuſſerte, daß der- ſelbe, ſo wie er, an der Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen zwei- felte. Dieſer Mann hatte gruͤndliche Kenntniſſe der alten Sprachen und alles deſſen, was zur Philologie gehoͤrt. Er hatte die alten griechiſchen Philoſophen fleißig geleſen, und ſie mit den Schriften neuerer Phi- loſophen verglichen, wodurch er gute Einſichten in die Philoſophie erlanget hatte. Aber weil ſeine Kennt- niſſe nicht nach nach der Mode zugeſchnitten waren, und weil er, ſobald er mit Menſchen reden ſolte, uͤber- aus ſchuͤchtern und aͤngſtlich war, ſo hatte er ſich nie getraut, um ein Amt, ſelbſt nicht um ein Schulamt anzuhalten, man wuͤrde es ihm vielleicht auch nicht gegeben haben. Er war daher als Corrector bey ver- ſchiedenen Druckereyen, grau worden. Er kennte alle Vorfaͤlle des Verleger- und Autorgewerbes. Denn gleichwie ein Lichtputzer in der Comoͤdie, zuweilen einen ſtummen Staatsminiſter oder einen redenden Lakayen vorſtellen muß; ſo war auch er, obgleich eigentlich nur ein Corrector, dennoch von ſeinem Verleger oft zum Ueberſetzer, ja wohl gar zum Schreiber einer zuverlaͤßigen Nachricht, oder ſchrift-
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Neben der Dachſtube des Sebaldus, wohnete
auf einer andern Dachſtube ein alter Magiſter, mit
dem er bald Bekanntſchaft machte, und mit ihm in
kurzen vertraut wurde, weil es ſich aͤuſſerte, daß der-
ſelbe, ſo wie er, an der Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen zwei-
felte. Dieſer Mann hatte gruͤndliche Kenntniſſe der
alten Sprachen und alles deſſen, was zur Philologie
gehoͤrt. Er hatte die alten griechiſchen Philoſophen
fleißig geleſen, und ſie mit den Schriften neuerer Phi-
loſophen verglichen, wodurch er gute Einſichten in die
Philoſophie erlanget hatte. Aber weil ſeine Kennt-
niſſe nicht nach nach der Mode zugeſchnitten waren,
und weil er, ſobald er mit Menſchen reden ſolte, uͤber-
aus ſchuͤchtern und aͤngſtlich war, ſo hatte er ſich nie
getraut, um ein Amt, ſelbſt nicht um ein Schulamt
anzuhalten, man wuͤrde es ihm vielleicht auch nicht
gegeben haben. Er war daher als Corrector bey ver-
ſchiedenen Druckereyen, grau worden. Er kennte alle
Vorfaͤlle des Verleger- und Autorgewerbes. Denn
gleichwie ein Lichtputzer in der Comoͤdie, zuweilen einen
ſtummen Staatsminiſter oder einen redenden Lakayen
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nur ein Corrector, dennoch von ſeinem Verleger
oft zum Ueberſetzer, ja wohl gar zum Schreiber
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/104>, abgerufen am 22.07.2024.
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