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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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fiel. Die Engländer hatten das Verdeck des
angehaltenen Schiffes erfüllt, die Lucken des-
selben geöffnet, und waren im Begriff, eine
bedeutende Parthie Tabacks-Rollen auf das
Verdeck empor zu werfen. Der portugiesi-
sche Kapitain knirschte mit den Zähnen und
schoß wüthende Blicke auf mich; seine engli-
schen Herren Collegen aber, obwohl sie mir
etwas glimpflicher begegneten, waren doch
mit dem guten Rathe fertig, mich augen-
blicklich davonzupacken.

Je mehr ich sah und hörte, je wundersa-
mer und verdächtiger erschien mir der ganze
Handel. Jch hatte nur die Wahl, entweder
zu glauben, daß es zwischen der englischen
und portugiesischen Regierung zu einem plötz-
lichen Bruche gekommen, oder daß es die
Absicht der Engländer sey, ihre Uebermacht
hier zu einer gewaltsamen Beraubung zu
mißbrauchen. Beides aber ließ es noch im-
mer unerklärt, warum der Portugiese auch
mir Ohnmächtigen so gefliessentlich ausge-
wichen sey. Erst späterhin, als ich zu St.
George de la Mina angelangt war, sollte ich
den eigentlichen Zusammenhang dieses Räth-
sels erfahren.

Diese Ankunft erfolgte zwei Tage später,
nach jenem Vorfall; wo ich denn sofort mei-
nem Auftrage durch Ueberlieferung des Brief-
Felleisens und der dazu gehörigen Schlüssel

fiel. Die Englaͤnder hatten das Verdeck des
angehaltenen Schiffes erfuͤllt, die Lucken deſ-
ſelben geoͤffnet, und waren im Begriff, eine
bedeutende Parthie Tabacks-Rollen auf das
Verdeck empor zu werfen. Der portugieſi-
ſche Kapitain knirſchte mit den Zaͤhnen und
ſchoß wuͤthende Blicke auf mich; ſeine engli-
ſchen Herren Collegen aber, obwohl ſie mir
etwas glimpflicher begegneten, waren doch
mit dem guten Rathe fertig, mich augen-
blicklich davonzupacken.

Je mehr ich ſah und hoͤrte, je wunderſa-
mer und verdaͤchtiger erſchien mir der ganze
Handel. Jch hatte nur die Wahl, entweder
zu glauben, daß es zwiſchen der engliſchen
und portugieſiſchen Regierung zu einem ploͤtz-
lichen Bruche gekommen, oder daß es die
Abſicht der Englaͤnder ſey, ihre Uebermacht
hier zu einer gewaltſamen Beraubung zu
mißbrauchen. Beides aber ließ es noch im-
mer unerklaͤrt, warum der Portugieſe auch
mir Ohnmaͤchtigen ſo geflieſſentlich ausge-
wichen ſey. Erſt ſpaͤterhin, als ich zu St.
George de la Mina angelangt war, ſollte ich
den eigentlichen Zuſammenhang dieſes Raͤth-
ſels erfahren.

Dieſe Ankunft erfolgte zwei Tage ſpaͤter,
nach jenem Vorfall; wo ich denn ſofort mei-
nem Auftrage durch Ueberlieferung des Brief-
Felleiſens und der dazu gehoͤrigen Schluͤſſel

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[20/0024] fiel. Die Englaͤnder hatten das Verdeck des angehaltenen Schiffes erfuͤllt, die Lucken deſ- ſelben geoͤffnet, und waren im Begriff, eine bedeutende Parthie Tabacks-Rollen auf das Verdeck empor zu werfen. Der portugieſi- ſche Kapitain knirſchte mit den Zaͤhnen und ſchoß wuͤthende Blicke auf mich; ſeine engli- ſchen Herren Collegen aber, obwohl ſie mir etwas glimpflicher begegneten, waren doch mit dem guten Rathe fertig, mich augen- blicklich davonzupacken. Je mehr ich ſah und hoͤrte, je wunderſa- mer und verdaͤchtiger erſchien mir der ganze Handel. Jch hatte nur die Wahl, entweder zu glauben, daß es zwiſchen der engliſchen und portugieſiſchen Regierung zu einem ploͤtz- lichen Bruche gekommen, oder daß es die Abſicht der Englaͤnder ſey, ihre Uebermacht hier zu einer gewaltſamen Beraubung zu mißbrauchen. Beides aber ließ es noch im- mer unerklaͤrt, warum der Portugieſe auch mir Ohnmaͤchtigen ſo geflieſſentlich ausge- wichen ſey. Erſt ſpaͤterhin, als ich zu St. George de la Mina angelangt war, ſollte ich den eigentlichen Zuſammenhang dieſes Raͤth- ſels erfahren. Dieſe Ankunft erfolgte zwei Tage ſpaͤter, nach jenem Vorfall; wo ich denn ſofort mei- nem Auftrage durch Ueberlieferung des Brief- Felleiſens und der dazu gehoͤrigen Schluͤſſel

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/24>, abgerufen am 16.04.2024.