Anstalten fehlte es damals noch gar sehr in unserm Vaterlande. Auch darf ich mir wohl das Zeugniß geben, daß aus meinem Unter- richte nicht wenige Schiffs-Kapitaine und Steuermänner hervorgegangen sind, welche sich des, in ihre Geschicklichkeit und Anstelligkeit gesetzten Vertrauens überall werth erwiesen haben, und jetzt soviel Jhrer noch leben, auch schon mit Ehren graues Haar tragen. Einige von ihnen haben auch in der Folge hier in Colberg meine Stelle ersetzt und sich als Lehrer in der Steuermannskunst verdient ge- macht.
Da inzwischen die Lehrlinge in solchen Schulen den Sommer hindurch den prakti- schen Uebungen des Erlernten obzuliegen pfle- gen und der zu empfangende Unterricht meist nur ihre müßigen Wintermonate ausfüllt, so gab derselbe auch mir nicht hinreichende Be- schäftigung, deren mein unruhiger Geist den- noch sosehr bedurfte. Kurz, ich fühlte hier Langeweile; fühlte aber auch zugleich, daß ich an Geist und Leib noch keinesweges so flü- gellahm geworden, um unthätig hinter dem Ofen hocken zu müssen. Auf die Gefahr also, für wetterwendisch gehalten zu werden, will ich nur gestehen, daß mich nebenher doch immer wieder nach der eignen Führung eines tüchtigen Schiffs verlangte, und daß, da sich's damit nicht nach meinem Sinne
Anſtalten fehlte es damals noch gar ſehr in unſerm Vaterlande. Auch darf ich mir wohl das Zeugniß geben, daß aus meinem Unter- richte nicht wenige Schiffs-Kapitaine und Steuermaͤnner hervorgegangen ſind, welche ſich des, in ihre Geſchicklichkeit und Anſtelligkeit geſetzten Vertrauens uͤberall werth erwieſen haben, und jetzt ſoviel Jhrer noch leben, auch ſchon mit Ehren graues Haar tragen. Einige von ihnen haben auch in der Folge hier in Colberg meine Stelle erſetzt und ſich als Lehrer in der Steuermannskunſt verdient ge- macht.
Da inzwiſchen die Lehrlinge in ſolchen Schulen den Sommer hindurch den prakti- ſchen Uebungen des Erlernten obzuliegen pfle- gen und der zu empfangende Unterricht meiſt nur ihre muͤßigen Wintermonate ausfuͤllt, ſo gab derſelbe auch mir nicht hinreichende Be- ſchaͤftigung, deren mein unruhiger Geiſt den- noch ſoſehr bedurfte. Kurz, ich fuͤhlte hier Langeweile; fuͤhlte aber auch zugleich, daß ich an Geiſt und Leib noch keinesweges ſo fluͤ- gellahm geworden, um unthaͤtig hinter dem Ofen hocken zu muͤſſen. Auf die Gefahr alſo, fuͤr wetterwendiſch gehalten zu werden, will ich nur geſtehen, daß mich nebenher doch immer wieder nach der eignen Fuͤhrung eines tuͤchtigen Schiffs verlangte, und daß, da ſich’s damit nicht nach meinem Sinne
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Anſtalten fehlte es damals noch gar ſehr in
unſerm Vaterlande. Auch darf ich mir wohl
das Zeugniß geben, daß aus meinem Unter-
richte nicht wenige Schiffs-Kapitaine und
Steuermaͤnner hervorgegangen ſind, welche ſich
des, in ihre Geſchicklichkeit und Anſtelligkeit
geſetzten Vertrauens uͤberall werth erwieſen
haben, und jetzt ſoviel Jhrer noch leben, auch
ſchon mit Ehren graues Haar tragen. Einige
von ihnen haben auch in der Folge hier in
Colberg meine Stelle erſetzt und ſich als
Lehrer in der Steuermannskunſt verdient ge-
macht.
Da inzwiſchen die Lehrlinge in ſolchen
Schulen den Sommer hindurch den prakti-
ſchen Uebungen des Erlernten obzuliegen pfle-
gen und der zu empfangende Unterricht meiſt
nur ihre muͤßigen Wintermonate ausfuͤllt, ſo
gab derſelbe auch mir nicht hinreichende Be-
ſchaͤftigung, deren mein unruhiger Geiſt den-
noch ſoſehr bedurfte. Kurz, ich fuͤhlte hier
Langeweile; fuͤhlte aber auch zugleich, daß ich
an Geiſt und Leib noch keinesweges ſo fluͤ-
gellahm geworden, um unthaͤtig hinter dem
Ofen hocken zu muͤſſen. Auf die Gefahr
alſo, fuͤr wetterwendiſch gehalten zu werden,
will ich nur geſtehen, daß mich nebenher
doch immer wieder nach der eignen Fuͤhrung
eines tuͤchtigen Schiffs verlangte, und daß,
da ſich’s damit nicht nach meinem Sinne
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/120>, abgerufen am 01.05.2024.
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