mein Mann war, so trug ich doch kein Beden- ken, mich in meinen Wünschen gegen ihn aus- zusprechen. Seine kurze Antwort war: "Daraus kann nichts werden. Und wenn ich selbst der Commandant wäre, würd' ich es nimmermehr zugeben." -- Nun, das war kurz und deutlich; und so verließ er mich auch und gieng die Treppe hinauf.
Aber ich blieb auch nicht dahinten, und folgte ihm auf der Ferse, bis er in den Gesellschafts- Saal eintrat und die Thüre hart hinter sich zu- zog. Deß war ich nicht gewohnt an diesem Orte; ich bedachte mich also, im Vertrauen auf meine gute Sache, auch nicht, fein säuberlich anzu- klopfen und unmittelbar darauf einzutreten. Mei- ne Augen suchten den Commandanten; er saß, dem General Loison zur Seite, an der Tafel. Kaum ward er Meiner ansichtig, so stand er auf und trat mir einige Schritte entgegen. Mit lei- ser Stimme trug ich ihm kurz vor, was zur Sache gehörte und was sichtbar seine volle Auf- merksamkeit beschäftigte. "Die armen Leute!" rief er dann -- "Ja, Nettelbeck! Laß sie in Got- tes Namen bauen!" -- Zugleich füllte er mir ein Glas Wein; ich dankte; und nahm mir, im Davoneilen, nur noch die Zeit, dem Hrn. v. S., der gleichfalls zu Tische saß, eine lächelnde Ver- beugung zu machen.
Aber nicht um diesen kleinen Triumph war mir's zu thun, sondern, um dem kummervollen
(11 *)
mein Mann war, ſo trug ich doch kein Beden- ken, mich in meinen Wuͤnſchen gegen ihn aus- zuſprechen. Seine kurze Antwort war: „Daraus kann nichts werden. Und wenn ich ſelbſt der Commandant waͤre, wuͤrd’ ich es nimmermehr zugeben.‟ — Nun, das war kurz und deutlich; und ſo verließ er mich auch und gieng die Treppe hinauf.
Aber ich blieb auch nicht dahinten, und folgte ihm auf der Ferſe, bis er in den Geſellſchafts- Saal eintrat und die Thuͤre hart hinter ſich zu- zog. Deß war ich nicht gewohnt an dieſem Orte; ich bedachte mich alſo, im Vertrauen auf meine gute Sache, auch nicht, fein ſaͤuberlich anzu- klopfen und unmittelbar darauf einzutreten. Mei- ne Augen ſuchten den Commandanten; er ſaß, dem General Loiſon zur Seite, an der Tafel. Kaum ward er Meiner anſichtig, ſo ſtand er auf und trat mir einige Schritte entgegen. Mit lei- ſer Stimme trug ich ihm kurz vor, was zur Sache gehoͤrte und was ſichtbar ſeine volle Auf- merkſamkeit beſchaͤftigte. „Die armen Leute!‟ rief er dann — „Ja, Nettelbeck! Laß ſie in Got- tes Namen bauen!‟ — Zugleich fuͤllte er mir ein Glas Wein; ich dankte; und nahm mir, im Davoneilen, nur noch die Zeit, dem Hrn. v. S., der gleichfalls zu Tiſche ſaß, eine laͤchelnde Ver- beugung zu machen.
Aber nicht um dieſen kleinen Triumph war mir’s zu thun, ſondern, um dem kummervollen
(11 *)
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mein Mann war, ſo trug ich doch kein Beden-
ken, mich in meinen Wuͤnſchen gegen ihn aus-
zuſprechen. Seine kurze Antwort war: „Daraus
kann nichts werden. Und wenn ich ſelbſt der
Commandant waͤre, wuͤrd’ ich es nimmermehr
zugeben.‟ — Nun, das war kurz und deutlich;
und ſo verließ er mich auch und gieng die Treppe
hinauf.
Aber ich blieb auch nicht dahinten, und folgte
ihm auf der Ferſe, bis er in den Geſellſchafts-
Saal eintrat und die Thuͤre hart hinter ſich zu-
zog. Deß war ich nicht gewohnt an dieſem Orte;
ich bedachte mich alſo, im Vertrauen auf meine
gute Sache, auch nicht, fein ſaͤuberlich anzu-
klopfen und unmittelbar darauf einzutreten. Mei-
ne Augen ſuchten den Commandanten; er ſaß,
dem General Loiſon zur Seite, an der Tafel.
Kaum ward er Meiner anſichtig, ſo ſtand er auf
und trat mir einige Schritte entgegen. Mit lei-
ſer Stimme trug ich ihm kurz vor, was zur
Sache gehoͤrte und was ſichtbar ſeine volle Auf-
merkſamkeit beſchaͤftigte. „Die armen Leute!‟
rief er dann — „Ja, Nettelbeck! Laß ſie in Got-
tes Namen bauen!‟ — Zugleich fuͤllte er mir
ein Glas Wein; ich dankte; und nahm mir, im
Davoneilen, nur noch die Zeit, dem Hrn. v. S.,
der gleichfalls zu Tiſche ſaß, eine laͤchelnde Ver-
beugung zu machen.
Aber nicht um dieſen kleinen Triumph war
mir’s zu thun, ſondern, um dem kummervollen
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/179>, abgerufen am 18.07.2024.
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