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Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

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IV.
Pittakus ein Lesbier von
Mitylenen.

PJTTAKUS/ dessen Vater Hyrrha-
dius ist seines Herkommens ein Les bier
und auß der Stadt Mitylene bürtig ge-
wesen. Dieser hat neben des Alcei Ge-
brüdern den Tyrannen Melanchrum auß der Jn-
sel Lesbus verjaget; Und als die rechtmessige Be-
sitzung des Achillitidischen Feldes zwischen den
Atheniensern und Mitylenern sehr streitig war/
hat er/ als damaliger Oberhcerführer/ deßwegen
den Atheniensischen Fürsten Phrynon/ welcher in
den Olympischen Streitspielen den Sieg davon
getragen/ in einem sonderlichen Kampf herauß
gefordert/ und in dem er ein zartes Netz hinter sei-
nem Schilde verborgen gehalten/ den Phrynon/
welcher sich solches nicht versehen/ mit einer son-
derlichen: Geschwindigkeit verwikkelt/ ertödtet/
und also nicht allein den Sieg/ sondern auch ge-
dachtes Feld erhalten. Weßwegen die Mitylener
ihm grosse Ehre erwiesen/ und ihm zu ihrem Her-
tzog erwehlet. Als er aber zehen Jahr löblich re-
gieret/ und die Policey mit stattlichen Ordnungen
versehen/ hat er aus eigenem Antrieb seine Herr-
schafft aufgekündiget und selbst abgedanket. Wor-
nach er noch zehen Jahre gelebet.

Als Kraesus ihm eine Summa Geldes über-
schikket/ hat er es nicht wollen annehmen/ sondern
gesagt/ daß er selbst zweymahl so viel mehr habe/
als ihm lieb wäre. Denn er wuste wol/ daß ihm die

Erb-
p vj
IV.
Pittakus ein Leſbier von
Mitylenen.

PJTTAKUS/ deſſen Vater Hyrrha-
dius iſt ſeines Herkommens ein Leſ bier
und auß der Stadt Mitylene buͤrtig ge-
weſen. Dieſer hat neben des Alcei Ge-
bruͤdern den Tyrannen Melanchrum auß der Jn-
ſel Leſbus verjaget; Und als die rechtmeſſige Be-
ſitzung des Achillitidiſchen Feldes zwiſchen den
Athenienſern und Mitylenern ſehr ſtreitig war/
hat er/ als damaliger Oberhcerfuͤhrer/ deßwegen
den Athenienſiſchen Fuͤrſten Phrynon/ welcher in
den Olympiſchen Streitſpielen den Sieg davon
getragen/ in einem ſonderlichen Kampf herauß
gefordert/ und in dem er ein zartes Netz hinter ſei-
nem Schilde verborgen gehalten/ den Phrynon/
welcher ſich ſolches nicht verſehen/ mit einer ſon-
derlichen: Geſchwindigkeit verwikkelt/ ertoͤdtet/
und alſo nicht allein den Sieg/ ſondern auch ge-
dachtes Feld erhalten. Weßwegen die Mitylener
ihm groſſe Ehre erwieſen/ und ihm zu ihrem Her-
tzog erwehlet. Als er aber zehen Jahr loͤblich re-
gieret/ und die Policey mit ſtattlichen Ordnungen
verſehen/ hat er aus eigenem Antrieb ſeine Herꝛ-
ſchafft aufgekuͤndiget und ſelbſt abgedanket. Wor-
nach er noch zehen Jahre gelebet.

Als Kræſus ihm eine Summa Geldes uͤber-
ſchikket/ hat er es nicht wollen annehmen/ ſondern
geſagt/ daß er ſelbſt zweymahl ſo viel mehr habe/
als ihm lieb waͤre. Denn er wuſte wol/ daß ihm die

Erb-
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[347/0433] IV. Pittakus ein Leſbier von Mitylenen. PJTTAKUS/ deſſen Vater Hyrrha- dius iſt ſeines Herkommens ein Leſ bier und auß der Stadt Mitylene buͤrtig ge- weſen. Dieſer hat neben des Alcei Ge- bruͤdern den Tyrannen Melanchrum auß der Jn- ſel Leſbus verjaget; Und als die rechtmeſſige Be- ſitzung des Achillitidiſchen Feldes zwiſchen den Athenienſern und Mitylenern ſehr ſtreitig war/ hat er/ als damaliger Oberhcerfuͤhrer/ deßwegen den Athenienſiſchen Fuͤrſten Phrynon/ welcher in den Olympiſchen Streitſpielen den Sieg davon getragen/ in einem ſonderlichen Kampf herauß gefordert/ und in dem er ein zartes Netz hinter ſei- nem Schilde verborgen gehalten/ den Phrynon/ welcher ſich ſolches nicht verſehen/ mit einer ſon- derlichen: Geſchwindigkeit verwikkelt/ ertoͤdtet/ und alſo nicht allein den Sieg/ ſondern auch ge- dachtes Feld erhalten. Weßwegen die Mitylener ihm groſſe Ehre erwieſen/ und ihm zu ihrem Her- tzog erwehlet. Als er aber zehen Jahr loͤblich re- gieret/ und die Policey mit ſtattlichen Ordnungen verſehen/ hat er aus eigenem Antrieb ſeine Herꝛ- ſchafft aufgekuͤndiget und ſelbſt abgedanket. Wor- nach er noch zehen Jahre gelebet. Als Kræſus ihm eine Summa Geldes uͤber- ſchikket/ hat er es nicht wollen annehmen/ ſondern geſagt/ daß er ſelbſt zweymahl ſo viel mehr habe/ als ihm lieb waͤre. Denn er wuſte wol/ daß ihm die Erb- p vj

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/433>, abgerufen am 18.06.2024.