Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.III. Theil von Bibliothequen. als Musici, Mahler, Bau-Leute, Bildhauer, Kauf-Leute, Schif-fer, Fischer, Jäger, Fleischer, Bauren, Soldaten, und mit zwey Worten: Alle Menschen, haben Ursach sich des Bücher-Lesens anzugewöhnen, einmal der geistlichen, zum Heil ihrer Seelen, zum andern weltliche; worunter ich keine Romainen von schändlichen Lie- bes-Händeln, welche offtmals jungen Leuten den Weg zum laster- hafften Leben bahnen, (doch sag ich solches nicht von allen, wei- len auch viel gute moralische darunter zu finden,) keine vorwitzige, unnütze und schädliche, sondern eines ieden Stand es nützliche Bü- cher und Schrifften verstehen will. Der Hr. Meuschen, welcher die- se Dissertationes mit einer Vorrede versehen hat, redet von dem eitelen und unnützen Bücher-Pracht unter andern folgender Massen: Jndem die Gelehrsamkeit eine so Ruhm-würdige Sache ist, daß viele, welche, den gebührenden Fleiß anzuwenden, ungeschickt sind, doch nach dieser Ehre ein Verlangen tragen, so hat man allerhand Künste er- funden, dadurch man zum wenigsten das Ansehen und Schein eines gelehrten Mannes überkommen kan. Unter dergleichen Dingen gehöret eine zahlreiche und kostbare Bibliothec, welche mit einer un- geheuren Menge theurer und wohl-gebundener Bücher, schönen Statuen, raren Müntzen, alten MSStic, zierlichen Bildern, und an- dern ohne Verstand zusammen gerafften Seltsamkeiten angefüllt, nach dem Ausspruch aber des Frantzösischen Königes Ludovici XI. dem Puckel eines gebrechlichen Menschen zu vergleichen ist, wel- chen er in ziemlicher Grösse stets mit sich herum träget, und doch niemals zu sehen bekommt. Dazu kommt noch ein anderer Fehler, daß solche Schein-Gelehrte diese eingesammlete Früchte kluger Köpffe insgemein zu Schau-Gerichten machen, und ehe den Rat- ten und Mäusen zur Speise, als zum gemeinen Besten, andern zum nöthigen Gebrauch überlassen etc. So unverständig aber, und ohne dem geringsten Nutzen solche Bibliothecalische Sammlungen bey de- nen Personen sind, welche sich, wie gedacht, nur dadurch einen weit bekand- ten Namen zu erwerben suchen, für sich selbst aber und andere Leute nicht bessern Nutzen, als von einem verschossenen Gefängniß haben: So löblich, heilsam und nützlich sind solche Bücher-Sammlungen oder Stifftungen grosser Bibliothequen denenjenigen, welche die Bücher nicht darinnen be- stauben, von Würmern und anderm Ungeziefer zerfressen, sondern sowol zu ihrem eigenen, als gemeinen Nutzen, fleißig gebrauchen, und von anderen Liebhabern der Gelehrsamkeit brauchen lassen. Kayser, Könige, Fürsten und G g 2
III. Theil von Bibliothequen. als Muſici, Mahler, Bau-Leute, Bildhauer, Kauf-Leute, Schif-fer, Fiſcher, Jaͤger, Fleiſcher, Bauren, Soldaten, und mit zwey Worten: Alle Menſchen, haben Urſach ſich des Buͤcher-Leſens anzugewoͤhnen, einmal der geiſtlichen, zum Heil ihrer Seelen, zum andern weltliche; worunter ich keine Romainen von ſchaͤndlichen Lie- bes-Haͤndeln, welche offtmals jungen Leuten den Weg zum laſter- hafften Leben bahnen, (doch ſag ich ſolches nicht von allen, wei- len auch viel gute moraliſche darunter zu finden,) keine vorwitzige, unnuͤtze und ſchaͤdliche, ſondern eines ieden Stand es nuͤtzliche Buͤ- cher und Schrifften verſtehen will. Der Hr. Meuſchen, welcher die- ſe Diſſertationes mit einer Vorrede verſehen hat, redet von dem eitelen und unnuͤtzen Buͤcher-Pracht unter andern folgender Maſſen: Jndem die Gelehrſamkeit eine ſo Ruhm-wuͤrdige Sache iſt, daß viele, welche, den gebuͤhrenden Fleiß anzuwenden, ungeſchickt ſind, doch nach dieſer Ehre ein Verlangen tragen, ſo hat man allerhand Kuͤnſte er- funden, dadurch man zum wenigſten das Anſehen und Schein eines gelehrten Mannes uͤberkommen kan. Unter dergleichen Dingen gehoͤret eine zahlreiche und koſtbare Bibliothec, welche mit einer un- geheuren Menge theurer und wohl-gebundener Buͤcher, ſchoͤnen Statuen, raren Muͤntzen, alten MSStic, zierlichen Bildern, und an- dern ohne Verſtand zuſammen gerafften Seltſamkeiten angefuͤllt, nach dem Ausſpruch aber des Frantzoͤſiſchen Koͤniges Ludovici XI. dem Puckel eines gebrechlichen Menſchen zu vergleichen iſt, wel- chen er in ziemlicher Groͤſſe ſtets mit ſich herum traͤget, und doch niemals zu ſehen bekommt. Dazu kommt noch ein anderer Fehler, daß ſolche Schein-Gelehrte dieſe eingeſammlete Fruͤchte kluger Koͤpffe insgemein zu Schau-Gerichten machen, und ehe den Rat- ten und Maͤuſen zur Speiſe, als zum gemeinen Beſten, andern zum noͤthigen Gebrauch uͤberlaſſen ꝛc. So unverſtaͤndig aber, und ohne dem geringſten Nutzen ſolche Bibliothecaliſche Sammlungen bey de- nen Perſonen ſind, welche ſich, wie gedacht, nur dadurch einen weit bekand- ten Namen zu erwerben ſuchen, fuͤr ſich ſelbſt aber und andere Leute nicht beſſern Nutzen, als von einem verſchoſſenen Gefaͤngniß haben: So loͤblich, heilſam und nuͤtzlich ſind ſolche Buͤcher-Sammlungen oder Stifftungen groſſer Bibliothequen denenjenigen, welche die Buͤcher nicht darinnen be- ſtauben, von Wuͤrmern und anderm Ungeziefer zerfreſſen, ſondern ſowol zu ihrem eigenen, als gemeinen Nutzen, fleißig gebrauchen, und von anderen Liebhabern der Gelehrſamkeit brauchen laſſen. Kayſer, Koͤnige, Fuͤrſten und G g 2
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III. Theil von Bibliothequen.
als Muſici, Mahler, Bau-Leute, Bildhauer, Kauf-Leute, Schif-
fer, Fiſcher, Jaͤger, Fleiſcher, Bauren, Soldaten, und mit zwey
Worten: Alle Menſchen, haben Urſach ſich des Buͤcher-Leſens
anzugewoͤhnen, einmal der geiſtlichen, zum Heil ihrer Seelen, zum
andern weltliche; worunter ich keine Romainen von ſchaͤndlichen Lie-
bes-Haͤndeln, welche offtmals jungen Leuten den Weg zum laſter-
hafften Leben bahnen, (doch ſag ich ſolches nicht von allen, wei-
len auch viel gute moraliſche darunter zu finden,) keine vorwitzige,
unnuͤtze und ſchaͤdliche, ſondern eines ieden Stand es nuͤtzliche Buͤ-
cher und Schrifften verſtehen will. Der Hr. Meuſchen, welcher die-
ſe Diſſertationes mit einer Vorrede verſehen hat, redet von dem eitelen und
unnuͤtzen Buͤcher-Pracht unter andern folgender Maſſen: Jndem die
Gelehrſamkeit eine ſo Ruhm-wuͤrdige Sache iſt, daß viele, welche,
den gebuͤhrenden Fleiß anzuwenden, ungeſchickt ſind, doch nach
dieſer Ehre ein Verlangen tragen, ſo hat man allerhand Kuͤnſte er-
funden, dadurch man zum wenigſten das Anſehen und Schein eines
gelehrten Mannes uͤberkommen kan. Unter dergleichen Dingen
gehoͤret eine zahlreiche und koſtbare Bibliothec, welche mit einer un-
geheuren Menge theurer und wohl-gebundener Buͤcher, ſchoͤnen
Statuen, raren Muͤntzen, alten MSStic, zierlichen Bildern, und an-
dern ohne Verſtand zuſammen gerafften Seltſamkeiten angefuͤllt,
nach dem Ausſpruch aber des Frantzoͤſiſchen Koͤniges Ludovici XI.
dem Puckel eines gebrechlichen Menſchen zu vergleichen iſt, wel-
chen er in ziemlicher Groͤſſe ſtets mit ſich herum traͤget, und doch
niemals zu ſehen bekommt. Dazu kommt noch ein anderer Fehler,
daß ſolche Schein-Gelehrte dieſe eingeſammlete Fruͤchte kluger
Koͤpffe insgemein zu Schau-Gerichten machen, und ehe den Rat-
ten und Maͤuſen zur Speiſe, als zum gemeinen Beſten, andern
zum noͤthigen Gebrauch uͤberlaſſen ꝛc. So unverſtaͤndig aber, und
ohne dem geringſten Nutzen ſolche Bibliothecaliſche Sammlungen bey de-
nen Perſonen ſind, welche ſich, wie gedacht, nur dadurch einen weit bekand-
ten Namen zu erwerben ſuchen, fuͤr ſich ſelbſt aber und andere Leute nicht
beſſern Nutzen, als von einem verſchoſſenen Gefaͤngniß haben: So loͤblich,
heilſam und nuͤtzlich ſind ſolche Buͤcher-Sammlungen oder Stifftungen
groſſer Bibliothequen denenjenigen, welche die Buͤcher nicht darinnen be-
ſtauben, von Wuͤrmern und anderm Ungeziefer zerfreſſen, ſondern ſowol zu
ihrem eigenen, als gemeinen Nutzen, fleißig gebrauchen, und von anderen
Liebhabern der Gelehrſamkeit brauchen laſſen. Kayſer, Koͤnige, Fuͤrſten
und
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