Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>


Leser zu vergnügen, mit sich bringt. Jn die-
ser wahrhaftigen Lebensbeschreibung hinge-
gen, wollen wir nichts der Anmuth oder des
Wunderbaren wegen erdichten, sondern al-
les ganz einfältig erzählen, wie es vorgegan-
gen ist. Es wird uns dazu nicht wenig be-
förderlich seyn, daß wir das Leben unsers
Dorfpastors erst nach seiner Heurath zu be-
schreiben anfangen dürfen, indem schon ein
anderer Verfasser die Liebesbegebenheiten des-
selben vor der Heurath, in dem bekannten
prosaisch- komischen Gedichte Wilhel-
mine, beschrieben hat.

Freilich ist dieser Verfasser ein Poet, und
ist daher nicht, wie es einem gründlichen Ge-
schichtskundigen gebühret, beflissen gewesen,
eine richtige Chronologie zu beobachten und
seine Erzählungen von allen Erdichtungen
rein zu erhalten. Es sind daher manche Um-
stände sehr verdächtig, und er scheint nicht
im Stande zu seyn, eine einzige von seinen

Erzäh-


Leſer zu vergnuͤgen, mit ſich bringt. Jn die-
ſer wahrhaftigen Lebensbeſchreibung hinge-
gen, wollen wir nichts der Anmuth oder des
Wunderbaren wegen erdichten, ſondern al-
les ganz einfaͤltig erzaͤhlen, wie es vorgegan-
gen iſt. Es wird uns dazu nicht wenig be-
foͤrderlich ſeyn, daß wir das Leben unſers
Dorfpaſtors erſt nach ſeiner Heurath zu be-
ſchreiben anfangen duͤrfen, indem ſchon ein
anderer Verfaſſer die Liebesbegebenheiten deſ-
ſelben vor der Heurath, in dem bekannten
proſaiſch- komiſchen Gedichte Wilhel-
mine, beſchrieben hat.

Freilich iſt dieſer Verfaſſer ein Poet, und
iſt daher nicht, wie es einem gruͤndlichen Ge-
ſchichtskundigen gebuͤhret, befliſſen geweſen,
eine richtige Chronologie zu beobachten und
ſeine Erzaͤhlungen von allen Erdichtungen
rein zu erhalten. Es ſind daher manche Um-
ſtaͤnde ſehr verdaͤchtig, und er ſcheint nicht
im Stande zu ſeyn, eine einzige von ſeinen

Erzaͤh-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0010"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Le&#x017F;er zu vergnu&#x0364;gen, mit &#x017F;ich bringt. Jn die-<lb/>
&#x017F;er wahrhaftigen Lebensbe&#x017F;chreibung hinge-<lb/>
gen, wollen wir nichts der Anmuth oder des<lb/>
Wunderbaren wegen erdichten, &#x017F;ondern al-<lb/>
les ganz einfa&#x0364;ltig erza&#x0364;hlen, wie es vorgegan-<lb/>
gen i&#x017F;t. Es wird uns dazu nicht wenig be-<lb/>
fo&#x0364;rderlich &#x017F;eyn, daß wir das Leben un&#x017F;ers<lb/>
Dorfpa&#x017F;tors er&#x017F;t nach &#x017F;einer Heurath zu be-<lb/>
&#x017F;chreiben anfangen du&#x0364;rfen, indem &#x017F;chon ein<lb/>
anderer Verfa&#x017F;&#x017F;er die Liebesbegebenheiten de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben vor der Heurath, in dem bekannten<lb/>
pro&#x017F;ai&#x017F;ch- komi&#x017F;chen Gedichte <hi rendition="#fr">Wilhel-<lb/>
mine,</hi> be&#x017F;chrieben hat.</p><lb/>
        <p>Freilich i&#x017F;t die&#x017F;er Verfa&#x017F;&#x017F;er ein Poet, und<lb/>
i&#x017F;t daher nicht, wie es einem gru&#x0364;ndlichen Ge-<lb/>
&#x017F;chichtskundigen gebu&#x0364;hret, befli&#x017F;&#x017F;en gewe&#x017F;en,<lb/>
eine richtige Chronologie zu beobachten und<lb/>
&#x017F;eine Erza&#x0364;hlungen von allen Erdichtungen<lb/>
rein zu erhalten. Es &#x017F;ind daher manche Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ehr verda&#x0364;chtig, und er &#x017F;cheint nicht<lb/>
im Stande zu &#x017F;eyn, eine einzige von &#x017F;einen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Erza&#x0364;h-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0010] Leſer zu vergnuͤgen, mit ſich bringt. Jn die- ſer wahrhaftigen Lebensbeſchreibung hinge- gen, wollen wir nichts der Anmuth oder des Wunderbaren wegen erdichten, ſondern al- les ganz einfaͤltig erzaͤhlen, wie es vorgegan- gen iſt. Es wird uns dazu nicht wenig be- foͤrderlich ſeyn, daß wir das Leben unſers Dorfpaſtors erſt nach ſeiner Heurath zu be- ſchreiben anfangen duͤrfen, indem ſchon ein anderer Verfaſſer die Liebesbegebenheiten deſ- ſelben vor der Heurath, in dem bekannten proſaiſch- komiſchen Gedichte Wilhel- mine, beſchrieben hat. Freilich iſt dieſer Verfaſſer ein Poet, und iſt daher nicht, wie es einem gruͤndlichen Ge- ſchichtskundigen gebuͤhret, befliſſen geweſen, eine richtige Chronologie zu beobachten und ſeine Erzaͤhlungen von allen Erdichtungen rein zu erhalten. Es ſind daher manche Um- ſtaͤnde ſehr verdaͤchtig, und er ſcheint nicht im Stande zu ſeyn, eine einzige von ſeinen Erzaͤh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/10
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/10>, abgerufen am 22.12.2024.