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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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III. Theil von Bibliothequen.
diese dem Claudio Verdierio aufzulösen, und seinem darüber gefällten Aus-
spruch Glauben geben, so würde es warlich nicht der Mühe lohnen, ein
Wort mehr von Bibliothequen zu schreiben, weil dieser die Sorge für solche
Kleinodien für ein unnützes Werck ausgeschrien. Doch wird ein ieder ver-
ständiger Mann diesen Ausspruch wieder über ihn fällen, daß er darinn als
ein alberner und unverständiger Phantast gesprochen. Wir wollen uns zu un-
wissenden Heiden wenden, und deren Rede darüber vernehmen, die sollen
diesem albernen Geschwätz das Maul stopffen. Denn was haben die klu-
gen Egyptier mit ihren Bibliothequen in dem Tempel der Serapis &c.
die alten Römer in dem Tempel des Herculis und Apollinis, des Gottes des
Friedens etc. die Chineser auf dem Berge Ligmuen in dem prächtigen Gö-
tzen-Tempel und anderwärts mehr anders damit anzeigen wollen, als
daß sie dieselbige für etwas heiliges hielten, und solche deßwegen in die Tem-
pel verlegten. Ja die heil. Schrifft selbst giebt uns glaubwürdige Zeug-
niß, nicht allein daß GOtt selbst der Stiffter der Bibliothequen, so zu reden,
gewesen, indem er dazu durch die Verwahrung der Gesetz-Tafeln in der Lade
GOttes durch Mosen Anlaß gegeben, sondern es hat auch das Levitische
Priesterthum neben den andern heil. Amts-Geschäfften die Aufsicht über
den Bücher-Schatz im Tempel GOttes gehabt, der nicht allein aus dem
Gesetz-Buch, sondern auch andern Büchern bestanden, darinnen ihre Ord-
nung in Verhaltung bey denen Opffern, und andern geistlichen Geschäff-
ten etc. item ihre Krieges-Thaten, und was sonst unter ihnen merckwürdi-
ges geschehen, deßgleichen ihre Jahr-Bücher und Chroniken, wovon uns
die in der H. Schrifft befindliche zwey Zeugniß geben etc. verzeichnet gewesen.
Last uns weiter gehen, und mehrere Meynungen vernehmen, welche noch an-
dere unwissende Heiden (ich nenne sie unwissend und unverständig, weil sie in
der Blindheit und Finsterniß der Unwissenheit leben, und von keinem Chri-
stenthum wissen,) von Bibliothequen haben. Jch habe schon einmal er-
wähnet, daß ein Egyptischer König Osymanduas über den Eingang seiner
Bibliothec schreiben lassen: [fremdsprachliches Material - fehlt], welches so viel heißt als Medi-
cina Animae,
oder Animi Officina Medica, oder wie es Rhodomanus über-
setzt, Animae Medicatorium, eine Apothek der Seelen. Dieser kluge Kö-
nig hat warlich einen solchen Begriff und Erkänntniß von dem herrlichen
Nutzen einer Bibliothec empfunden, der manchem hohen Christlichen Po-
tentat
en sehlet. Hat er aber schon damals darinn eine Artzney für seine Seele
finden können, da die Finsterniß selbst sein Licht seyn müssen; wie vielmehr ha-
ben wir Ursach, auf Bibliothequen in der Christenheit zu halten, darinnen so
manche kräfftige Seelen-Artzeney im Uberfluß, dem Höchsten sey dafür ge-

dancket,
Z z 2

III. Theil von Bibliothequen.
dieſe dem Claudio Verdierio aufzuloͤſen, und ſeinem daruͤber gefaͤllten Aus-
ſpruch Glauben geben, ſo wuͤrde es warlich nicht der Muͤhe lohnen, ein
Wort mehr von Bibliothequen zu ſchreiben, weil dieſer die Sorge fuͤr ſolche
Kleinodien fuͤr ein unnuͤtzes Werck ausgeſchrien. Doch wird ein ieder ver-
ſtaͤndiger Mann dieſen Ausſpruch wieder uͤber ihn faͤllen, daß er darinn als
ein alberner und unverſtaͤndiger Phantaſt geſprochen. Wir wollen uns zu un-
wiſſenden Heiden wenden, und deren Rede daruͤber vernehmen, die ſollen
dieſem albernen Geſchwaͤtz das Maul ſtopffen. Denn was haben die klu-
gen Egyptier mit ihren Bibliothequen in dem Tempel der Serapis &c.
die alten Roͤmer in dem Tempel des Herculis und Apollinis, des Gottes des
Friedens ꝛc. die Chineſer auf dem Berge Ligmuen in dem praͤchtigen Goͤ-
tzen-Tempel und anderwaͤrts mehr anders damit anzeigen wollen, als
daß ſie dieſelbige fuͤr etwas heiliges hielten, und ſolche deßwegen in die Tem-
pel verlegten. Ja die heil. Schrifft ſelbſt giebt uns glaubwuͤrdige Zeug-
niß, nicht allein daß GOtt ſelbſt der Stiffter der Bibliothequen, ſo zu reden,
geweſen, indem er dazu durch die Verwahrung der Geſetz-Tafeln in der Lade
GOttes durch Moſen Anlaß gegeben, ſondern es hat auch das Levitiſche
Prieſterthum neben den andern heil. Amts-Geſchaͤfften die Aufſicht uͤber
den Buͤcher-Schatz im Tempel GOttes gehabt, der nicht allein aus dem
Geſetz-Buch, ſondern auch andern Buͤchern beſtanden, darinnen ihre Ord-
nung in Verhaltung bey denen Opffern, und andern geiſtlichen Geſchaͤff-
ten ꝛc. item ihre Krieges-Thaten, und was ſonſt unter ihnen merckwuͤrdi-
ges geſchehen, deßgleichen ihre Jahr-Buͤcher und Chroniken, wovon uns
die in der H. Schrifft befindliche zwey Zeugniß geben ꝛc. verzeichnet geweſen.
Laſt uns weiter gehen, und mehrere Meynungen vernehmen, welche noch an-
dere unwiſſende Heiden (ich nenne ſie unwiſſend und unverſtaͤndig, weil ſie in
der Blindheit und Finſterniß der Unwiſſenheit leben, und von keinem Chri-
ſtenthum wiſſen,) von Bibliothequen haben. Jch habe ſchon einmal er-
waͤhnet, daß ein Egyptiſcher Koͤnig Oſymanduas uͤber den Eingang ſeiner
Bibliothec ſchreiben laſſen: [fremdsprachliches Material – fehlt], welches ſo viel heißt als Medi-
cina Animæ,
oder Animi Officina Medica, oder wie es Rhodomanus uͤber-
ſetzt, Animæ Medicatorium, eine Apothek der Seelen. Dieſer kluge Koͤ-
nig hat warlich einen ſolchen Begriff und Erkaͤnntniß von dem herrlichen
Nutzen einer Bibliothec empfunden, der manchem hohen Chriſtlichen Po-
tentat
en ſehlet. Hat er aber ſchon damals darinn eine Artzney fuͤr ſeine Seele
finden koͤnnen, da die Finſterniß ſelbſt ſein Licht ſeyn muͤſſen; wie vielmehr ha-
ben wir Urſach, auf Bibliothequen in der Chriſtenheit zu halten, darinnen ſo
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[363/0391] III. Theil von Bibliothequen. dieſe dem Claudio Verdierio aufzuloͤſen, und ſeinem daruͤber gefaͤllten Aus- ſpruch Glauben geben, ſo wuͤrde es warlich nicht der Muͤhe lohnen, ein Wort mehr von Bibliothequen zu ſchreiben, weil dieſer die Sorge fuͤr ſolche Kleinodien fuͤr ein unnuͤtzes Werck ausgeſchrien. Doch wird ein ieder ver- ſtaͤndiger Mann dieſen Ausſpruch wieder uͤber ihn faͤllen, daß er darinn als ein alberner und unverſtaͤndiger Phantaſt geſprochen. Wir wollen uns zu un- wiſſenden Heiden wenden, und deren Rede daruͤber vernehmen, die ſollen dieſem albernen Geſchwaͤtz das Maul ſtopffen. Denn was haben die klu- gen Egyptier mit ihren Bibliothequen in dem Tempel der Serapis &c. die alten Roͤmer in dem Tempel des Herculis und Apollinis, des Gottes des Friedens ꝛc. die Chineſer auf dem Berge Ligmuen in dem praͤchtigen Goͤ- tzen-Tempel und anderwaͤrts mehr anders damit anzeigen wollen, als daß ſie dieſelbige fuͤr etwas heiliges hielten, und ſolche deßwegen in die Tem- pel verlegten. Ja die heil. Schrifft ſelbſt giebt uns glaubwuͤrdige Zeug- niß, nicht allein daß GOtt ſelbſt der Stiffter der Bibliothequen, ſo zu reden, geweſen, indem er dazu durch die Verwahrung der Geſetz-Tafeln in der Lade GOttes durch Moſen Anlaß gegeben, ſondern es hat auch das Levitiſche Prieſterthum neben den andern heil. Amts-Geſchaͤfften die Aufſicht uͤber den Buͤcher-Schatz im Tempel GOttes gehabt, der nicht allein aus dem Geſetz-Buch, ſondern auch andern Buͤchern beſtanden, darinnen ihre Ord- nung in Verhaltung bey denen Opffern, und andern geiſtlichen Geſchaͤff- ten ꝛc. item ihre Krieges-Thaten, und was ſonſt unter ihnen merckwuͤrdi- ges geſchehen, deßgleichen ihre Jahr-Buͤcher und Chroniken, wovon uns die in der H. Schrifft befindliche zwey Zeugniß geben ꝛc. verzeichnet geweſen. Laſt uns weiter gehen, und mehrere Meynungen vernehmen, welche noch an- dere unwiſſende Heiden (ich nenne ſie unwiſſend und unverſtaͤndig, weil ſie in der Blindheit und Finſterniß der Unwiſſenheit leben, und von keinem Chri- ſtenthum wiſſen,) von Bibliothequen haben. Jch habe ſchon einmal er- waͤhnet, daß ein Egyptiſcher Koͤnig Oſymanduas uͤber den Eingang ſeiner Bibliothec ſchreiben laſſen: _ , welches ſo viel heißt als Medi- cina Animæ, oder Animi Officina Medica, oder wie es Rhodomanus uͤber- ſetzt, Animæ Medicatorium, eine Apothek der Seelen. Dieſer kluge Koͤ- nig hat warlich einen ſolchen Begriff und Erkaͤnntniß von dem herrlichen Nutzen einer Bibliothec empfunden, der manchem hohen Chriſtlichen Po- tentaten ſehlet. Hat er aber ſchon damals darinn eine Artzney fuͤr ſeine Seele finden koͤnnen, da die Finſterniß ſelbſt ſein Licht ſeyn muͤſſen; wie vielmehr ha- ben wir Urſach, auf Bibliothequen in der Chriſtenheit zu halten, darinnen ſo manche kraͤfftige Seelen-Artzeney im Uberfluß, dem Hoͤchſten ſey dafuͤr ge- dancket, Z z 2

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/391>, abgerufen am 22.11.2024.