Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

adressiren lassen; besorgte Vormittags meine
Ein- und Nachmittags meine Ausklarirung,
und konnte nunmehr gehen, wohin ich wollte.

Jndem ich nun die Anstalten zur Abreise
eifrigst besorgte, weil ich immer noch den
russischen Behörden nicht recht traute und
darum gerne je eher je lieber ausser ihrem
Bereich gewesen ware, -- trat ich auch von
ohngefähr in die Kajüte. Siehe da! Die
Königsberger Schöne saß da, und rang die
Hände und wollte vergehen in Angst und
Wehmuth: denn ihr Vielgetreuer war noch
nicht wieder zum Vorschein gekommen! Jch
that ihr den wohlmeinenden Vorschlag, sie
sollte mit mir in ihre Heimath zurückkehren
und es auf ihres schwer beleidigten Mannes
Edelmuth ankommen lassen, ob er ihr ver-
zeihen und sie wieder auf- und annehmen
wolle, wo denn leicht ein Schleier über ihre
leichtsinnige That zu werfen seyn werde.
Doch dies war keine Musik auf ihr Ohr.
Lieber, versicherte sie, wolle sie's auf das Aeusser-
ste ankommen lassen, und hinter irgend einem
Zaune sterben und begraben werden. (Schwer-
lich dachte das unglückliche Geschöpf, daß in
diesem Augenblick ein prophetischer Geist aus
ihr spräche, wie die Folgezeit erwiesen hat.)

So blieb ihr denn nur übrig, ihr Bün-
del zu schnüren. Meine Leute griffen zu, und
halfen, die Bagage aus dem Schiffe an's

adreſſiren laſſen; beſorgte Vormittags meine
Ein- und Nachmittags meine Ausklarirung,
und konnte nunmehr gehen, wohin ich wollte.

Jndem ich nun die Anſtalten zur Abreiſe
eifrigſt beſorgte, weil ich immer noch den
ruſſiſchen Behoͤrden nicht recht traute und
darum gerne je eher je lieber auſſer ihrem
Bereich geweſen ware, — trat ich auch von
ohngefaͤhr in die Kajuͤte. Siehe da! Die
Koͤnigsberger Schoͤne ſaß da, und rang die
Haͤnde und wollte vergehen in Angſt und
Wehmuth: denn ihr Vielgetreuer war noch
nicht wieder zum Vorſchein gekommen! Jch
that ihr den wohlmeinenden Vorſchlag, ſie
ſollte mit mir in ihre Heimath zuruͤckkehren
und es auf ihres ſchwer beleidigten Mannes
Edelmuth ankommen laſſen, ob er ihr ver-
zeihen und ſie wieder auf- und annehmen
wolle, wo denn leicht ein Schleier uͤber ihre
leichtſinnige That zu werfen ſeyn werde.
Doch dies war keine Muſik auf ihr Ohr.
Lieber, verſicherte ſie, wolle ſie’s auf das Aeuſſer-
ſte ankommen laſſen, und hinter irgend einem
Zaune ſterben und begraben werden. (Schwer-
lich dachte das ungluͤckliche Geſchoͤpf, daß in
dieſem Augenblick ein prophetiſcher Geiſt aus
ihr ſpraͤche, wie die Folgezeit erwieſen hat.)

So blieb ihr denn nur uͤbrig, ihr Buͤn-
del zu ſchnuͤren. Meine Leute griffen zu, und
halfen, die Bagage aus dem Schiffe an’s

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="165"/>
adre&#x017F;&#x017F;iren la&#x017F;&#x017F;en; be&#x017F;orgte Vormittags meine<lb/>
Ein- und Nachmittags meine Ausklarirung,<lb/>
und konnte nunmehr gehen, wohin ich wollte.</p><lb/>
        <p>Jndem ich nun die An&#x017F;talten zur Abrei&#x017F;e<lb/>
eifrig&#x017F;t be&#x017F;orgte, weil ich immer noch den<lb/>
ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Beho&#x0364;rden nicht recht traute und<lb/>
darum gerne je eher je lieber au&#x017F;&#x017F;er ihrem<lb/>
Bereich gewe&#x017F;en ware, &#x2014; trat ich auch von<lb/>
ohngefa&#x0364;hr in die Kaju&#x0364;te. Siehe da! Die<lb/>
Ko&#x0364;nigsberger Scho&#x0364;ne &#x017F;aß da, und rang die<lb/>
Ha&#x0364;nde und wollte vergehen in Ang&#x017F;t und<lb/>
Wehmuth: denn ihr Vielgetreuer war noch<lb/>
nicht wieder zum Vor&#x017F;chein gekommen! Jch<lb/>
that ihr den wohlmeinenden Vor&#x017F;chlag, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ollte mit mir in ihre Heimath zuru&#x0364;ckkehren<lb/>
und es auf ihres &#x017F;chwer beleidigten Mannes<lb/>
Edelmuth ankommen la&#x017F;&#x017F;en, ob er ihr ver-<lb/>
zeihen und &#x017F;ie wieder auf- und annehmen<lb/>
wolle, wo denn leicht ein Schleier u&#x0364;ber ihre<lb/>
leicht&#x017F;innige That zu werfen &#x017F;eyn werde.<lb/>
Doch dies war keine Mu&#x017F;ik auf ihr Ohr.<lb/>
Lieber, ver&#x017F;icherte &#x017F;ie, wolle &#x017F;ie&#x2019;s auf das Aeu&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;te ankommen la&#x017F;&#x017F;en, und hinter irgend einem<lb/>
Zaune &#x017F;terben und begraben werden. (Schwer-<lb/>
lich dachte das unglu&#x0364;ckliche Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, daß in<lb/>
die&#x017F;em Augenblick ein propheti&#x017F;cher Gei&#x017F;t aus<lb/>
ihr &#x017F;pra&#x0364;che, wie die Folgezeit erwie&#x017F;en hat.)</p><lb/>
        <p>So blieb ihr denn nur u&#x0364;brig, ihr Bu&#x0364;n-<lb/>
del zu &#x017F;chnu&#x0364;ren. Meine Leute griffen zu, und<lb/>
halfen, die Bagage aus dem Schiffe an&#x2019;s<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0181] adreſſiren laſſen; beſorgte Vormittags meine Ein- und Nachmittags meine Ausklarirung, und konnte nunmehr gehen, wohin ich wollte. Jndem ich nun die Anſtalten zur Abreiſe eifrigſt beſorgte, weil ich immer noch den ruſſiſchen Behoͤrden nicht recht traute und darum gerne je eher je lieber auſſer ihrem Bereich geweſen ware, — trat ich auch von ohngefaͤhr in die Kajuͤte. Siehe da! Die Koͤnigsberger Schoͤne ſaß da, und rang die Haͤnde und wollte vergehen in Angſt und Wehmuth: denn ihr Vielgetreuer war noch nicht wieder zum Vorſchein gekommen! Jch that ihr den wohlmeinenden Vorſchlag, ſie ſollte mit mir in ihre Heimath zuruͤckkehren und es auf ihres ſchwer beleidigten Mannes Edelmuth ankommen laſſen, ob er ihr ver- zeihen und ſie wieder auf- und annehmen wolle, wo denn leicht ein Schleier uͤber ihre leichtſinnige That zu werfen ſeyn werde. Doch dies war keine Muſik auf ihr Ohr. Lieber, verſicherte ſie, wolle ſie’s auf das Aeuſſer- ſte ankommen laſſen, und hinter irgend einem Zaune ſterben und begraben werden. (Schwer- lich dachte das ungluͤckliche Geſchoͤpf, daß in dieſem Augenblick ein prophetiſcher Geiſt aus ihr ſpraͤche, wie die Folgezeit erwieſen hat.) So blieb ihr denn nur uͤbrig, ihr Buͤn- del zu ſchnuͤren. Meine Leute griffen zu, und halfen, die Bagage aus dem Schiffe an’s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/181
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/181>, abgerufen am 24.11.2024.