sahen. Roch auffallender aber war uns der Anblick eines Schiffes, etwa eine Meile nörd- lich vor uns, dem der große Mast fehlte, und das noch mancherlei andre sichtbare Spuren von Zertrümmerung zeigte; weshalb wir auch urtheilten, daß jene schwimmende Trümmer wohl von demselben herrühren möchten.
Abends um 8 Uhr, als wir des widrigen Windes wegen, uns gegen Norden legen mußten, und ich eben die Wache hatte, meldete mir der Auskucker, daß er nahe vor uns ein Schiff gewahr werde. Jch ließ sofort eine Laterne bei mir aushängen, und erwartete, daß auch Jenes, wie es der Gebrauch ist, ein Gleiches thun werde, damit wir nicht zu- nahe an einander geriethen und uns beschä- digten. Es geschah aber nicht; ich aber lief inzwischen so dicht an demselben vorüber, daß ich, trotz der Dunkelheit, deutlich erkennen konnte, wie ihm der große Mast und die Vor- stenge fehlten und die See schäumend über Bord hinstürzte. Es war also ohne Zweifel das nemliche Schiff, welches wir schon Tages zuvor erblickt hatten, und däuchtete mir von ziemlicher Größe zu seyn, aber steuerlos auf seiner Last zu treiben.
Jm Vorübersegeln rief ich es zu wieder- holten Malen durch das Sprachrohr mit Holla! Holla! an; erhielt jedoch keine Ant- wort, und mußte daraus schliessen, daß es
ſahen. Roch auffallender aber war uns der Anblick eines Schiffes, etwa eine Meile noͤrd- lich vor uns, dem der große Maſt fehlte, und das noch mancherlei andre ſichtbare Spuren von Zertruͤmmerung zeigte; weshalb wir auch urtheilten, daß jene ſchwimmende Truͤmmer wohl von demſelben herruͤhren moͤchten.
Abends um 8 Uhr, als wir des widrigen Windes wegen, uns gegen Norden legen mußten, und ich eben die Wache hatte, meldete mir der Auskucker, daß er nahe vor uns ein Schiff gewahr werde. Jch ließ ſofort eine Laterne bei mir aushaͤngen, und erwartete, daß auch Jenes, wie es der Gebrauch iſt, ein Gleiches thun werde, damit wir nicht zu- nahe an einander geriethen und uns beſchaͤ- digten. Es geſchah aber nicht; ich aber lief inzwiſchen ſo dicht an demſelben voruͤber, daß ich, trotz der Dunkelheit, deutlich erkennen konnte, wie ihm der große Maſt und die Vor- ſtenge fehlten und die See ſchaͤumend uͤber Bord hinſtuͤrzte. Es war alſo ohne Zweifel das nemliche Schiff, welches wir ſchon Tages zuvor erblickt hatten, und daͤuchtete mir von ziemlicher Groͤße zu ſeyn, aber ſteuerlos auf ſeiner Laſt zu treiben.
Jm Voruͤberſegeln rief ich es zu wieder- holten Malen durch das Sprachrohr mit Holla! Holla! an; erhielt jedoch keine Ant- wort, und mußte daraus ſchlieſſen, daß es
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ſahen. Roch auffallender aber war uns der
Anblick eines Schiffes, etwa eine Meile noͤrd-
lich vor uns, dem der große Maſt fehlte, und
das noch mancherlei andre ſichtbare Spuren
von Zertruͤmmerung zeigte; weshalb wir auch
urtheilten, daß jene ſchwimmende Truͤmmer
wohl von demſelben herruͤhren moͤchten.
Abends um 8 Uhr, als wir des widrigen
Windes wegen, uns gegen Norden legen mußten,
und ich eben die Wache hatte, meldete mir
der Auskucker, daß er nahe vor uns ein
Schiff gewahr werde. Jch ließ ſofort eine
Laterne bei mir aushaͤngen, und erwartete,
daß auch Jenes, wie es der Gebrauch iſt,
ein Gleiches thun werde, damit wir nicht zu-
nahe an einander geriethen und uns beſchaͤ-
digten. Es geſchah aber nicht; ich aber lief
inzwiſchen ſo dicht an demſelben voruͤber, daß
ich, trotz der Dunkelheit, deutlich erkennen
konnte, wie ihm der große Maſt und die Vor-
ſtenge fehlten und die See ſchaͤumend uͤber
Bord hinſtuͤrzte. Es war alſo ohne Zweifel
das nemliche Schiff, welches wir ſchon Tages
zuvor erblickt hatten, und daͤuchtete mir von
ziemlicher Groͤße zu ſeyn, aber ſteuerlos auf
ſeiner Laſt zu treiben.
Jm Voruͤberſegeln rief ich es zu wieder-
holten Malen durch das Sprachrohr mit
Holla! Holla! an; erhielt jedoch keine Ant-
wort, und mußte daraus ſchlieſſen, daß es
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/236>, abgerufen am 16.08.2024.
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