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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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Von Museis I. Theil.

Jn dem andern Gemach: Die Statua Caji Marii und Herculis
in Ertzt, da der letzte noch ein Knabe gewesen, des Junii Bruti in Ertzt,
der berühmten Männer Diogenis, Platonis und Socratis Häupter aber in
Marmor. Das vortreffliche Bildniß des Wolffes, welche den jungen Ro-
mulus,
(als den Erbauer dieser Stadt, im 750. Jahr vor der Geburt
Christi) und Remus mit ihren Dütten oder Brüsten säuget. Und das fast
unvergleichliche Bildniß des jungen Mannes, welcher einen Dorn aus sei-
nem Fuß ziehet. Denen, so diese Historie etwa unbekandt, setze ich solche hieher:

"Ein junger Mensch lieff zu Fuß, und brachte Briefe an den Rath zu Rom,
"woran viel gelegen war, unter Weges trat er einen Dorn in seinen Fuß,
"doch nahm er sich die Zeit nicht, denselben auszuziehen, sondern eilte nur fort,
"und überlieferte dem Rath die Briefe; sobald er derselbigen nur los war,
"satzte er sich in ihrer aller Gegenwart in solcher Positur nieder, und zog den
"Dorn aus dem Fuß. Da der Rath seine grosse Treue im Eilen, bey dem
"frisch datirten Brief ersehen, haben sie alsobald durch einen erfahrnen Mei-
"ster sein Bild in solcher Positur aus Ertzt verfertigen, und zu ewigem Ge-
"dächtniß auf das Capitolium setzen lassen; sowol die Kunst in der Stel-
"lung der Positur, als Antiquität und sonderbare Ursache, setzet diese Statue
"in solchen hohen Estim, daß man dieselbe, ob sie gleich nur von Ertzt, den-
"noch dem Golde an Würden, ja von einigen 10mal höher geschätzt wird.

Der Gott Pan, die Göttin Silentia, die drey Furien, die Statua Caesars im
Harnisch, Castor und Pollux, der Löwe, der ein Pferd zerreist etc. sind mit mehr
Verwunderung zu besehen, als zu beschreiben.

Uns mangelt annoch in Rom eine Haupt-Sache, ich meyne die vor-
trefflichen und uberaus prächtigen Kirchen dieser Stadt, (die, wo man sich
auch hin wende, voller Schönheitsind.) Es wären die herrlichen Gemählde
und Schildereyen der übrigen schönen Epitaphien, auserlesenen Statuen, rei-
chen Altäre, besondern Kantzeln, mehr denn tausenderley kostbare Reliquien,
und mehr denn hundert tausenderley Pretiosa zu geschweigen, allein meriti-
rend, alle und iede Kirchen in genauer Observanz zu nehmen: Da aber, wie
schon mehrmalen gemeldet, auch bloß eine umständliche Beschreibung der
Römischen Kirchen einen grossen Folianten allein ausmachen könte, als wird
keiner solche weitläufftige Erzehlung von diesem kleinen Werck praetendiren;
darum will ich nur kürtzlich ihre Namen anführen. Darunter verdienet
denn billig die erste Stelle mit Recht die S. Petrus-Kirche: Jch weiß nicht, was
ich dieser Kirche für einen Namen beylegen soll; schön, vortrefflich, herrlich
sind zu gering. Darum kan ich mich keiner andern Expression gebrauchen,
als daß diese Kirche die allerberühmteste, nicht nur in Rom und Europa,

son-
Von Muſeis I. Theil.

Jn dem andern Gemach: Die Statua Caji Marii und Herculis
in Ertzt, da der letzte noch ein Knabe geweſen, des Junii Bruti in Ertzt,
der beruͤhmten Maͤnner Diogenis, Platonis und Socratis Haͤupter aber in
Marmor. Das vortreffliche Bildniß des Wolffes, welche den jungen Ro-
mulus,
(als den Erbauer dieſer Stadt, im 750. Jahr vor der Geburt
Chriſti) und Remus mit ihren Duͤtten oder Bruͤſten ſaͤuget. Und das faſt
unvergleichliche Bildniß des jungen Mannes, welcher einen Dorn aus ſei-
nem Fuß ziehet. Denen, ſo dieſe Hiſtorie etwa unbekandt, ſetze ich ſolche hieher:

„Ein junger Menſch lieff zu Fuß, und brachte Briefe an den Rath zu Rom,
„woran viel gelegen war, unter Weges trat er einen Dorn in ſeinen Fuß,
„doch nahm er ſich die Zeit nicht, denſelben auszuziehen, ſondern eilte nur fort,
„und uͤberlieferte dem Rath die Briefe; ſobald er derſelbigen nur los war,
„ſatzte er ſich in ihrer aller Gegenwart in ſolcher Poſitur nieder, und zog den
„Dorn aus dem Fuß. Da der Rath ſeine groſſe Treue im Eilen, bey dem
„friſch datirten Brief erſehen, haben ſie alſobald durch einen erfahrnen Mei-
„ſter ſein Bild in ſolcher Poſitur aus Ertzt verfertigen, und zu ewigem Ge-
„daͤchtniß auf das Capitolium ſetzen laſſen; ſowol die Kunſt in der Stel-
„lung der Poſitur, als Antiquität und ſonderbare Urſache, ſetzet dieſe Statuë
„in ſolchen hohen Eſtim, daß man dieſelbe, ob ſie gleich nur von Ertzt, den-
„noch dem Golde an Wuͤrden, ja von einigen 10mal hoͤher geſchaͤtzt wird.

Der Gott Pan, die Goͤttin Silentia, die drey Furien, die Statua Cæſars im
Harniſch, Caſtor und Pollux, der Loͤwe, der ein Pferd zerreiſt ꝛc. ſind mit mehr
Verwunderung zu beſehen, als zu beſchreiben.

Uns mangelt annoch in Rom eine Haupt-Sache, ich meyne die vor-
trefflichen und uberaus praͤchtigen Kirchen dieſer Stadt, (die, wo man ſich
auch hin wende, voller Schoͤnheitſind.) Es waͤren die herrlichen Gemaͤhlde
und Schildereyen der uͤbrigen ſchoͤnen Epitaphien, auserleſenen Statuen, rei-
chen Altaͤre, beſondern Kantzeln, mehr denn tauſenderley koſtbare Reliquien,
und mehr denn hundert tauſenderley Pretioſa zu geſchweigen, allein meriti-
rend, alle und iede Kirchen in genauer Obſervanz zu nehmen: Da aber, wie
ſchon mehrmalen gemeldet, auch bloß eine umſtaͤndliche Beſchreibung der
Roͤmiſchen Kirchen einen groſſen Folianten allein ausmachen koͤnte, als wird
keiner ſolche weitlaͤufftige Erzehlung von dieſem kleinen Werck prætendiren;
darum will ich nur kuͤrtzlich ihre Namen anfuͤhren. Darunter verdienet
denn billig die erſte Stelle mit Recht die S. Petrus-Kirche: Jch weiß nicht, was
ich dieſer Kirche fuͤr einen Namen beylegen ſoll; ſchoͤn, vortrefflich, herrlich
ſind zu gering. Darum kan ich mich keiner andern Expreſſion gebrauchen,
als daß dieſe Kirche die allerberuͤhmteſte, nicht nur in Rom und Europa,

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[102/0130] Von Muſeis I. Theil. Jn dem andern Gemach: Die Statua Caji Marii und Herculis in Ertzt, da der letzte noch ein Knabe geweſen, des Junii Bruti in Ertzt, der beruͤhmten Maͤnner Diogenis, Platonis und Socratis Haͤupter aber in Marmor. Das vortreffliche Bildniß des Wolffes, welche den jungen Ro- mulus, (als den Erbauer dieſer Stadt, im 750. Jahr vor der Geburt Chriſti) und Remus mit ihren Duͤtten oder Bruͤſten ſaͤuget. Und das faſt unvergleichliche Bildniß des jungen Mannes, welcher einen Dorn aus ſei- nem Fuß ziehet. Denen, ſo dieſe Hiſtorie etwa unbekandt, ſetze ich ſolche hieher: „Ein junger Menſch lieff zu Fuß, und brachte Briefe an den Rath zu Rom, „woran viel gelegen war, unter Weges trat er einen Dorn in ſeinen Fuß, „doch nahm er ſich die Zeit nicht, denſelben auszuziehen, ſondern eilte nur fort, „und uͤberlieferte dem Rath die Briefe; ſobald er derſelbigen nur los war, „ſatzte er ſich in ihrer aller Gegenwart in ſolcher Poſitur nieder, und zog den „Dorn aus dem Fuß. Da der Rath ſeine groſſe Treue im Eilen, bey dem „friſch datirten Brief erſehen, haben ſie alſobald durch einen erfahrnen Mei- „ſter ſein Bild in ſolcher Poſitur aus Ertzt verfertigen, und zu ewigem Ge- „daͤchtniß auf das Capitolium ſetzen laſſen; ſowol die Kunſt in der Stel- „lung der Poſitur, als Antiquität und ſonderbare Urſache, ſetzet dieſe Statuë „in ſolchen hohen Eſtim, daß man dieſelbe, ob ſie gleich nur von Ertzt, den- „noch dem Golde an Wuͤrden, ja von einigen 10mal hoͤher geſchaͤtzt wird. Der Gott Pan, die Goͤttin Silentia, die drey Furien, die Statua Cæſars im Harniſch, Caſtor und Pollux, der Loͤwe, der ein Pferd zerreiſt ꝛc. ſind mit mehr Verwunderung zu beſehen, als zu beſchreiben. Uns mangelt annoch in Rom eine Haupt-Sache, ich meyne die vor- trefflichen und uberaus praͤchtigen Kirchen dieſer Stadt, (die, wo man ſich auch hin wende, voller Schoͤnheitſind.) Es waͤren die herrlichen Gemaͤhlde und Schildereyen der uͤbrigen ſchoͤnen Epitaphien, auserleſenen Statuen, rei- chen Altaͤre, beſondern Kantzeln, mehr denn tauſenderley koſtbare Reliquien, und mehr denn hundert tauſenderley Pretioſa zu geſchweigen, allein meriti- rend, alle und iede Kirchen in genauer Obſervanz zu nehmen: Da aber, wie ſchon mehrmalen gemeldet, auch bloß eine umſtaͤndliche Beſchreibung der Roͤmiſchen Kirchen einen groſſen Folianten allein ausmachen koͤnte, als wird keiner ſolche weitlaͤufftige Erzehlung von dieſem kleinen Werck prætendiren; darum will ich nur kuͤrtzlich ihre Namen anfuͤhren. Darunter verdienet denn billig die erſte Stelle mit Recht die S. Petrus-Kirche: Jch weiß nicht, was ich dieſer Kirche fuͤr einen Namen beylegen ſoll; ſchoͤn, vortrefflich, herrlich ſind zu gering. Darum kan ich mich keiner andern Expreſſion gebrauchen, als daß dieſe Kirche die allerberuͤhmteſte, nicht nur in Rom und Europa, ſon-

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/130>, abgerufen am 24.11.2024.