und rannten auf dem Platze hin und her, um nicht vor Frost zu erstarren. Es ward uns aber warlich je länger je übler zu Muthe.
Das währte so fort, bis nach Mitter- nacht, wo wir Räder rasseln und ein Post- horn blasen hörten. Eine Kutsche hielt am Thore, und auch wir kamen hinter unsrer Scheune hervor, um zu sehen, was es gäbe? Bis die Thorflügel und Gatter sich öffneten, standen wir aus langer Weile um den Wagen her, an welchem der Schlag von innen aufgemacht wurde, und von wo- her ein lautes "Wer da?" an uns ergieng. Wir fanden keine Ursache, unsrer Personen, Drangsale und gegenwärtigen Noth ein Hehl zu haben; und unser unwillkührliches Zähn- klappern legte genugsames Zeugniß ein, daß wir die Wahrheit redeten.
Es fand sich nun, daß ein einzelner Mann im Wagen saß, und daß ihm unser trübseli- ger Zustand zu Herzen gieng. Nachdem er seinem Unwillen durch einige Verwünschun- gen gegen die hartherzigen Dockumer Luft gemacht, uns um unsre Heimath befragt (Freilich mochten wohl Pommern und Col- berg böhmische Dörfer für ihn seyn!) und endlich noch erfahren hatte, daß unser Weg zunächst auf Gröningen gienge: so über-
und rannten auf dem Platze hin und her, um nicht vor Froſt zu erſtarren. Es ward uns aber warlich je laͤnger je uͤbler zu Muthe.
Das waͤhrte ſo fort, bis nach Mitter- nacht, wo wir Raͤder raſſeln und ein Poſt- horn blaſen hoͤrten. Eine Kutſche hielt am Thore, und auch wir kamen hinter unſrer Scheune hervor, um zu ſehen, was es gaͤbe? Bis die Thorfluͤgel und Gatter ſich oͤffneten, ſtanden wir aus langer Weile um den Wagen her, an welchem der Schlag von innen aufgemacht wurde, und von wo- her ein lautes „Wer da?‟ an uns ergieng. Wir fanden keine Urſache, unſrer Perſonen, Drangſale und gegenwaͤrtigen Noth ein Hehl zu haben; und unſer unwillkuͤhrliches Zaͤhn- klappern legte genugſames Zeugniß ein, daß wir die Wahrheit redeten.
Es fand ſich nun, daß ein einzelner Mann im Wagen ſaß, und daß ihm unſer truͤbſeli- ger Zuſtand zu Herzen gieng. Nachdem er ſeinem Unwillen durch einige Verwuͤnſchun- gen gegen die hartherzigen Dockumer Luft gemacht, uns um unſre Heimath befragt (Freilich mochten wohl Pommern und Col- berg boͤhmiſche Doͤrfer fuͤr ihn ſeyn!) und endlich noch erfahren hatte, daß unſer Weg zunaͤchſt auf Groͤningen gienge: ſo uͤber-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0094"n="78"/>
und rannten auf dem Platze hin und her,<lb/>
um nicht vor Froſt zu erſtarren. Es ward<lb/>
uns aber warlich je laͤnger je uͤbler zu<lb/>
Muthe.</p><lb/><p>Das waͤhrte ſo fort, bis nach Mitter-<lb/>
nacht, wo wir Raͤder raſſeln und ein Poſt-<lb/>
horn blaſen hoͤrten. Eine Kutſche hielt am<lb/>
Thore, und auch wir kamen hinter unſrer<lb/>
Scheune hervor, um zu ſehen, was es<lb/>
gaͤbe? Bis die Thorfluͤgel und Gatter ſich<lb/>
oͤffneten, ſtanden wir aus langer Weile um<lb/>
den Wagen her, an welchem der Schlag<lb/>
von innen aufgemacht wurde, und von wo-<lb/>
her ein lautes „Wer da?‟ an uns ergieng.<lb/>
Wir fanden keine Urſache, unſrer Perſonen,<lb/>
Drangſale und gegenwaͤrtigen Noth ein Hehl<lb/>
zu haben; und unſer unwillkuͤhrliches Zaͤhn-<lb/>
klappern legte genugſames Zeugniß ein, daß<lb/>
wir die Wahrheit redeten.</p><lb/><p>Es fand ſich nun, daß ein einzelner Mann<lb/>
im Wagen ſaß, und daß ihm unſer truͤbſeli-<lb/>
ger Zuſtand zu Herzen gieng. Nachdem er<lb/>ſeinem Unwillen durch einige Verwuͤnſchun-<lb/>
gen gegen die hartherzigen Dockumer Luft<lb/>
gemacht, uns um unſre Heimath befragt<lb/>
(Freilich mochten wohl Pommern und Col-<lb/>
berg boͤhmiſche Doͤrfer fuͤr ihn ſeyn!) und<lb/>
endlich noch erfahren hatte, daß unſer Weg<lb/>
zunaͤchſt auf Groͤningen gienge: ſo uͤber-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[78/0094]
und rannten auf dem Platze hin und her,
um nicht vor Froſt zu erſtarren. Es ward
uns aber warlich je laͤnger je uͤbler zu
Muthe.
Das waͤhrte ſo fort, bis nach Mitter-
nacht, wo wir Raͤder raſſeln und ein Poſt-
horn blaſen hoͤrten. Eine Kutſche hielt am
Thore, und auch wir kamen hinter unſrer
Scheune hervor, um zu ſehen, was es
gaͤbe? Bis die Thorfluͤgel und Gatter ſich
oͤffneten, ſtanden wir aus langer Weile um
den Wagen her, an welchem der Schlag
von innen aufgemacht wurde, und von wo-
her ein lautes „Wer da?‟ an uns ergieng.
Wir fanden keine Urſache, unſrer Perſonen,
Drangſale und gegenwaͤrtigen Noth ein Hehl
zu haben; und unſer unwillkuͤhrliches Zaͤhn-
klappern legte genugſames Zeugniß ein, daß
wir die Wahrheit redeten.
Es fand ſich nun, daß ein einzelner Mann
im Wagen ſaß, und daß ihm unſer truͤbſeli-
ger Zuſtand zu Herzen gieng. Nachdem er
ſeinem Unwillen durch einige Verwuͤnſchun-
gen gegen die hartherzigen Dockumer Luft
gemacht, uns um unſre Heimath befragt
(Freilich mochten wohl Pommern und Col-
berg boͤhmiſche Doͤrfer fuͤr ihn ſeyn!) und
endlich noch erfahren hatte, daß unſer Weg
zunaͤchſt auf Groͤningen gienge: ſo uͤber-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/94>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.