vielen getrennten Plätzen isolieren, daher ohne Einfluss auf einander bleiben mussten, oder doch erst in langer Zeit ein allmählicher Austausch sich anbahnte. Dass diese generali- sierende Tendenz, einmal eingeleitet, unaufhaltsam vorwärts drängt, diese Einsicht ist es zumeist, die wegen ihres greif- baren Einflusses auf Wirtschaft und Recht gegenwärtig mehr und mehr in die sozialwissenschaftliche Forschung eindringt und für sie wegweisend wird. Aber mit ihr geht eine schein- bar entgegengesetzte, nämlich individualisierende Tendenz Hand in Hand. Nämlich gerade die immer generellere Bewältigung der technischen Aufgaben ermöglicht zugleich die genaueste Anpassung an das jeweilige individuellste Bedürfnis, also eine Spezifikation der technischen Leistungen; die Lücken des bis dahin Geleisteten schliessen sich mehr und mehr, es entsteht eine Tendenz sie gleichsam kontinuierlich auszufüllen. Die Aufgaben vervielfältigen sich, in dem Maasse wie die Lösungen sich vereinfachen. So gestattet und fordert der durch Ma- schinentechnik und Verkehrserleichterung naturgemäss sich steigernde und seiner unermesslichen, in die Augen springen- den Vorteile wegen sich immer mehr ausdehnende Gross- betrieb -- selbst ein sehr umfassendes Beispiel der Generali- sation der Technik -- zugleich eine umso weitergehende Tei- lung der Arbeiten und dadurch planmässigere Erschöpfung weit mehrerer, womöglich aller einem bestimmten Gebiet an- gehörenden und verwandten Probleme (also Spezifikation), bis zur kontinuierlichen Ausfüllung jeder Lücke. Jeder neue Fund eröffnet eben wieder neue technische Möglichkeiten, und er- laubt damit Aufgaben zu stellen, an die man zuvor nicht ge- dacht hatte, weil man nicht daran denken konnte. Auch diese Entwicklung ist zwingend, und wird es mehr und mehr, je weiter sie vorrückt.
Unschwer ergiebt sich nun schon, dass auch die sozialen Ordnungen, zunächst also die Ordnung der Wirtschaft sich nach demselben streng notwendigen Entwicklungsgang in gesetzmässiger Weise gestalten muss. Der Fortschritt der Technik hat sich als mächtigen Schöpfer sozialer Ein- heiten, auch der "nationalen" Einheiten modernen Sinnes,
vielen getrennten Plätzen isolieren, daher ohne Einfluss auf einander bleiben mussten, oder doch erst in langer Zeit ein allmählicher Austausch sich anbahnte. Dass diese generali- sierende Tendenz, einmal eingeleitet, unaufhaltsam vorwärts drängt, diese Einsicht ist es zumeist, die wegen ihres greif- baren Einflusses auf Wirtschaft und Recht gegenwärtig mehr und mehr in die sozialwissenschaftliche Forschung eindringt und für sie wegweisend wird. Aber mit ihr geht eine schein- bar entgegengesetzte, nämlich individualisierende Tendenz Hand in Hand. Nämlich gerade die immer generellere Bewältigung der technischen Aufgaben ermöglicht zugleich die genaueste Anpassung an das jeweilige individuellste Bedürfnis, also eine Spezifikation der technischen Leistungen; die Lücken des bis dahin Geleisteten schliessen sich mehr und mehr, es entsteht eine Tendenz sie gleichsam kontinuierlich auszufüllen. Die Aufgaben vervielfältigen sich, in dem Maasse wie die Lösungen sich vereinfachen. So gestattet und fordert der durch Ma- schinentechnik und Verkehrserleichterung naturgemäss sich steigernde und seiner unermesslichen, in die Augen springen- den Vorteile wegen sich immer mehr ausdehnende Gross- betrieb — selbst ein sehr umfassendes Beispiel der Generali- sation der Technik — zugleich eine umso weitergehende Tei- lung der Arbeiten und dadurch planmässigere Erschöpfung weit mehrerer, womöglich aller einem bestimmten Gebiet an- gehörenden und verwandten Probleme (also Spezifikation), bis zur kontinuierlichen Ausfüllung jeder Lücke. Jeder neue Fund eröffnet eben wieder neue technische Möglichkeiten, und er- laubt damit Aufgaben zu stellen, an die man zuvor nicht ge- dacht hatte, weil man nicht daran denken konnte. Auch diese Entwicklung ist zwingend, und wird es mehr und mehr, je weiter sie vorrückt.
Unschwer ergiebt sich nun schon, dass auch die sozialen Ordnungen, zunächst also die Ordnung der Wirtschaft sich nach demselben streng notwendigen Entwicklungsgang in gesetzmässiger Weise gestalten muss. Der Fortschritt der Technik hat sich als mächtigen Schöpfer sozialer Ein- heiten, auch der „nationalen“ Einheiten modernen Sinnes,
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vielen getrennten Plätzen isolieren, daher ohne Einfluss auf
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drängt, diese Einsicht ist es zumeist, die wegen ihres greif-
baren Einflusses auf Wirtschaft und Recht gegenwärtig mehr
und mehr in die sozialwissenschaftliche Forschung eindringt
und für sie wegweisend wird. Aber mit ihr geht eine schein-
bar entgegengesetzte, nämlich individualisierende Tendenz Hand
in Hand. Nämlich gerade die immer generellere Bewältigung
der technischen Aufgaben ermöglicht zugleich die genaueste
Anpassung an das jeweilige individuellste Bedürfnis, also eine
Spezifikation der technischen Leistungen; die Lücken des bis
dahin Geleisteten schliessen sich mehr und mehr, es entsteht
eine Tendenz sie gleichsam kontinuierlich auszufüllen. Die
Aufgaben vervielfältigen sich, in dem Maasse wie die Lösungen
sich vereinfachen. So gestattet und fordert der durch Ma-
schinentechnik und Verkehrserleichterung naturgemäss sich
steigernde und seiner unermesslichen, in die Augen springen-
den Vorteile wegen sich immer mehr ausdehnende Gross-
betrieb — selbst ein sehr umfassendes Beispiel der Generali-
sation der Technik — zugleich eine umso weitergehende Tei-
lung der Arbeiten und dadurch planmässigere Erschöpfung
weit mehrerer, womöglich aller einem bestimmten Gebiet an-
gehörenden und verwandten Probleme (also Spezifikation), bis
zur kontinuierlichen Ausfüllung jeder Lücke. Jeder neue Fund
eröffnet eben wieder neue technische Möglichkeiten, und er-
laubt damit Aufgaben zu stellen, an die man zuvor nicht ge-
dacht hatte, weil man nicht daran denken konnte. Auch diese
Entwicklung ist zwingend, und wird es mehr und mehr, je
weiter sie vorrückt.
Unschwer ergiebt sich nun schon, dass auch die sozialen
Ordnungen, zunächst also die Ordnung der Wirtschaft
sich nach demselben streng notwendigen Entwicklungsgang in
gesetzmässiger Weise gestalten muss. Der Fortschritt der
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/187>, abgerufen am 04.12.2024.
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