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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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Von Museis I. Theil
Ein groß Cabinet von Medaillen, nebst vielen andern Raritäten. Jn einem
kleinen Hinterhofe dieses Pallasts stehet der berühmte Toro. Es ist ein grosses
Bild, so einen ungeheuren Ochsen praesentiret, an welches Hörnern ein
Seil oder Strick gemacht ist, an deren Ende ist ein Weib mit den Haaren
am Stricke fest gemacht; zwey starcke Gesellen wollen diesen Ochsen ins
Meer stürtzen, und das Weib muß nothwendig, weil sie an denselben gefes-
selt, mit hinunter. Es soll aber diese Statue vorstellen die bekandte Histo-
rie vom Amphion und Zeibus, die den Schimpff ihrer Mutter Anthiope
an der Dirce rächen wollen, weil diese den König von Theben, Lycum,
dahin gebracht, daß er ihre Mutter Anthiope verstossen, und sie an
deren statt ehelichen möchte; diese Brüder haben die Dirce zur Straffe mit
den Haaren an den Ochsen geknüpfft, und beyde ins Wasser geworffen.
Der Ochse, die zween Brüder, das Weib, ein kleiner Junge und ein Hund,
sind alle aus einem Marmor-Stein gehauen. Jn dem Pallast des Hertzogs
Matthaei findet man viele schöne Statuen und Gemählde, sonderlich dasje-
nige, welches vorstellet, wie Pabst Clemens VIII. von Rom nach Ferrara
ziehet. Der Pallast Riari hat eine Gallerie von schönen Gemählden, Sta-
tu
en, vielen Antiquitaeten, Müntzen und Edelgesteinen, und unter diesen letz-
tern eine Medaillon von Onyx, darauf Ciceronis Bildniß im Profil herrlich
geschnitten. Jn dem Pallast Colonna findet man vortreffliche Gemählde, auch
einige Statuen etc. Der Pallast Barberini Palestrina ist nächst dem Vatica-
no
der gröste, hat 4000 Zimmer; das rareste von Antiquitaeten ist in selbi-
gem die kleine Diana, die Tullia, eines der schönsten in Rom; der Gott Osiris;
dieser ist nebst dem Obeliscus del Minerva unter den Ruinen der Isis Tempel ge-
funden worden; it. das Brust-Stück Pabst Urbani VIII. welches ein Blin-
der gemacht, und ihm doch am allerähnlichsten sieht. Jn dem andern Pal-
last Barberini, nebst denen Fontainen über, ist eine Menge von Raritaten,
Antiquitaeten und allerley schönen Sachen zu besehen: Die dabey befindli-
che herrliche Bibliothec schätzet man auf 40000. Bände. Jn dem vortreff-
lichen Pallast Burghese bemercket man folgende unterschiedliche Curösitäten:
1) Schöne Tapezereyen, darauf ein Layen-Bruder: Die Historie von der
Königin aus Saba, wie sie den König Salomon besuchet: Der Raptus
der Sabinen. 2) Ein groß Cabinet von Eben-Holtz, besetzt mit von Gold
verfertigten Statuen und köstlichen Steinen, wird auf 6000. Cronen geschä-
tzet. 3) Ein schön Gemählde von Hercules und Antheus. 4) Raphaels eignes
Contrefait. 5) Das letzte Nachtmahl Christi von Titian. 6) Die kleine Hin-
ter-Gallerie voll Gemählden, darunter D. Martin Luther, Nicolao Mathia-
vello
und Cesar Borgia. 7) Die unterste Gallerie voller Bilder und Ge-
mählde, sonderlich der Borghesianischen Familie. Man bemercket auch

in

Von Muſeis I. Theil
Ein groß Cabinet von Medaillen, nebſt vielen andern Raritaͤten. Jn einem
kleinen Hinterhofe dieſes Pallaſts ſtehet der beruͤhmte Toro. Es iſt ein groſſes
Bild, ſo einen ungeheuren Ochſen præſentiret, an welches Hoͤrnern ein
Seil oder Strick gemacht iſt, an deren Ende iſt ein Weib mit den Haaren
am Stricke feſt gemacht; zwey ſtarcke Geſellen wollen dieſen Ochſen ins
Meer ſtuͤrtzen, und das Weib muß nothwendig, weil ſie an denſelben gefeſ-
ſelt, mit hinunter. Es ſoll aber dieſe Statue vorſtellen die bekandte Hiſto-
rie vom Amphion und Zeibus, die den Schimpff ihrer Mutter Anthiope
an der Dirce raͤchen wollen, weil dieſe den Koͤnig von Theben, Lycum,
dahin gebracht, daß er ihre Mutter Anthiope verſtoſſen, und ſie an
deren ſtatt ehelichen moͤchte; dieſe Bruͤder haben die Dirce zur Straffe mit
den Haaren an den Ochſen geknuͤpfft, und beyde ins Waſſer geworffen.
Der Ochſe, die zween Bruͤder, das Weib, ein kleiner Junge und ein Hund,
ſind alle aus einem Marmor-Stein gehauen. Jn dem Pallaſt des Hertzogs
Matthæi findet man viele ſchoͤne Statuen und Gemaͤhlde, ſonderlich dasje-
nige, welches vorſtellet, wie Pabſt Clemens VIII. von Rom nach Ferrara
ziehet. Der Pallaſt Riari hat eine Gallerie von ſchoͤnen Gemaͤhlden, Sta-
tu
en, vielen Antiquitæten, Muͤntzen und Edelgeſteinen, und unter dieſen letz-
tern eine Medaillon von Onyx, darauf Ciceronis Bildniß im Profil herrlich
geſchnitten. Jn dem Pallaſt Colonna findet man vortreffliche Gemaͤhlde, auch
einige Statuen ꝛc. Der Pallaſt Barberini Paleſtrina iſt naͤchſt dem Vatica-
no
der groͤſte, hat 4000 Zimmer; das rareſte von Antiquitæten iſt in ſelbi-
gem die kleine Diana, die Tullia, eines der ſchoͤnſten in Rom; der Gott Oſiris;
dieſer iſt nebſt dem Obeliſcus del Minerva unter den Ruinen der Iſis Tempel ge-
funden worden; it. das Bruſt-Stuͤck Pabſt Urbani VIII. welches ein Blin-
der gemacht, und ihm doch am alleraͤhnlichſten ſieht. Jn dem andern Pal-
laſt Barberini, nebſt denen Fontainen uͤber, iſt eine Menge von Raritaten,
Antiquitæten und allerley ſchoͤnen Sachen zu beſehen: Die dabey befindli-
che herrliche Bibliothec ſchaͤtzet man auf 40000. Baͤnde. Jn dem vortreff-
lichen Pallaſt Burgheſe bemercket man folgende unterſchiedliche Curöſitäten:
1) Schoͤne Tapezereyen, darauf ein Layen-Bruder: Die Hiſtorie von der
Koͤnigin aus Saba, wie ſie den Koͤnig Salomon beſuchet: Der Raptus
der Sabinen. 2) Ein groß Cabinet von Eben-Holtz, beſetzt mit von Gold
verfertigten Statuen und koͤſtlichen Steinen, wird auf 6000. Cronen geſchaͤ-
tzet. 3) Ein ſchoͤn Gemaͤhlde von Hercules und Antheus. 4) Raphaëls eignes
Contrefait. 5) Das letzte Nachtmahl Chriſti von Titian. 6) Die kleine Hin-
ter-Gallerie voll Gemaͤhlden, darunter D. Martin Luther, Nicolao Mathia-
vello
und Ceſar Borgia. 7) Die unterſte Gallerie voller Bilder und Ge-
maͤhlde, ſonderlich der Borgheſianiſchen Familie. Man bemercket auch

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[92/0120] Von Muſeis I. Theil Ein groß Cabinet von Medaillen, nebſt vielen andern Raritaͤten. Jn einem kleinen Hinterhofe dieſes Pallaſts ſtehet der beruͤhmte Toro. Es iſt ein groſſes Bild, ſo einen ungeheuren Ochſen præſentiret, an welches Hoͤrnern ein Seil oder Strick gemacht iſt, an deren Ende iſt ein Weib mit den Haaren am Stricke feſt gemacht; zwey ſtarcke Geſellen wollen dieſen Ochſen ins Meer ſtuͤrtzen, und das Weib muß nothwendig, weil ſie an denſelben gefeſ- ſelt, mit hinunter. Es ſoll aber dieſe Statue vorſtellen die bekandte Hiſto- rie vom Amphion und Zeibus, die den Schimpff ihrer Mutter Anthiope an der Dirce raͤchen wollen, weil dieſe den Koͤnig von Theben, Lycum, dahin gebracht, daß er ihre Mutter Anthiope verſtoſſen, und ſie an deren ſtatt ehelichen moͤchte; dieſe Bruͤder haben die Dirce zur Straffe mit den Haaren an den Ochſen geknuͤpfft, und beyde ins Waſſer geworffen. Der Ochſe, die zween Bruͤder, das Weib, ein kleiner Junge und ein Hund, ſind alle aus einem Marmor-Stein gehauen. Jn dem Pallaſt des Hertzogs Matthæi findet man viele ſchoͤne Statuen und Gemaͤhlde, ſonderlich dasje- nige, welches vorſtellet, wie Pabſt Clemens VIII. von Rom nach Ferrara ziehet. Der Pallaſt Riari hat eine Gallerie von ſchoͤnen Gemaͤhlden, Sta- tuen, vielen Antiquitæten, Muͤntzen und Edelgeſteinen, und unter dieſen letz- tern eine Medaillon von Onyx, darauf Ciceronis Bildniß im Profil herrlich geſchnitten. Jn dem Pallaſt Colonna findet man vortreffliche Gemaͤhlde, auch einige Statuen ꝛc. Der Pallaſt Barberini Paleſtrina iſt naͤchſt dem Vatica- no der groͤſte, hat 4000 Zimmer; das rareſte von Antiquitæten iſt in ſelbi- gem die kleine Diana, die Tullia, eines der ſchoͤnſten in Rom; der Gott Oſiris; dieſer iſt nebſt dem Obeliſcus del Minerva unter den Ruinen der Iſis Tempel ge- funden worden; it. das Bruſt-Stuͤck Pabſt Urbani VIII. welches ein Blin- der gemacht, und ihm doch am alleraͤhnlichſten ſieht. Jn dem andern Pal- laſt Barberini, nebſt denen Fontainen uͤber, iſt eine Menge von Raritaten, Antiquitæten und allerley ſchoͤnen Sachen zu beſehen: Die dabey befindli- che herrliche Bibliothec ſchaͤtzet man auf 40000. Baͤnde. Jn dem vortreff- lichen Pallaſt Burgheſe bemercket man folgende unterſchiedliche Curöſitäten: 1) Schoͤne Tapezereyen, darauf ein Layen-Bruder: Die Hiſtorie von der Koͤnigin aus Saba, wie ſie den Koͤnig Salomon beſuchet: Der Raptus der Sabinen. 2) Ein groß Cabinet von Eben-Holtz, beſetzt mit von Gold verfertigten Statuen und koͤſtlichen Steinen, wird auf 6000. Cronen geſchaͤ- tzet. 3) Ein ſchoͤn Gemaͤhlde von Hercules und Antheus. 4) Raphaëls eignes Contrefait. 5) Das letzte Nachtmahl Chriſti von Titian. 6) Die kleine Hin- ter-Gallerie voll Gemaͤhlden, darunter D. Martin Luther, Nicolao Mathia- vello und Ceſar Borgia. 7) Die unterſte Gallerie voller Bilder und Ge- maͤhlde, ſonderlich der Borgheſianiſchen Familie. Man bemercket auch in

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/120>, abgerufen am 22.11.2024.