DJe menschliche Natur hat unter vielen andern herrlichen Eigenschafften auch vornemlich diese an sich, daß sie nim- mer müßig seyn kan, sondern allezeit etwas vorhaben muß, dabey unsere Sinnen und Verstand immer in steter Bewegung sind. Diß Perpetuum mobile währet unter mannigfaltiger Abwechselung der Dinge, womit sie umgehen, so lange, bis daß das Band, welches unsern Leib und Seele verbindet, in der von GOtt bestimmten Stunde durch den Tod zerrissen wird: Alsdenn hat auch diese immerwährende Bewegung unserer Sin- nen ein Ende. Uber diese anerschaffene herrliche Eigenschafft hat nun der innere Mensch, ich meyne die Seele, die Herrschafft, und anbey das Ver- mögen, unsere Sinnen und Willen, die nach dem Fall des ersten Menschen von selbst zu nichts Gutes geneigt, dennoch zu GOtt-gefälligen und uns wohl anständigen Verrichtungen anzuführen. Wie ein grosses aber an solchen Verrichtungen, damit ichs wiederhole, gelegen sey, bezeuget der Höchste selber, indem wir am bevorstehenden grossen Gerichts-Tage da- von eine sehr genaue Rechnung ablegen sollen. 2. Cor. 5, 10. Derowe- gen haben wir in dieser Zeitlichkeit wol Ursache behutsam zu wandeln, und unsern wilden Lüsten nicht mit verhängtem Zaum den Zügel schiessen zu las- sen. Der Göttliche Befehl aber erfordert nicht allein von uns eine Unter- lassung des Bösen, sondern wir sollen auch was nützliches verrichten, wel- ches beydes zu unserm eigenen und unsers Nächsten Besten gedeihen mag. Dann ein bekandtes und wahres Sprichwort bleibt das: Nihil agen- do male agere discimus, d.i. indem wir nichts thun, lernen wir nur bö- ses thun: Und ist fast ein gleiches, wovor uns der weise Sirach warnet, wenn er spricht: Müßiggang lehret viel Böses.cap. 33, 29. Jch will diese Materie nicht weitläufftiger ausführen, sondern nur kürtzlich an- zeigen, daß mich eben dieses auf die Gedancken gebracht, bey einer sich mir erzeigenden Gelegenheit und bequemen Zeit, (darinnen ich meine seit eini-
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Vorrede des Autoris.
DJe menſchliche Natur hat unter vielen andern herrlichen Eigenſchafften auch vornemlich dieſe an ſich, daß ſie nim- mer muͤßig ſeyn kan, ſondern allezeit etwas vorhaben muß, dabey unſere Sinnen und Verſtand immer in ſteter Bewegung ſind. Diß Perpetuum mobile waͤhret unter mannigfaltiger Abwechſelung der Dinge, womit ſie umgehen, ſo lange, bis daß das Band, welches unſern Leib und Seele verbindet, in der von GOtt beſtimmten Stunde durch den Tod zerriſſen wird: Alsdenn hat auch dieſe immerwaͤhrende Bewegung unſerer Sin- nen ein Ende. Uber dieſe anerſchaffene herrliche Eigenſchafft hat nun der innere Menſch, ich meyne die Seele, die Herrſchafft, und anbey das Ver- moͤgen, unſere Sinnen und Willen, die nach dem Fall des erſten Menſchen von ſelbſt zu nichts Gutes geneigt, dennoch zu GOtt-gefaͤlligen und uns wohl anſtaͤndigen Verrichtungen anzufuͤhren. Wie ein groſſes aber an ſolchen Verrichtungen, damit ichs wiederhole, gelegen ſey, bezeuget der Hoͤchſte ſelber, indem wir am bevorſtehenden groſſen Gerichts-Tage da- von eine ſehr genaue Rechnung ablegen ſollen. 2. Cor. 5, 10. Derowe- gen haben wir in dieſer Zeitlichkeit wol Urſache behutſam zu wandeln, und unſern wilden Luͤſten nicht mit verhaͤngtem Zaum den Zuͤgel ſchieſſen zu laſ- ſen. Der Goͤttliche Befehl aber erfordert nicht allein von uns eine Unter- laſſung des Boͤſen, ſondern wir ſollen auch was nuͤtzliches verrichten, wel- ches beydes zu unſerm eigenen und unſers Naͤchſten Beſten gedeihen mag. Dann ein bekandtes und wahres Sprichwort bleibt das: Nihil agen- do male agere diſcimus, d.i. indem wir nichts thun, lernen wir nur boͤ- ſes thun: Und iſt faſt ein gleiches, wovor uns der weiſe Sirach warnet, wenn er ſpricht: Muͤßiggang lehret viel Boͤſes.cap. 33, 29. Jch will dieſe Materie nicht weitlaͤufftiger ausfuͤhren, ſondern nur kuͤrtzlich an- zeigen, daß mich eben dieſes auf die Gedancken gebracht, bey einer ſich mir erzeigenden Gelegenheit und bequemen Zeit, (darinnen ich meine ſeit eini-
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[0017]
Vorrede des Autoris.
DJe menſchliche Natur hat unter vielen andern herrlichen
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mer muͤßig ſeyn kan, ſondern allezeit etwas vorhaben
muß, dabey unſere Sinnen und Verſtand immer in ſteter
Bewegung ſind. Diß Perpetuum mobile waͤhret
unter mannigfaltiger Abwechſelung der Dinge, womit
ſie umgehen, ſo lange, bis daß das Band, welches unſern Leib und Seele
verbindet, in der von GOtt beſtimmten Stunde durch den Tod zerriſſen
wird: Alsdenn hat auch dieſe immerwaͤhrende Bewegung unſerer Sin-
nen ein Ende. Uber dieſe anerſchaffene herrliche Eigenſchafft hat nun der
innere Menſch, ich meyne die Seele, die Herrſchafft, und anbey das Ver-
moͤgen, unſere Sinnen und Willen, die nach dem Fall des erſten Menſchen
von ſelbſt zu nichts Gutes geneigt, dennoch zu GOtt-gefaͤlligen und uns
wohl anſtaͤndigen Verrichtungen anzufuͤhren. Wie ein groſſes aber an
ſolchen Verrichtungen, damit ichs wiederhole, gelegen ſey, bezeuget der
Hoͤchſte ſelber, indem wir am bevorſtehenden groſſen Gerichts-Tage da-
von eine ſehr genaue Rechnung ablegen ſollen. 2. Cor. 5, 10. Derowe-
gen haben wir in dieſer Zeitlichkeit wol Urſache behutſam zu wandeln, und
unſern wilden Luͤſten nicht mit verhaͤngtem Zaum den Zuͤgel ſchieſſen zu laſ-
ſen. Der Goͤttliche Befehl aber erfordert nicht allein von uns eine Unter-
laſſung des Boͤſen, ſondern wir ſollen auch was nuͤtzliches verrichten, wel-
ches beydes zu unſerm eigenen und unſers Naͤchſten Beſten gedeihen mag.
Dann ein bekandtes und wahres Sprichwort bleibt das: Nihil agen-
do male agere diſcimus, d.i. indem wir nichts thun, lernen wir nur boͤ-
ſes thun: Und iſt faſt ein gleiches, wovor uns der weiſe Sirach warnet,
wenn er ſpricht: Muͤßiggang lehret viel Boͤſes. cap. 33, 29. Jch
will dieſe Materie nicht weitlaͤufftiger ausfuͤhren, ſondern nur kuͤrtzlich an-
zeigen, daß mich eben dieſes auf die Gedancken gebracht, bey einer ſich mir
erzeigenden Gelegenheit und bequemen Zeit, (darinnen ich meine ſeit eini-
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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/17>, abgerufen am 24.11.2024.
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