Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

zwölf junge und schmucke seefahrende Leute
ausgesucht werden sollten, um die soge-
nannte Herren-Borse auf's stattlichste zu be-
mannen. Es war nemlich zu der Zeit der
König August von Pohlen in der Stadt an-
wesend; und auf der Rheede lag eine zahl-
reiche Flotte von russischen Kriegsschiffen
vor Anker, der er einen Besuch abzustatten
gedachte. Zu dieser Lustfahrt, die Weichsel
herunter, sollte nun jene Staatsjacht dienen.
Zufällig kriegte man mich mit an, um die
Mannschaft vollzählig zu machen; und so-
wohl das Ausserordentliche bei der Sache,
als auch der Dukaten, der dabei für jeden
Mann abfallen sollte, machten mir Lust, die-
sen Ehrendienst zu verrichten.

Das dauerte aber nur solange, bis wir
zum Schiffer-Aeltesten Karsten kamen, wo wir
zu der Feierlichkeit mit einer Art von Uni-
form aufgeputzt werden sollten, die mit blan-
ken Schilden und vielen rothen, grünen und
blauen Bändern verbrämt war. So aus-
staffiiert, hielt man mir zuletzt einen Spiegel
vor: -- aber wie erschrak ich, als ich sah,
was für einen Narren man aus mir gemacht
hatte! Das war jedoch das Wenigste! Allein
das Herz im Leibe wollte mir zerspringen,
wenn ich dabei bedachte, daß ich einen andern,
als meines eignen Königs Namenszug im
Schilde an meiner Stirne tragen sollte.

zwoͤlf junge und ſchmucke ſeefahrende Leute
ausgeſucht werden ſollten, um die ſoge-
nannte Herren-Borſe auf’s ſtattlichſte zu be-
mannen. Es war nemlich zu der Zeit der
Koͤnig Auguſt von Pohlen in der Stadt an-
weſend; und auf der Rheede lag eine zahl-
reiche Flotte von ruſſiſchen Kriegsſchiffen
vor Anker, der er einen Beſuch abzuſtatten
gedachte. Zu dieſer Luſtfahrt, die Weichſel
herunter, ſollte nun jene Staatsjacht dienen.
Zufaͤllig kriegte man mich mit an, um die
Mannſchaft vollzaͤhlig zu machen; und ſo-
wohl das Auſſerordentliche bei der Sache,
als auch der Dukaten, der dabei fuͤr jeden
Mann abfallen ſollte, machten mir Luſt, die-
ſen Ehrendienſt zu verrichten.

Das dauerte aber nur ſolange, bis wir
zum Schiffer-Aelteſten Karſten kamen, wo wir
zu der Feierlichkeit mit einer Art von Uni-
form aufgeputzt werden ſollten, die mit blan-
ken Schilden und vielen rothen, gruͤnen und
blauen Baͤndern verbraͤmt war. So aus-
ſtaffiiert, hielt man mir zuletzt einen Spiegel
vor: — aber wie erſchrak ich, als ich ſah,
was fuͤr einen Narren man aus mir gemacht
hatte! Das war jedoch das Wenigſte! Allein
das Herz im Leibe wollte mir zerſpringen,
wenn ich dabei bedachte, daß ich einen andern,
als meines eignen Koͤnigs Namenszug im
Schilde an meiner Stirne tragen ſollte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0055" n="39"/>
zwo&#x0364;lf junge und &#x017F;chmucke &#x017F;eefahrende Leute<lb/>
ausge&#x017F;ucht werden &#x017F;ollten, um die &#x017F;oge-<lb/>
nannte Herren-Bor&#x017F;e auf&#x2019;s &#x017F;tattlich&#x017F;te zu be-<lb/>
mannen. Es war nemlich zu der Zeit der<lb/>
Ko&#x0364;nig Augu&#x017F;t von Pohlen in der Stadt an-<lb/>
we&#x017F;end; und auf der Rheede lag eine zahl-<lb/>
reiche Flotte von ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Kriegs&#x017F;chiffen<lb/>
vor Anker, der er einen Be&#x017F;uch abzu&#x017F;tatten<lb/>
gedachte. Zu die&#x017F;er Lu&#x017F;tfahrt, die Weich&#x017F;el<lb/>
herunter, &#x017F;ollte nun jene Staatsjacht dienen.<lb/>
Zufa&#x0364;llig kriegte man mich mit an, um die<lb/>
Mann&#x017F;chaft vollza&#x0364;hlig zu machen; und &#x017F;o-<lb/>
wohl das Au&#x017F;&#x017F;erordentliche bei der Sache,<lb/>
als auch der Dukaten, der dabei fu&#x0364;r jeden<lb/>
Mann abfallen &#x017F;ollte, machten mir Lu&#x017F;t, die-<lb/>
&#x017F;en Ehrendien&#x017F;t zu verrichten.</p><lb/>
        <p>Das dauerte aber nur &#x017F;olange, bis wir<lb/>
zum Schiffer-Aelte&#x017F;ten Kar&#x017F;ten kamen, wo wir<lb/>
zu der Feierlichkeit mit einer Art von Uni-<lb/>
form aufgeputzt werden &#x017F;ollten, die mit blan-<lb/>
ken Schilden und vielen rothen, gru&#x0364;nen und<lb/>
blauen Ba&#x0364;ndern verbra&#x0364;mt war. So aus-<lb/>
&#x017F;taffiiert, hielt man mir zuletzt einen Spiegel<lb/>
vor: &#x2014; aber wie er&#x017F;chrak ich, als ich &#x017F;ah,<lb/>
was fu&#x0364;r einen Narren man aus mir gemacht<lb/>
hatte! Das war jedoch das Wenig&#x017F;te! Allein<lb/>
das Herz im Leibe wollte mir zer&#x017F;pringen,<lb/>
wenn ich dabei bedachte, daß ich einen andern,<lb/>
als meines eignen Ko&#x0364;nigs Namenszug im<lb/>
Schilde an meiner Stirne tragen &#x017F;ollte.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0055] zwoͤlf junge und ſchmucke ſeefahrende Leute ausgeſucht werden ſollten, um die ſoge- nannte Herren-Borſe auf’s ſtattlichſte zu be- mannen. Es war nemlich zu der Zeit der Koͤnig Auguſt von Pohlen in der Stadt an- weſend; und auf der Rheede lag eine zahl- reiche Flotte von ruſſiſchen Kriegsſchiffen vor Anker, der er einen Beſuch abzuſtatten gedachte. Zu dieſer Luſtfahrt, die Weichſel herunter, ſollte nun jene Staatsjacht dienen. Zufaͤllig kriegte man mich mit an, um die Mannſchaft vollzaͤhlig zu machen; und ſo- wohl das Auſſerordentliche bei der Sache, als auch der Dukaten, der dabei fuͤr jeden Mann abfallen ſollte, machten mir Luſt, die- ſen Ehrendienſt zu verrichten. Das dauerte aber nur ſolange, bis wir zum Schiffer-Aelteſten Karſten kamen, wo wir zu der Feierlichkeit mit einer Art von Uni- form aufgeputzt werden ſollten, die mit blan- ken Schilden und vielen rothen, gruͤnen und blauen Baͤndern verbraͤmt war. So aus- ſtaffiiert, hielt man mir zuletzt einen Spiegel vor: — aber wie erſchrak ich, als ich ſah, was fuͤr einen Narren man aus mir gemacht hatte! Das war jedoch das Wenigſte! Allein das Herz im Leibe wollte mir zerſpringen, wenn ich dabei bedachte, daß ich einen andern, als meines eignen Koͤnigs Namenszug im Schilde an meiner Stirne tragen ſollte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/55
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/55>, abgerufen am 22.11.2024.