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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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liche Gesetze; also können auch die logischen Grundgesetze
der Erkenntnis nur kausale Gesetze sein.

Welcher Art sollen denn diese die Logik erst begründenden
kausalen Gesetze sein? Hier antwortet die eine Partei: es
sind Naturgesetze wie alle sonstigen, und zwar biologische Ge-
setze (Avenarius und seine Schule); eine andre: es sind eigen-
tümlich psychologische Gesetze (so besonders Lipps).

Jene beweisen etwa, es sei im allgemeinen lebenfördern-
der, ökonomischer, Uebereinstimmung in seinem Denken und
besonders mit den Thatsachen zu suchen als nicht. Sie zeigen,
welche relativen Vorteile das dem entsprechende, d. i. logische
Denken wenigstens unter gewissen allgemeinen, normalen
Umständen bietet. Da nun lebende Wesen im allgemeinen,
nämlich soweit sie können, das ihrer Erhaltung unter nor-
malen Bedingungen Förderliche suchen, so wird also eine ge-
wisse allgemeine Anpassung des unter hinlänglich günstigen
Bedingungen sich entwickelnden menschlichen Denkens an die
logischen Normen stattfinden. Unter andern Bedingungen
findet sich diese Anpassung thatsächlich nicht oder nur un-
vollkommen; man denkt eben unlogisch.

Wir wollen die ganze, ziemlich grosse Unbestimmtheit der
Behauptung wie der Beweisführung nicht weiter bemängeln;
wir fragen nur: ist das, was man so zu begründen glaubt,
überhaupt der Sinn der logischen Gesetze? Stossen wir uns
auch daran nicht, dass man unterlässt, die fraglichen Gesetze
von einem einleuchtenden Anfang in überzeugender Deduktion
zu entwickeln, dass man sie vielmehr einfach als gegeben an-
zunehmen scheint, was wir nicht zugeben könnten; so besagen
doch die Gesetze der Logik gar nicht, wie man im allgemeinen,
unter normalen Umständen denkt, sehr oft aber auch nicht,
sondern sie erklären ganz ohne einschränkende Bedingung ein
solches und solches, bestimmten Forderungen genügendes
Denken für richtig, das entgegengesetzte für falsch; d. h. sie
erklären, was so und so gedacht ist, das allein ist, was
anders, das ist nicht, und zwischen diesem Sic et Non gilt
kein Kompromiss, kein "unter Umständen" und "normaler-
weise", sondern einzig das Verhältnis reiner Ausschliessung.

liche Gesetze; also können auch die logischen Grundgesetze
der Erkenntnis nur kausale Gesetze sein.

Welcher Art sollen denn diese die Logik erst begründenden
kausalen Gesetze sein? Hier antwortet die eine Partei: es
sind Naturgesetze wie alle sonstigen, und zwar biologische Ge-
setze (Avenarius und seine Schule); eine andre: es sind eigen-
tümlich psychologische Gesetze (so besonders Lipps).

Jene beweisen etwa, es sei im allgemeinen lebenfördern-
der, ökonomischer, Uebereinstimmung in seinem Denken und
besonders mit den Thatsachen zu suchen als nicht. Sie zeigen,
welche relativen Vorteile das dem entsprechende, d. i. logische
Denken wenigstens unter gewissen allgemeinen, normalen
Umständen bietet. Da nun lebende Wesen im allgemeinen,
nämlich soweit sie können, das ihrer Erhaltung unter nor-
malen Bedingungen Förderliche suchen, so wird also eine ge-
wisse allgemeine Anpassung des unter hinlänglich günstigen
Bedingungen sich entwickelnden menschlichen Denkens an die
logischen Normen stattfinden. Unter andern Bedingungen
findet sich diese Anpassung thatsächlich nicht oder nur un-
vollkommen; man denkt eben unlogisch.

Wir wollen die ganze, ziemlich grosse Unbestimmtheit der
Behauptung wie der Beweisführung nicht weiter bemängeln;
wir fragen nur: ist das, was man so zu begründen glaubt,
überhaupt der Sinn der logischen Gesetze? Stossen wir uns
auch daran nicht, dass man unterlässt, die fraglichen Gesetze
von einem einleuchtenden Anfang in überzeugender Deduktion
zu entwickeln, dass man sie vielmehr einfach als gegeben an-
zunehmen scheint, was wir nicht zugeben könnten; so besagen
doch die Gesetze der Logik gar nicht, wie man im allgemeinen,
unter normalen Umständen denkt, sehr oft aber auch nicht,
sondern sie erklären ganz ohne einschränkende Bedingung ein
solches und solches, bestimmten Forderungen genügendes
Denken für richtig, das entgegengesetzte für falsch; d. h. sie
erklären, was so und so gedacht ist, das allein ist, was
anders, das ist nicht, und zwischen diesem Sic et Non gilt
kein Kompromiss, kein „unter Umständen“ und „normaler-
weise“, sondern einzig das Verhältnis reiner Ausschliessung.

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[16/0032] liche Gesetze; also können auch die logischen Grundgesetze der Erkenntnis nur kausale Gesetze sein. Welcher Art sollen denn diese die Logik erst begründenden kausalen Gesetze sein? Hier antwortet die eine Partei: es sind Naturgesetze wie alle sonstigen, und zwar biologische Ge- setze (Avenarius und seine Schule); eine andre: es sind eigen- tümlich psychologische Gesetze (so besonders Lipps). Jene beweisen etwa, es sei im allgemeinen lebenfördern- der, ökonomischer, Uebereinstimmung in seinem Denken und besonders mit den Thatsachen zu suchen als nicht. Sie zeigen, welche relativen Vorteile das dem entsprechende, d. i. logische Denken wenigstens unter gewissen allgemeinen, normalen Umständen bietet. Da nun lebende Wesen im allgemeinen, nämlich soweit sie können, das ihrer Erhaltung unter nor- malen Bedingungen Förderliche suchen, so wird also eine ge- wisse allgemeine Anpassung des unter hinlänglich günstigen Bedingungen sich entwickelnden menschlichen Denkens an die logischen Normen stattfinden. Unter andern Bedingungen findet sich diese Anpassung thatsächlich nicht oder nur un- vollkommen; man denkt eben unlogisch. Wir wollen die ganze, ziemlich grosse Unbestimmtheit der Behauptung wie der Beweisführung nicht weiter bemängeln; wir fragen nur: ist das, was man so zu begründen glaubt, überhaupt der Sinn der logischen Gesetze? Stossen wir uns auch daran nicht, dass man unterlässt, die fraglichen Gesetze von einem einleuchtenden Anfang in überzeugender Deduktion zu entwickeln, dass man sie vielmehr einfach als gegeben an- zunehmen scheint, was wir nicht zugeben könnten; so besagen doch die Gesetze der Logik gar nicht, wie man im allgemeinen, unter normalen Umständen denkt, sehr oft aber auch nicht, sondern sie erklären ganz ohne einschränkende Bedingung ein solches und solches, bestimmten Forderungen genügendes Denken für richtig, das entgegengesetzte für falsch; d. h. sie erklären, was so und so gedacht ist, das allein ist, was anders, das ist nicht, und zwischen diesem Sic et Non gilt kein Kompromiss, kein „unter Umständen“ und „normaler- weise“, sondern einzig das Verhältnis reiner Ausschliessung.

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/32>, abgerufen am 28.03.2024.