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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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IV. Theil Anmerckungen
"Und diß sind gleichsam die letztlich noch überbliebene Funcken, die unsern
"Verstand erleuchten, und theils zu einer Philosophischen Freude reitzen, so-
"bald wir mercken, daß wir etwas, vor diesem uns unbekandtes gefast, theils
"mehr und mehr entzünden, ersprießlichen Zusatz mehrerer Wissenschafft
"zu nehmen.

Unsere Rede ist bisher von der Göttlichen Hochachtung gegen dem
menschlichen Geschlecht gewesen, und ie mehr ich solchem nachdencke, ie wei-
ter ich mich fast vertieffe. "Denn man sehe an den geringsten aus dem ge-
"meinen Mann, und bedencke, ob er nicht des ewigen allmächtigen Schöpf-
"fers milde Begabung, und der gantzen Welt zierliche und ansehnliche Lust,
"eben sowol, als einer der vornehmsten Könige, die viele Reiche der Welt
"und Güter überflüßig haben, geniesse in diesem, daß er in dieser weiten Welt
"wandern mag, nicht wie ein Ausländer oder Fremdling, der in Besitz etwa
"nicht gehöret, sondern als ein Bürger und Mitglied der gantzen Welt, ja
"als ein Herr alles dessen was auf Erden ist? Denn zu seinem Nutz, Wohl-
"fahrt und Gebrauch sind alle Dinge von GOtt geschaffen, die in der Lufft,
"auf Erden, und im Meer gefunden werden."
Eines aber der vortrefflich-
sten Eigenschafften, welche der Mensch vor allen andern erschaffenen Creatu-
ren voraus hat, ist die Unsterblichkeit; denn der Mensch ist, wie schon mehr-
mals gedacht, ein Ebenbild GOttes, nach dem Zeugniß der höchsten Wahr-
heit selber. Da er nun GOttes Ebenbild ist, so muß er auch eine gleiche
Natur mit seinem Ursprung oder Göttlichen Wesen haben. GOttes We-
sen nun ist unwidersprechlich ewig und unvergänglich, der Mensch ist dem
Bilde, dem Wesen GOttes, gleich gemacht, folglich ist er auch unsterblich
und ewig. Es möchte aber wol mancher, der dieses lieset, gedencken, wie?
der Mensch soll unsterblich seyn, und wir sehen doch fast alle Tage unter uns
Menschen sterben und begraben werden? Allein der Mensch ist und bleibet
der Seelen nach unsterblich, und so wenig das Göttliche Wesen ein Ende
nehmen wird, eben so unmöglich ist es auch, daß die menschliche Seele, als
die was Göttliches an sich hat, vergänglich sey, sondern in der Ewigkeit eine
gleiche Dauer mit der Gottheit hat. Es ist freylich nicht ohne, daß viele
Menschen Tag-täglich dem Leibe nach sterben, und dieses ist die allgemeine
Schuld der Natur, welcher sich der höchste bis zum geringsten unterwerffen
muß. Und es finden sich einige Thomasiner, die den Glauben gerne mit
Händen greiffen möchten; diese halten zwar die Unsterblichkeit der Seelen
für recht, weil die Beweis-Gründe davon allzu deutlich: Diß aber kommt
ihnen wunderlich vor zu glauben, daß der Cadaver oder verstorbene und gar
zu kleinem Staub und Asch gewordene Cörper soll wiederum ein menschli-

ches

IV. Theil Anmerckungen
„Und diß ſind gleichſam die letztlich noch uͤberbliebene Funcken, die unſern
„Verſtand erleuchten, und theils zu einer Philoſophiſchen Freude reitzen, ſo-
„bald wir mercken, daß wir etwas, vor dieſem uns unbekandtes gefaſt, theils
„mehr und mehr entzuͤnden, erſprießlichen Zuſatz mehrerer Wiſſenſchafft
„zu nehmen.

Unſere Rede iſt bisher von der Goͤttlichen Hochachtung gegen dem
menſchlichen Geſchlecht geweſen, und ie mehr ich ſolchem nachdencke, ie wei-
ter ich mich faſt vertieffe. „Denn man ſehe an den geringſten aus dem ge-
„meinen Mann, und bedencke, ob er nicht des ewigen allmaͤchtigen Schoͤpf-
„fers milde Begabung, und der gantzen Welt zierliche und anſehnliche Luſt,
„eben ſowol, als einer der vornehmſten Koͤnige, die viele Reiche der Welt
„und Guͤter uͤberfluͤßig haben, genieſſe in dieſem, daß er in dieſer weiten Welt
„wandern mag, nicht wie ein Auslaͤnder oder Fremdling, der in Beſitz etwa
„nicht gehoͤret, ſondern als ein Buͤrger und Mitglied der gantzen Welt, ja
„als ein Herr alles deſſen was auf Erden iſt? Denn zu ſeinem Nutz, Wohl-
„fahrt und Gebrauch ſind alle Dinge von GOtt geſchaffen, die in der Lufft,
„auf Erden, und im Meer gefunden werden.‟
Eines aber der vortrefflich-
ſten Eigenſchafften, welche der Menſch vor allen andern erſchaffenen Creatu-
ren voraus hat, iſt die Unſterblichkeit; denn der Menſch iſt, wie ſchon mehr-
mals gedacht, ein Ebenbild GOttes, nach dem Zeugniß der hoͤchſten Wahr-
heit ſelber. Da er nun GOttes Ebenbild iſt, ſo muß er auch eine gleiche
Natur mit ſeinem Urſprung oder Goͤttlichen Weſen haben. GOttes We-
ſen nun iſt unwiderſprechlich ewig und unvergaͤnglich, der Menſch iſt dem
Bilde, dem Weſen GOttes, gleich gemacht, folglich iſt er auch unſterblich
und ewig. Es moͤchte aber wol mancher, der dieſes lieſet, gedencken, wie?
der Menſch ſoll unſterblich ſeyn, und wir ſehen doch faſt alle Tage unter uns
Menſchen ſterben und begraben werden? Allein der Menſch iſt und bleibet
der Seelen nach unſterblich, und ſo wenig das Goͤttliche Weſen ein Ende
nehmen wird, eben ſo unmoͤglich iſt es auch, daß die menſchliche Seele, als
die was Goͤttliches an ſich hat, vergaͤnglich ſey, ſondern in der Ewigkeit eine
gleiche Dauer mit der Gottheit hat. Es iſt freylich nicht ohne, daß viele
Menſchen Tag-taͤglich dem Leibe nach ſterben, und dieſes iſt die allgemeine
Schuld der Natur, welcher ſich der hoͤchſte bis zum geringſten unterwerffen
muß. Und es finden ſich einige Thomaſiner, die den Glauben gerne mit
Haͤnden greiffen moͤchten; dieſe halten zwar die Unſterblichkeit der Seelen
fuͤr recht, weil die Beweis-Gruͤnde davon allzu deutlich: Diß aber kommt
ihnen wunderlich vor zu glauben, daß der Cadaver oder verſtorbene und gar
zu kleinem Staub und Aſch gewordene Coͤrper ſoll wiederum ein menſchli-

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[432/0460] IV. Theil Anmerckungen „Und diß ſind gleichſam die letztlich noch uͤberbliebene Funcken, die unſern „Verſtand erleuchten, und theils zu einer Philoſophiſchen Freude reitzen, ſo- „bald wir mercken, daß wir etwas, vor dieſem uns unbekandtes gefaſt, theils „mehr und mehr entzuͤnden, erſprießlichen Zuſatz mehrerer Wiſſenſchafft „zu nehmen. Unſere Rede iſt bisher von der Goͤttlichen Hochachtung gegen dem menſchlichen Geſchlecht geweſen, und ie mehr ich ſolchem nachdencke, ie wei- ter ich mich faſt vertieffe. „Denn man ſehe an den geringſten aus dem ge- „meinen Mann, und bedencke, ob er nicht des ewigen allmaͤchtigen Schoͤpf- „fers milde Begabung, und der gantzen Welt zierliche und anſehnliche Luſt, „eben ſowol, als einer der vornehmſten Koͤnige, die viele Reiche der Welt „und Guͤter uͤberfluͤßig haben, genieſſe in dieſem, daß er in dieſer weiten Welt „wandern mag, nicht wie ein Auslaͤnder oder Fremdling, der in Beſitz etwa „nicht gehoͤret, ſondern als ein Buͤrger und Mitglied der gantzen Welt, ja „als ein Herr alles deſſen was auf Erden iſt? Denn zu ſeinem Nutz, Wohl- „fahrt und Gebrauch ſind alle Dinge von GOtt geſchaffen, die in der Lufft, „auf Erden, und im Meer gefunden werden.‟ Eines aber der vortrefflich- ſten Eigenſchafften, welche der Menſch vor allen andern erſchaffenen Creatu- ren voraus hat, iſt die Unſterblichkeit; denn der Menſch iſt, wie ſchon mehr- mals gedacht, ein Ebenbild GOttes, nach dem Zeugniß der hoͤchſten Wahr- heit ſelber. Da er nun GOttes Ebenbild iſt, ſo muß er auch eine gleiche Natur mit ſeinem Urſprung oder Goͤttlichen Weſen haben. GOttes We- ſen nun iſt unwiderſprechlich ewig und unvergaͤnglich, der Menſch iſt dem Bilde, dem Weſen GOttes, gleich gemacht, folglich iſt er auch unſterblich und ewig. Es moͤchte aber wol mancher, der dieſes lieſet, gedencken, wie? der Menſch ſoll unſterblich ſeyn, und wir ſehen doch faſt alle Tage unter uns Menſchen ſterben und begraben werden? Allein der Menſch iſt und bleibet der Seelen nach unſterblich, und ſo wenig das Goͤttliche Weſen ein Ende nehmen wird, eben ſo unmoͤglich iſt es auch, daß die menſchliche Seele, als die was Goͤttliches an ſich hat, vergaͤnglich ſey, ſondern in der Ewigkeit eine gleiche Dauer mit der Gottheit hat. Es iſt freylich nicht ohne, daß viele Menſchen Tag-taͤglich dem Leibe nach ſterben, und dieſes iſt die allgemeine Schuld der Natur, welcher ſich der hoͤchſte bis zum geringſten unterwerffen muß. Und es finden ſich einige Thomaſiner, die den Glauben gerne mit Haͤnden greiffen moͤchten; dieſe halten zwar die Unſterblichkeit der Seelen fuͤr recht, weil die Beweis-Gruͤnde davon allzu deutlich: Diß aber kommt ihnen wunderlich vor zu glauben, daß der Cadaver oder verſtorbene und gar zu kleinem Staub und Aſch gewordene Coͤrper ſoll wiederum ein menſchli- ches

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/460>, abgerufen am 23.11.2024.