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Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

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die erhöhete Fryne-Bozene.
auch sonderlich berühmt wegen des obgedachten Lustohrtes
Tempe.
4. Fares/ war ein armer alter Bauer/ lebete im Wit-
wenstande/ und hatte sonst kein Kind gehabt als die Fryne Bo-
zene/ welche ihm sein Vieh geweidet/ wohnete nur etwan eine
halbe Meile von Prage/ auf einem schlechten Dorffe.
5. Achates war ein vornehmer Kammerherr und ver-
trauter Hertzensfreund des Fürsten Huldenreichs/ ein Mann
von sehr klugen Anschlägen/ und der die Gerechtigkeit über-
aus lieb gehabt. Welches denn aus gegenwertiger Geschicht
sattsam erhellet.
6. Was dort Libusse that.

Libusse war des anderen Hertzogs in Böhmen Krokus dritte
und jüngste Tochter/ schön/ keusch/ höflich/ leutselig/ in ihren
Reden ernsthaftig/ in Rahtschlägen klug/ vorsichtig und ver-
schmitzt. Kurtz/ sie war eine Krohne/ und Auszug aller
Frauenbilder. Wie aber kein Mensch so vollkommen/ daß er
nicht seinen Mangel haben solte/ also erschien auch solches an
Libussen/ in dem/ daß sie in der Schwartzenkunst und Potho-
nischen Wissenschaft sehr erfahren war. Was sonst anlan-
get ihr Regiment/ war solches gerecht/ löblich/ und den Unter-
thanen sehr angenehm/ biß ihnen solches durch einen sonder-
lichen Fall verhasst gemacht wurde. Denn als einsmals zwi-
schen zweyen vornehmen Herren des Landes/ ein grosser
Streit entstanden wegen der Granntze ihrer Güter/ und sol-
ches an die Fürstinn/ umb das Recht zu sprächen/ gelangete/
hat Sie dem geringern Bepfall gegeben/ und ihm ein gutes Ur-
theil wider seinen Gegentheil ertheilet. Worauf der Andere/
als ein mächtiger und angesehener Mann sich sehr erzörnet/
die Fürstin mit vielen Schimpfworten angefahren; die mei-
sten Herren/ ja fast die gantze Gemeine mit Worten an sich
gezogen/ und gebeten/ daß man doch solch weiblich Regiment
abschaffen/ und daß so ein berühmtes Land/ so viel vornehme
Herren/ und ein solches Volk unter der Botmessigkeit eines
einigen schwachen/ und leichtirrenden Frauenbildes sey/ nicht
länger dulden wolle. Welche Schmäheworte Sie alle gedül-
dig erlitten und ihrem Begehren eingewilliget. Des anderu
Tages/ als die Gemeine auf Jhren Befehl sich häuffig ver-
samlet hatte, redete sie also zu dem Volke:
Jhr lieben Böhmen/ ihr wisset/ daß ich euch biß auf diesen
die erhoͤhete Fryne-Bozene.
auch ſonderlich beruͤhmt wegen des obgedachten Luſtohrtes
Tempe.
4. Fares/ war ein armer alter Bauer/ lebete im Wit-
wenſtande/ und hatte ſonſt kein Kind gehabt als die Fryne Bo-
zene/ welche ihm ſein Vieh geweidet/ wohnete nur etwan eine
halbe Meile von Prage/ auf einem ſchlechten Dorffe.
5. Achates war ein vornehmer Kammerherꝛ und ver-
trauter Hertzensfreund des Fuͤrſten Huldenreichs/ ein Mann
von ſehr klugen Anſchlaͤgen/ und der die Gerechtigkeit uͤber-
aus lieb gehabt. Welches denn aus gegenwertiger Geſchicht
ſattſam erhellet.
6. Was dort Libuſſe that.

Libuſſe war des anderen Hertzogs in Boͤhmen Krokus dritte
und juͤngſte Tochter/ ſchoͤn/ keuſch/ hoͤflich/ leutſelig/ in ihren
Reden ernſthaftig/ in Rahtſchlaͤgen klug/ vorſichtig und ver-
ſchmitzt. Kurtz/ ſie war eine Krohne/ und Auszug aller
Frauenbilder. Wie aber kein Menſch ſo vollkommen/ daß er
nicht ſeinen Mangel haben ſolte/ alſo erſchien auch ſolches an
Libuſſen/ in dem/ daß ſie in der Schwartzenkunſt und Potho-
niſchen Wiſſenſchaft ſehr erfahren war. Was ſonſt anlan-
get ihr Regiment/ war ſolches gerecht/ loͤblich/ und den Unter-
thanen ſehr angenehm/ biß ihnen ſolches durch einen ſonder-
lichen Fall verhaſſt gemacht wurde. Denn als einsmals zwi-
ſchen zweyen vornehmen Herren des Landes/ ein groſſer
Streit entſtanden wegen der Grāntze ihrer Guͤter/ und ſol-
ches an die Fuͤrſtinn/ umb das Recht zu ſpraͤchen/ gelangete/
hat Sie dem geringern Bepfall gegeben/ und ihm ein gutes Ur-
theil wider ſeinen Gegentheil ertheilet. Worauf der Andere/
als ein maͤchtiger und angeſehener Mann ſich ſehr erzoͤrnet/
die Fuͤrſtin mit vielen Schimpfworten angefahren; die mei-
ſten Herren/ ja faſt die gantze Gemeine mit Worten an ſich
gezogen/ und gebeten/ daß man doch ſolch weiblich Regiment
abſchaffen/ und daß ſo ein beruͤhmtes Land/ ſo viel vornehme
Herren/ und ein ſolches Volk unter der Botmeſſigkeit eines
einigen ſchwachen/ und leichtirrenden Frauenbildes ſey/ nicht
laͤnger dulden wolle. Welche Schmaͤheworte Sie alle geduͤl-
dig erlitten und ihrem Begehren eingewilliget. Des anderu
Tages/ als die Gemeine auf Jhren Befehl ſich haͤuffig ver-
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[165/0227] die erhoͤhete Fryne-Bozene. ³. auch ſonderlich beruͤhmt wegen des obgedachten Luſtohrtes Tempe. ⁴. Fares/ war ein armer alter Bauer/ lebete im Wit- wenſtande/ und hatte ſonſt kein Kind gehabt als die Fryne Bo- zene/ welche ihm ſein Vieh geweidet/ wohnete nur etwan eine halbe Meile von Prage/ auf einem ſchlechten Dorffe. ⁵. Achates war ein vornehmer Kammerherꝛ und ver- trauter Hertzensfreund des Fuͤrſten Huldenreichs/ ein Mann von ſehr klugen Anſchlaͤgen/ und der die Gerechtigkeit uͤber- aus lieb gehabt. Welches denn aus gegenwertiger Geſchicht ſattſam erhellet. ⁶. Was dort Libuſſe that. Libuſſe war des anderen Hertzogs in Boͤhmen Krokus dritte und juͤngſte Tochter/ ſchoͤn/ keuſch/ hoͤflich/ leutſelig/ in ihren Reden ernſthaftig/ in Rahtſchlaͤgen klug/ vorſichtig und ver- ſchmitzt. Kurtz/ ſie war eine Krohne/ und Auszug aller Frauenbilder. Wie aber kein Menſch ſo vollkommen/ daß er nicht ſeinen Mangel haben ſolte/ alſo erſchien auch ſolches an Libuſſen/ in dem/ daß ſie in der Schwartzenkunſt und Potho- niſchen Wiſſenſchaft ſehr erfahren war. Was ſonſt anlan- get ihr Regiment/ war ſolches gerecht/ loͤblich/ und den Unter- thanen ſehr angenehm/ biß ihnen ſolches durch einen ſonder- lichen Fall verhaſſt gemacht wurde. Denn als einsmals zwi- ſchen zweyen vornehmen Herren des Landes/ ein groſſer Streit entſtanden wegen der Grāntze ihrer Guͤter/ und ſol- ches an die Fuͤrſtinn/ umb das Recht zu ſpraͤchen/ gelangete/ hat Sie dem geringern Bepfall gegeben/ und ihm ein gutes Ur- theil wider ſeinen Gegentheil ertheilet. Worauf der Andere/ als ein maͤchtiger und angeſehener Mann ſich ſehr erzoͤrnet/ die Fuͤrſtin mit vielen Schimpfworten angefahren; die mei- ſten Herren/ ja faſt die gantze Gemeine mit Worten an ſich gezogen/ und gebeten/ daß man doch ſolch weiblich Regiment abſchaffen/ und daß ſo ein beruͤhmtes Land/ ſo viel vornehme Herren/ und ein ſolches Volk unter der Botmeſſigkeit eines einigen ſchwachen/ und leichtirrenden Frauenbildes ſey/ nicht laͤnger dulden wolle. Welche Schmaͤheworte Sie alle geduͤl- dig erlitten und ihrem Begehren eingewilliget. Des anderu Tages/ als die Gemeine auf Jhren Befehl ſich haͤuffig ver- ſamlet hatte, redete ſie alſo zu dem Volke: Jhr lieben Boͤhmen/ ihr wiſſet/ daß ich euch biß auf dieſen Tag

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/227>, abgerufen am 22.11.2024.