Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

begeben hat. Oft bringt ihnen ein Schiff
einen ganzen Jahrgang alter Zeitungen auf
einmal, die zwar den vollen Reiz der Neu-
heit für sie haben, aber ihrer Wißbegier den-
noch nicht in dem Maaße genügen, daß ihnen
nicht auch noch manche mündliche Erläute-
rung zu wünschen übrig bliebe. Hiezu kömmt,
daß ein großer Theil der hier Angestellten
aus deutschen Landsleuten besteht, die inson-
derheit auch von ihrem lieben Vaterlande
hören wollen und darinn kaum zu ersättigen
sind.

Jn diesem Falle war nun auch der Gou-
verneur, der sich auf's Ausfragen verstand,
wie irgend Einer; dagegen aber auch ebenso-
wenig mit Mittheilungen aus seiner eigenen
Lebensgeschichte gegen mich zurückhielt. Er
war aus Grüningen gebürtig, hatte daselbst
das Metzger-Handwerk erlernt und ein Weib
genommen, dessen Untreue aber ihn endlich
zu dem raschen Entschlusse gebracht, sie zu
verlassen und in alle Welt zu gehen. So
war er nach Holland gerathen, als gemeiner
Soldat nach der Küste von Guinea gegangen,
hier allmählig zu höhern Militair-Graden
emporgestiegen und endlich nicht nur Befehls-
haber im Fort St. George de la Mina, son-
dern auch über alle holländische Besitzungen
in dieser Weltgegend geworden. Sein Titel

begeben hat. Oft bringt ihnen ein Schiff
einen ganzen Jahrgang alter Zeitungen auf
einmal, die zwar den vollen Reiz der Neu-
heit fuͤr ſie haben, aber ihrer Wißbegier den-
noch nicht in dem Maaße genuͤgen, daß ihnen
nicht auch noch manche muͤndliche Erlaͤute-
rung zu wuͤnſchen uͤbrig bliebe. Hiezu koͤmmt,
daß ein großer Theil der hier Angeſtellten
aus deutſchen Landsleuten beſteht, die inſon-
derheit auch von ihrem lieben Vaterlande
hoͤren wollen und darinn kaum zu erſaͤttigen
ſind.

Jn dieſem Falle war nun auch der Gou-
verneur, der ſich auf’s Ausfragen verſtand,
wie irgend Einer; dagegen aber auch ebenſo-
wenig mit Mittheilungen aus ſeiner eigenen
Lebensgeſchichte gegen mich zuruͤckhielt. Er
war aus Gruͤningen gebuͤrtig, hatte daſelbſt
das Metzger-Handwerk erlernt und ein Weib
genommen, deſſen Untreue aber ihn endlich
zu dem raſchen Entſchluſſe gebracht, ſie zu
verlaſſen und in alle Welt zu gehen. So
war er nach Holland gerathen, als gemeiner
Soldat nach der Kuͤſte von Guinea gegangen,
hier allmaͤhlig zu hoͤhern Militair-Graden
emporgeſtiegen und endlich nicht nur Befehls-
haber im Fort St. George de la Mina, ſon-
dern auch uͤber alle hollaͤndiſche Beſitzungen
in dieſer Weltgegend geworden. Sein Titel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="27"/>
begeben hat. Oft bringt ihnen ein Schiff<lb/>
einen ganzen Jahrgang alter Zeitungen auf<lb/>
einmal, die zwar den vollen Reiz der Neu-<lb/>
heit fu&#x0364;r &#x017F;ie haben, aber ihrer Wißbegier den-<lb/>
noch nicht in dem Maaße genu&#x0364;gen, daß ihnen<lb/>
nicht auch noch manche mu&#x0364;ndliche Erla&#x0364;ute-<lb/>
rung zu wu&#x0364;n&#x017F;chen u&#x0364;brig bliebe. Hiezu ko&#x0364;mmt,<lb/>
daß ein großer Theil der hier Ange&#x017F;tellten<lb/>
aus deut&#x017F;chen Landsleuten be&#x017F;teht, die in&#x017F;on-<lb/>
derheit auch von ihrem lieben Vaterlande<lb/>
ho&#x0364;ren wollen und darinn kaum zu er&#x017F;a&#x0364;ttigen<lb/>
&#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Jn die&#x017F;em Falle war nun auch der Gou-<lb/>
verneur, der &#x017F;ich auf&#x2019;s Ausfragen ver&#x017F;tand,<lb/>
wie irgend Einer; dagegen aber auch eben&#x017F;o-<lb/>
wenig mit Mittheilungen aus &#x017F;einer eigenen<lb/>
Lebensge&#x017F;chichte gegen mich zuru&#x0364;ckhielt. Er<lb/>
war aus Gru&#x0364;ningen gebu&#x0364;rtig, hatte da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
das Metzger-Handwerk erlernt und ein Weib<lb/>
genommen, de&#x017F;&#x017F;en Untreue aber ihn endlich<lb/>
zu dem ra&#x017F;chen Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e gebracht, &#x017F;ie zu<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en und in alle Welt zu gehen. So<lb/>
war er nach Holland gerathen, als gemeiner<lb/>
Soldat nach der Ku&#x0364;&#x017F;te von Guinea gegangen,<lb/>
hier allma&#x0364;hlig zu ho&#x0364;hern Militair-Graden<lb/>
emporge&#x017F;tiegen und endlich nicht nur Befehls-<lb/>
haber im Fort St. George de la Mina, &#x017F;on-<lb/>
dern auch u&#x0364;ber alle holla&#x0364;ndi&#x017F;che Be&#x017F;itzungen<lb/>
in die&#x017F;er Weltgegend geworden. Sein Titel<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0031] begeben hat. Oft bringt ihnen ein Schiff einen ganzen Jahrgang alter Zeitungen auf einmal, die zwar den vollen Reiz der Neu- heit fuͤr ſie haben, aber ihrer Wißbegier den- noch nicht in dem Maaße genuͤgen, daß ihnen nicht auch noch manche muͤndliche Erlaͤute- rung zu wuͤnſchen uͤbrig bliebe. Hiezu koͤmmt, daß ein großer Theil der hier Angeſtellten aus deutſchen Landsleuten beſteht, die inſon- derheit auch von ihrem lieben Vaterlande hoͤren wollen und darinn kaum zu erſaͤttigen ſind. Jn dieſem Falle war nun auch der Gou- verneur, der ſich auf’s Ausfragen verſtand, wie irgend Einer; dagegen aber auch ebenſo- wenig mit Mittheilungen aus ſeiner eigenen Lebensgeſchichte gegen mich zuruͤckhielt. Er war aus Gruͤningen gebuͤrtig, hatte daſelbſt das Metzger-Handwerk erlernt und ein Weib genommen, deſſen Untreue aber ihn endlich zu dem raſchen Entſchluſſe gebracht, ſie zu verlaſſen und in alle Welt zu gehen. So war er nach Holland gerathen, als gemeiner Soldat nach der Kuͤſte von Guinea gegangen, hier allmaͤhlig zu hoͤhern Militair-Graden emporgeſtiegen und endlich nicht nur Befehls- haber im Fort St. George de la Mina, ſon- dern auch uͤber alle hollaͤndiſche Beſitzungen in dieſer Weltgegend geworden. Sein Titel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/31
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/31>, abgerufen am 21.11.2024.