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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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Von Museis I. Theil
gelehrte Männer habe. Nur eintzig und allein ist zu betauren, daß dieser
sonst gelehrte Mann einen so grossen Fehler in der Veränderung seiner Re-
ligion begangen. Wir gehen aus dem Päbstlichen Vaticano oder berühm-
ten Pallast nach Belvedere. Michael Angelo hat diesen Garten sein Studium
genannt, wegen der vielen herrlichen Statuen, die in den kleinen Capellen in
der Mauer rings-herum gesetzt sind. Warlich das Vaticanum ist ein herr-
lich Gebäue: Oben siehet man itztgemeldte vortreffliche Bibliothec und
Kunst-Kammer des Pabstes, unten das Päbstliche Zeughaus, und hier
in diesem Garten die überaus wohl-inventionirte Wasser-Grotte, in wel-
cher Apollo mit den 9. Musen auf dem Parnasso sitzt, und auf Flöten spielen.
Unter denen gemeldten Statuen admiriret man den Nilus, die Tiber. Kayser
Adrianus von Antinor ist aus purem Orientalischen Marmor gehauen: Die
Cleopatra, Venus wie sie aus dem Bade kommt: Commodus: Der mitten im
Garten befindliche Strumpff oder Truncus, eine zwar zerstümmelte, doch
so künstlich und natürlich gehauene Statua des Herculis ohne Kopff, Arme
und Beine, daß Michael Angelo gestehen müssen, er habe mehr von diesem
gestümmelten Bilde gelernet, als von allen anderen gantzen, die er iemals
gesehen. Der Name des Bildhauers ist in das Fußgestelle gegraben:
APOLLONIOS NESTOROS AThENAIOS. Von der Statue Laxoon
macht man auch sonderlich Estim; die Groupe ist aus einem Stück Mar-
mor, und ein Meisterstück welches von Agesander, Polydore und Atheno-
dore
,
die allesamt Griechische Bildhauers gewesen, verfertiget ist. Was
im übrigen den Garten anlanget, so ist derselbe nicht allein groß und viereckt,
sondern auch voller der anmuthigsten Bäume, Gewächse, Kräuter, Blu-
men, schattigten Gängen, Grotten und schönen Brunnen.

Ehe ich noch gantz und gar von diesem Belvedere und dessen Gegend ge-
he, fället mir noch bey, es möchte ein oder ander fragen, warum ich den Trun-
cus,
den Strumpff Hercules genannt, allegire? dem sey geantwortet, daß
Mr. Richard Lassel, ein genauer und curieuser Unterfucher der Antiquitäten,
an dieser zerstümmelten Statua selbst ein Stück von der Löwen-Haut observi-
ret, welches ihm allen Zweifel benommen, daß dieses Herculis Bildniß gewe-
fen. Noch möchte dieses auch allen eben nicht bekandt seyn, was die Statua
Laxoon
eigentlich gewesen? so zeiget uns der wohl-gereiste J. Limberg pag.
193. daß dieses eine Statue gewesen, welche einen Vater mit seinen Kin-
dern dermassen künstlich mit Schlangen umgeben vorstellet, daß weder der
Vater den Kindern, noch die Kinder dem Vater helffen können, so alles aus
einem Marmor gehauen. Und hiemit lasse ichs bey der Beschreibung des
Päbstlichen Vaticani und dessen Lustbarkeiten bewenden: Wer aber meh-

res

Von Muſeis I. Theil
gelehrte Maͤnner habe. Nur eintzig und allein iſt zu betauren, daß dieſer
ſonſt gelehrte Mann einen ſo groſſen Fehler in der Veraͤnderung ſeiner Re-
ligion begangen. Wir gehen aus dem Paͤbſtlichen Vaticano oder beruͤhm-
ten Pallaſt nach Belvedere. Michaël Angelo hat dieſen Garten ſein Studium
genannt, wegen der vielen herrlichen Statuen, die in den kleinen Capellen in
der Mauer rings-herum geſetzt ſind. Warlich das Vaticanum iſt ein herr-
lich Gebaͤue: Oben ſiehet man itztgemeldte vortreffliche Bibliothec und
Kunſt-Kammer des Pabſtes, unten das Paͤbſtliche Zeughaus, und hier
in dieſem Garten die uͤberaus wohl-inventionirte Waſſer-Grotte, in wel-
cher Apollo mit den 9. Muſen auf dem Parnaſſo ſitzt, und auf Floͤten ſpielen.
Unter denen gemeldten Statuen admiriret man den Nilus, die Tiber. Kayſer
Adrianus von Antinor iſt aus purem Orientaliſchen Marmor gehauen: Die
Cleopatra, Venus wie ſie aus dem Bade kommt: Commodus: Der mitten im
Garten befindliche Strumpff oder Truncus, eine zwar zerſtuͤmmelte, doch
ſo kuͤnſtlich und natuͤrlich gehauene Statua des Herculis ohne Kopff, Arme
und Beine, daß Michaël Angelo geſtehen muͤſſen, er habe mehr von dieſem
geſtuͤmmelten Bilde gelernet, als von allen anderen gantzen, die er iemals
geſehen. Der Name des Bildhauers iſt in das Fußgeſtelle gegraben:
ΑΠΟΛΛΟΝΙΟΣ ΝΗΣΤΟΡΟΣ ΑΘΗΝΑΙΟΣ. Von der Statue Laxoon
macht man auch ſonderlich Eſtim; die Groupe iſt aus einem Stuͤck Mar-
mor, und ein Meiſterſtuͤck welches von Ageſander, Polydore und Atheno-
dore
,
die alleſamt Griechiſche Bildhauers geweſen, verfertiget iſt. Was
im uͤbrigen den Garten anlanget, ſo iſt derſelbe nicht allein groß und viereckt,
ſondern auch voller der anmuthigſten Baͤume, Gewaͤchſe, Kraͤuter, Blu-
men, ſchattigten Gaͤngen, Grotten und ſchoͤnen Brunnen.

Ehe ich noch gantz und gar von dieſem Belvedere und deſſen Gegend ge-
he, faͤllet mir noch bey, es moͤchte ein oder ander fragen, warum ich den Trun-
cus,
den Strumpff Hercules genannt, allegire? dem ſey geantwortet, daß
Mr. Richard Laſſel, ein genauer und curieuſer Unterfucher der Antiquitäten,
an dieſer zerſtuͤmmelten Statua ſelbſt ein Stuͤck von der Loͤwen-Haut obſervi-
ret, welches ihm allen Zweifel benommen, daß dieſes Herculis Bildniß gewe-
fen. Noch moͤchte dieſes auch allen eben nicht bekandt ſeyn, was die Statua
Laxoon
eigentlich geweſen? ſo zeiget uns der wohl-gereiſte J. Limberg pag.
193. daß dieſes eine Statue geweſen, welche einen Vater mit ſeinen Kin-
dern dermaſſen kuͤnſtlich mit Schlangen umgeben vorſtellet, daß weder der
Vater den Kindern, noch die Kinder dem Vater helffen koͤnnen, ſo alles aus
einem Marmor gehauen. Und hiemit laſſe ichs bey der Beſchreibung des
Paͤbſtlichen Vaticani und deſſen Luſtbarkeiten bewenden: Wer aber meh-

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[90/0118] Von Muſeis I. Theil gelehrte Maͤnner habe. Nur eintzig und allein iſt zu betauren, daß dieſer ſonſt gelehrte Mann einen ſo groſſen Fehler in der Veraͤnderung ſeiner Re- ligion begangen. Wir gehen aus dem Paͤbſtlichen Vaticano oder beruͤhm- ten Pallaſt nach Belvedere. Michaël Angelo hat dieſen Garten ſein Studium genannt, wegen der vielen herrlichen Statuen, die in den kleinen Capellen in der Mauer rings-herum geſetzt ſind. Warlich das Vaticanum iſt ein herr- lich Gebaͤue: Oben ſiehet man itztgemeldte vortreffliche Bibliothec und Kunſt-Kammer des Pabſtes, unten das Paͤbſtliche Zeughaus, und hier in dieſem Garten die uͤberaus wohl-inventionirte Waſſer-Grotte, in wel- cher Apollo mit den 9. Muſen auf dem Parnaſſo ſitzt, und auf Floͤten ſpielen. Unter denen gemeldten Statuen admiriret man den Nilus, die Tiber. Kayſer Adrianus von Antinor iſt aus purem Orientaliſchen Marmor gehauen: Die Cleopatra, Venus wie ſie aus dem Bade kommt: Commodus: Der mitten im Garten befindliche Strumpff oder Truncus, eine zwar zerſtuͤmmelte, doch ſo kuͤnſtlich und natuͤrlich gehauene Statua des Herculis ohne Kopff, Arme und Beine, daß Michaël Angelo geſtehen muͤſſen, er habe mehr von dieſem geſtuͤmmelten Bilde gelernet, als von allen anderen gantzen, die er iemals geſehen. Der Name des Bildhauers iſt in das Fußgeſtelle gegraben: ΑΠΟΛΛΟΝΙΟΣ ΝΗΣΤΟΡΟΣ ΑΘΗΝΑΙΟΣ. Von der Statue Laxoon macht man auch ſonderlich Eſtim; die Groupe iſt aus einem Stuͤck Mar- mor, und ein Meiſterſtuͤck welches von Ageſander, Polydore und Atheno- dore, die alleſamt Griechiſche Bildhauers geweſen, verfertiget iſt. Was im uͤbrigen den Garten anlanget, ſo iſt derſelbe nicht allein groß und viereckt, ſondern auch voller der anmuthigſten Baͤume, Gewaͤchſe, Kraͤuter, Blu- men, ſchattigten Gaͤngen, Grotten und ſchoͤnen Brunnen. Ehe ich noch gantz und gar von dieſem Belvedere und deſſen Gegend ge- he, faͤllet mir noch bey, es moͤchte ein oder ander fragen, warum ich den Trun- cus, den Strumpff Hercules genannt, allegire? dem ſey geantwortet, daß Mr. Richard Laſſel, ein genauer und curieuſer Unterfucher der Antiquitäten, an dieſer zerſtuͤmmelten Statua ſelbſt ein Stuͤck von der Loͤwen-Haut obſervi- ret, welches ihm allen Zweifel benommen, daß dieſes Herculis Bildniß gewe- fen. Noch moͤchte dieſes auch allen eben nicht bekandt ſeyn, was die Statua Laxoon eigentlich geweſen? ſo zeiget uns der wohl-gereiſte J. Limberg pag. 193. daß dieſes eine Statue geweſen, welche einen Vater mit ſeinen Kin- dern dermaſſen kuͤnſtlich mit Schlangen umgeben vorſtellet, daß weder der Vater den Kindern, noch die Kinder dem Vater helffen koͤnnen, ſo alles aus einem Marmor gehauen. Und hiemit laſſe ichs bey der Beſchreibung des Paͤbſtlichen Vaticani und deſſen Luſtbarkeiten bewenden: Wer aber meh- res

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/118>, abgerufen am 22.11.2024.